IT im Alltag: E-Books:Zaubertinte

Lesegeräte in Buchgröße haben Platz für 500 Romane und kommen fast ohne Strom aus. Elektronische Tinte und Strom sparende Polymer-Displays machen es möglich.

Nicola D. Schmidt

Was Papier kann, kann bis heute nur Papier: Es lässt sich gut lesen, beschreiben, zerreißen, rollen und es benötigt keinen Strom. Seit dreißig Jahren arbeiten Forscher daran, ein elektronisches Pendant zu erfinden, das genauso praktisch ist, allen voran das Massachusetts Institute of Technology (MIT), die Forscher von Xerox Parc sowie die Konzerne Philips und Sony. Barrett Cominskey, J.D. Albert und Joseph Jacobsen vom MIT gründeten 1997 die Firma E-Ink in Cambridge, Massachusetts, die elektronische Tinte zur Marktreife brachte.

IT im Alltag: E-Books: Vorreiter: Die belgische Tageszeitung "De Tijd" wird zur Cebit 2006 in einem Pilotprojekt für zwei Monate im elektronischen Format an 200 Abonnenten gehen.

Vorreiter: Die belgische Tageszeitung "De Tijd" wird zur Cebit 2006 in einem Pilotprojekt für zwei Monate im elektronischen Format an 200 Abonnenten gehen.

(Foto: Foto: www.tijd.be/epaper)

Sie funktioniert heute noch so, wie sie Nick Sheridon, Forscher am Xerox Parc, vor über dreißig Jahren entwickelt hat: Millionen mikroskopisch kleiner Kapseln enthalten positiv geladene weiße und negativ geladene schwarze Partikel.

Sie schwimmen in einer transparenten Flüssigkeit, ein elektrisches Feld holt entweder die schwarzen oder die weißen Partikel an die Oberfläche. Beim Betrachter entsteht so der Eindruck eines weißen oder schwarzen Punktes.

Das Trägermedium kann jedes Pixel auf dem elektronischen Display einzeln ansprechen. Auf diese Weise erzeugen die Minikapseln Schrift oder Bilder, fast wie ein LC-Display.

Der Unterschied zum normalen TFT-Bildschirm aus dem Computerbereich: Nur das Blättern verbraucht Strom, das Anzeigen der Seite nicht. Durch die Trägerflüssigkeit kann die elektronische Tinte auf beliebige Oberflächen aufgebracht werden, Glas genauso wie Plastik, Stoff oder sogar Papier.

"Die perfekte Elektronische Tinte wird es möglich machen, aus jeder Oberfläche ein Display werden zu lassen" prophezeien die Gründer von E-Ink auf ihrer Website.

Die zur elektronischen Tinte passenden Displays kommen von der TFT-LCD-Sparte von Philips (http://www.polymervision.nl/). Das Material ist 80% dünner und leichter als Glas-Displays, es bricht nicht und man kann es aufrollen und mitnehmen.

Ideal für Werbedisplays, aufrollbare Anzeigen und elektronische Karten. Für Bücher ist dagegen nach wie vor Formfaktor "Buch" angesagt. Geräte im DIN A5 Format mit Gehäuse und Deckel, die besonders genügsame Displays haben und wenig Strom verbrauchen.

Sony (Halle 1 Stand H100) kam bereits 2004 mit dem Lesegerät "Librié" auf den Markt, fand aber nicht genügend Abnehmer. Ein Grund dafür war die Beschränkung auf Sonys hauseigenes BBeB-Book-Format.

An einer ähnlichen Limitierung waren vorher schon die Hersteller Rocketbook und Gemstar eBook gescheitert. Sony hat gelernt und im Januar 2006 auf der CES in Las Vegas den "Sony Reader" vorgestellt.

Er liest neben BBeB Book auch Adobes PDF, wie es die Kunden seit langem fordern. Außerdem kann er JPG und MP3-Dateien öffnen, es lassen sich also auch Bilder in schwarz-weiß ansehen oder über die Kopfhörerbuchse Musik hören.

Der Reader ist etwas kleiner als ein Blatt DIN A5-Papier und wiegt mit 250 Gramm etwa so viel wie Victor Hugos "Glöckner von Notre Dame" als Paperback. Vier Graustufen und eine Auflösung von 800x600 Pixel reichen zum Lesen von Schrift vollkommen aus.

Laut Sony zeigt der Reader 7500 Seiten an, bevor er wieder an die Steckdose muss, das reicht für mehr als zehn dicke Bücher. Sony kooperiert bei seinem Reader mit zwei großen Partnern und nutzt E-Inks Beschichtungstechnik sowie Philips TFT-LCD-Technik.

Konkurrenz bekommt Sony dieses Jahr von Irex Technologies, deren "Iliad" ein ähnliches Prinzip verfolgt. Das Gerät ist mit 390 Gramm schwerer als der Reader, bringt aber auch mehr Leistung: Iliad hat volles A5-Format, lässt sich in ein Netzwerk einbinden und zeigt Bilder mit 1024x768 Pixel in 16 Graustufen.

Es liest ebenfalls PDF und MP3-Dateien, zudem noch XHTML und reinen Text (.txt). Iliad geht zur Cebit in den Praxis-Test: 200 Abonnenten den belgischen Tageszeitung "De Tijd" können von März bis Mai 2006 ihre Zeitung auf ihm lesen (www.tijd.be/epaper).

Doch nicht nur die Buchindustrie hat Interesse am elektronischen Papierersatz. Auch die Uhrenindustrie hat ein Auge auf die E-Paper Technologie geworfen.

Sowohl Seiko als auch Citizen arbeiten mit E-Ink zusammen. Seiko zeigte im April 2005 den Prototypen einer Armbanduhr, die ein extrem dünnes, Strom sparendes Display nutzt. Citizen nutzt die Tinte, um mit Polymer-Technik von Philips eine riesige Wanduhr zu bauen, die sich biegen lässt und sehr wenig Strom verbraucht - fast wie Dalis dahinschmelzende Uhren.

Elektronisches Papier bietet sich auch überall an, wo ohne oder mit wenig Strom Informationen angezeigt werden müssen. Der Hersteller von elektronischen Speicherstiften Lexar will seine USB-Flash-Drives mit einer Anzeige ausstatten, die zeigt, wie voll der Stick ist, auch wenn das Gerät nicht im Computer steckt.

Trotzdem wird es noch eine Weile dauern, bis die Leser der Süddeutschen ihre Zeitung jeden Morgen auf elektronischem Papier lesen können.

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