iPad: Musik-App Garage Band:Wischen, schneiden, tönen

Mit Garage Band will Apple das iPad zu einem ernstzunehmenden musikalischen Werkzeug machen. Das gelingt durchaus - zumindest, wenn man auf die "Beatles" steht.

Kai Schwirzke

Musikproduktion und Apple-Computer, das hat Tradition. Mit dem Erscheinen des zweiten iPads hat der Konzern aus Cupertino aber neue Wege beschritten: Garage Band ist einerseits ein nahezu vollwertiges Musikstudio, andererseits will es die Vorzüge des Tablet-Computers nutzen.

Garageband

iPad-App Garage Band: Kleines Studio für unterwegs.

(Foto: Screenshot)

Den Touchscreen mit Fingerbedienung also und den Umstand, dass man ein nur 600 Gramm leichtes Gerät überall dabeihaben kann. Die Software Garage Band verkauft Apple zum Kampfpreis von 3,99 Euro. Kann das gutgehen?

Kleine Programme zum Aufnehmen mehrerer Audiospuren gibt es für das iPad schon länger, auch solche zum Festhalten von Synthesizermelodien. Garage Band aber ist die erste App, die beides kombiniert.

Sowohl die zahlreichen mitgelieferten virtuellen Instrumente von Klavier bis Schlagzeug als auch beispielsweise Gesangsstimmen lassen sich in einem mehrspurigen Arrangement vereinen. Garage Band setzt also auf einem Tablet-PC um, was viele Musiker von ausgewachsenen Computern seit langem kennen: Ein vollständiges Studio zum Aufnehmen und Bearbeiten von Musik.

Und da es das Programm auch in einer umfangreicheren Version für Apple-Computer gibt, lässt sich der iPad-Song später ohne Probleme auf einem leistungsfähigeren Rechner weiter verfeinern.

Spielerisch per Fingertipp

Doch damit nicht genug: Garage Band enthält zudem eine ganze Reihe von Gitarrenverstärker-Simulationen, die sich nahezu verzögerungsfrei spielen lassen - eine echte E-Gitarre und einen kleinen Adapter vorausgesetzt.

Überhaupt hat Apple auf den spielerischen Aspekt größten Wert gelegt. So haben auch Menschen ohne großes musikalisches Vorwissen viel Spaß mit den Smart Instruments, die es unter anderem für Bass, Gitarre und Keyboards gibt. Mit diesen kann man ganz einfach per Fingertipp zueinander passende Harmonien spielen, bei den Saiteninstrumenten sind sogar Schlag-, Zupf- und Abdämpftechniken realisierbar.

Bemerkenswert: Die Instrumente reagieren, wo sinnvoll, auf Anschlagdynamik, auch wenn sie direkt über das Touch-Display gespielt werden. Je fester man also zum Beispiel auf eine Taste oder eine Trommel auf dem Bildschirm tippt, desto lauter erklingt dann auch das Instrument.

Warum so spät?

Dass Apple erst vergleichsweise spät mit einer eigenen Musik-App in Erscheinung tritt, mag verwundern. Auch, dass Apple - sonst um teures Sonderzubehör nie verlegen - es anderen Firmen überlassen hat, Peripherie für den musizierenden iPad-Anwender zu entwickeln.

Wer zum Beispiel mit dem Tablet eine Gitarre aufnehmen möchte, benötigt einen entsprechenden Adapter. Und wer gewohnt ist, mit einer richtigen Klaviatur zu arbeiten, findet an den virtuellen Touchscreen-Derivaten meist nur wenig Gefallen. Ein Grund übrigens, warum Apps zum Programmieren und Mixen von Schlagzeugspuren zunächst in der Mehrheit waren: Sie kommen auch ohne traditionelle Hilfsmittel zur Eingabe von Musik gut aus.

Leistungsstark, aber eingeschränkt

Bezeichnenderweise beherrschte das iPad zu Beginn auch kein Midi, ein vor etwa 30 Jahren eingeführtes Protokoll zur Kommunikation zwischen elektronischen Musikinstrumenten. Das braucht man beispielsweise, um über eine Tastatur einen Klangerzeuger anzusteuern. Auch hier sprangen zunächst Drittanbieter in die Bresche, schufen aber leider nur wenig akzeptierte Insellösungen.

Erst nach mehr als einem halben Jahr hielt mit einem Betriebssystem-Update CoreMidi Einzug - genau die Erweiterung, die schon seit Jahren im großen Apple-Betriebssystem OSX für zuverlässigen Midi-Datenverkehr sorgt. Seitdem kann das iPad per Wlan oder über den USB-Foto-Adapter mit gängigem Midi-Equipment, etwa Klaviaturen und Desktop-Computern kommunizieren. Eine wichtige Voraussetzung für sinnvolles musikalisches Arbeiten mit dem iPad.

Vielleicht aber hat Apple auch ganz bewusst Garage Band und iPad 2 nahezu zeitgleich veröffentlicht. Schließlich ist erst die zweite Tablet-Generation mit einem Doppelkernprozessor ausgerüstet und liefert somit theoretisch die zweifache Rechenleistung. Und die kann bei Musikprogrammen niemals üppig genug ausfallen. Auf dem ersten iPad legt Garage Band mit dem Hinweis "Optimiere Leistung" immer wieder mal einige Gedenksekunden ein.

Auch das iPad 2 ist einem aktuellen PC unterlegen, was seine Rechenleistung betrifft. Und so muss der Tablet-Musikant doch auch einige Einschränkungen in Kauf nehmen. Garage Band begnügt sich beispielsweise mit acht Spuren. Das reichte den Beatles zwar für die Aufnahme ihres legendären Albums "St. Pepper", wirkt aber angesichts heutiger Standards eher bescheiden.

Aktuelle Musikprogramme unter Windows oder OSX kennen meist gar keine Begrenzung für die Zahl der Aufnahmespuren mehr. Auch beim Bearbeiten der Musik gilt es, sich in Bescheidenheit zu üben.

Detaillierte Korrekturen fehlen

Zwar lassen sich die aufgenommenen Musik-Schnipsel nach Belieben kopieren, verschieben, löschen und in einer Zeitleiste grafisch übersichtlich arrangieren. Auf detaillierte Korrekturen des eingespielten Materials muss der Garage-Band-Anwender auf dem iPad jedoch völlig verzichten.

Auch wer es gerne effektreich mag, spürt den Unterschied: Wo ausgewachsene Musikprogramme mit einer fast schon unübersichtlichen Vielzahl an klanggestaltenden Modulen aufwarten, bescheidet sich Garage Band auf dem iPad mit den Klassikern Hall und Echo; zusätzlich offeriert das Programm einige weitere Effekte, die aber bereits bei der Aufnahme hinzugefügt werden und somit unwiderruflich sind.

Der Faszination aber, mit so einem kompakten Gerät tatsächlich in fast jeder Lebenslage eine musikalische Idee umsetzen zu können - zur Not einfach mit dem eingebauten Mikrofon und den Smart Instruments - tut all dies allerdings keinen Abbruch.

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