Internetzensur in China:Der olympische Geist verweht

Die Schamfrist ist abgelaufen: Peking sperrt wieder die Internetseiten, die auf internationalen Druck hin während der Spiele frei zugänglich waren.

H. Bork

Auch die letzte Schamfrist nach der Olympiade ist nun abgelaufen. Seit Anfang Dezember hat China begonnen, still und leise all jene Internetseiten wieder zu sperren, die im Sommer auf Druck des Internationalen Olympischen Komitees und der Weltpresse freigeschaltet worden waren.

Internetzensur in China: China sperrt wieder Internetseiten, die während der Olympischen Spiele frei zugänglich waren.

China sperrt wieder Internetseiten, die während der Olympischen Spiele frei zugänglich waren.

(Foto: Foto: dpa)

Am Dienstag waren in Peking folgende Webseiten auch nach wiederholten Versuchen nicht aufrufbar: die chinesische Online-Ausgabe von "Voice of America" (VOA); die Online-Ausgaben der Zeitschrift Yazhou Zhoukan (Asiaweek) und der Zeitung Mingpao, beide aus Hongkong; die Webseiten von "Reporter ohne Grenzen" und die Hongkonger und taiwanesische Ausgabe von YouTube.

"Wir sind enttäuscht"

Am Tag zuvor hatte sich die BBC in London über die häufige Störung ihres chinesischen Online-Auftrittes in China beschwert. Seit Anfang dieses Monats ist bbcchinese.com mal aufrufbar, mal nicht. "Wir sind enttäuscht, dass Chinesisch-sprachige Websurfer nicht länger Zugang zu neutralen und unabhängig recherchierten Nachrichten über den chinesischen Dienst unserer Webseite haben", sagt Lorna Ball von der Chinaredaktion der BBC. Während der Olympischen Spiele sei das möglich gewesen, jetzt aber "scheint es einige Schwierigkeiten zu geben", so Ball.

Als kurz vor Beginn der Olympischen Spiele in Peking die ersten ausländischen Reporter im damals nagelneuen Pressezentrum eintrafen, brach angesichts einiger blockierter Webseiten ein Sturm der Entrüstung los. Nachdem das gemeinsam mit der Pekinger Führung unter Druck geratene IOC erklärt hatte, eine solche Internetzensur werfe "ein sehr schlechtes Licht" auf den Gastgeber der Spiele, schaltete Peking die meisten Webseiten frei. Doch nun werden die virtuellen Zugbrücken Stück für Stück wieder hochgezogen.

"Wir erleben gerade, wie die Behörden graduell wieder all den Fortschritt zurückrollen, der im Vorfeld der Olympischen Spiele dieses Sommers erreicht worden war, als sogar ausländische Webseiten auf Hochchinesisch zugänglich gemacht wurden", heißt es in einer Erklärung der selbst betroffenen "Reporter ohne Grenzen".

Der olympische Geist verweht

Bevor es die Zusage für die Spiele bekommen hatte, habe China "Hoffnungen geweckt, das chinesische Medienuniversum werde eine Periode der Expansion erleben", sagt Bob Dietz, Programmdirektor Asien vom "Komitee zum Schutz von Journalisten" in den USA. Nun sein "klar, dass China nicht die Absicht habe" diese zu erfüllen.

Chinas Regierung macht die politisch motivierten Kürzungen im Internet nicht kenntlich. Die Webseiten bauen sich einfach nicht auf, oder eine technische Fehlermeldung taucht auf. Auf Nachfrage aber verteidigen Regierungsprecher die Zensur offensiv.

"Die chinesische Regierung ist berechtigt, das notwendige Management von Webseiten durchzuführen", sagte Liu Jianchao, Sprecher des chinesischen Außenministeriums am Dienstag. Manche Online-Dienste verstießen gegen Regeln und Gesetze, zum Beispiel indem sie von China und Taiwan wie von "zwei Chinas" redeten, führte Liu aus.

Bürgerrechtler verschleppt

Es ist unklar, ob die nun einsetzende Verschärfung der Zensur seit langem geplant ist, oder ob sie Ausdruck einer neuen Nervosität der chinesischen Führung ist. Erst kürzlich haben 303 chinesische Bürger im Internet einen "Charta 08" genannten Aufruf zu Freiheit und Demokratie im Internet veröffentlicht.

Einer der Urheber, der Bürgerrechtler Liu Xiaobo, ist kurz danach von den Sicherheitskräften verschleppt worden. Mehr als 30 andere Unterzeichner der Petition sind verhört worden, berichteten Angehörige und Menschenrechtsorganisationen.

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