Internetfirma:Die Idee vom großen Surfen

Immer mehr Menschen gehen über einen Pauschaltarif ins Netz. Da liegt es nahe, jemanden auf dem eigenen Ticket mitfahren zu lassen. Das Ergebnis könnte ein globales Drahtlosnetz sein.

Christoph Seidler

Neu ist die Idee eigentlich nicht, die der in Argentinien geborene Unternehmer Martin Varsavsky hatte. Aber diesmal könnte sie Erfolg haben.

Varsavsky ist Gründer der spanischen Internetfirma Fon. Sein Unternehmen plant, die Welt mit Zugangspunkten zum drahtlosen Surfen im Internet zu überziehen.

Im Gegensatz zu vielen Konkurrenten will Fon diese sogenannten Hotspots aber nicht selbst errichten. Stattdessen sollen Internet-User, die zu Hause sowieso einen drahtlosen Internet-Zugang haben, diesen für Außenstehende öffnen und so das Netz quasi im Alleingang aufbauen.

Die Zeit für eine solche Idee könnte reif sein. Denn immer mehr Surfer gehen über einen Pauschaltarif ins Internet. Das heißt, sie bezahlen immer dasselbe, egal wie aktiv sie im Netz tatsächlich sind.

Da liegt es nahe, noch jemanden auf dem eigenen Ticket mitfahren zu lassen. Zumal Fon als Gegenleistung einige Vorteile verspricht: Die User, die sogenannten Foneros, können sich aussuchen, ob sie zur Kategorie "Linus" oder zur Kategorie "Bill" gehören wollen.

Kategorie "Linus" oder zur Kategorie "Bill"

Ein "Linus" - Namenspatron war hier Linus Torvalds, Vater des alternativen Betriebssystems Linux - verschenkt seine Netzkapazität an andere und darf dafür bei allen anderen Fon-Mitgliedern kostenlos mitsurfen, wenn er selbst unterwegs ist.

Ein "Bill" - benannt nach Microsoft-Gründer Bill Gates - erhebt dagegen Gebühren, und muss dann auch bei anderen Teilnehmern für den Zugang bezahlen.

Die Hälfte aller Einnahmen geht in jedem Fall an Fon; sie sollen die Haupteinnahmequelle des Unternehmens werden. Allerdings steht das Abrechnungssystem bis jetzt noch nicht.

Wer bei Fon mitmachen will, braucht spezielle Router, deren Software sich etwas von der handelsüblicher Modelle unterscheidet. Das ist unter anderem nötig, um sicherzustellen, dass Außenstehende nur höchstens die Hälfte der Netzkapazität nutzen können.

Mit dieser Vorkehrung will Fon verhindern, dass die Internet-Gastgeber selbst auf dem Trockenen sitzen bleiben. Außerdem soll die Software dafür sorgen, dass Hacker den Router nicht manipulieren können. Das verspricht jedenfalls der Dresdner Computerspezialist Sebastian Gottschall.

Der ehemaliger Hacker mit dem martialischen Alias-Namen "Brainslayer" hat das Programm entwickelt, das in den Fon-Routern steckt. Seine Firma Blueline AG gehört inzwischen mehrheitlich zu Fon.

"Wenn wir unsere Router günstiger verkaufen als alle anderen, haben wir gute Chancen", ist sich Sebastian Gottschall sicher. Ein solcher Router könne schließlich alles, was ein normaler Router auch kann, dazu komme der Zusatznutzen des Fon-Netzwerks.

Nicht-Mitglieder, die einen der Hotspots nutzen wollen, müssen zwei Dollar am Tag zahlen - und zwar nur an den Tagen, an denen sie auch tatsächlich surfen. "Mit diesem Preis sind wir das Easyjet fürs drahtlose Internet", schreibt Martin Varsavsky in seinem Blog.

Und in der Tat liegt der Betrag deutlich niedriger als bei kommerziellen Drahtlos-Zugängen, wie sie von klassischen Telefongesellschaften etwa in Hotels oder Flughäfen betrieben werden.

Doch gleichzeitig, so hofft jedenfalls Martin Varsavsky, kostet das Ganze immer noch so viel, dass es am Ende billiger ist, einen eigenen Internet-Anschluss zu Hause zu haben und ihn zu teilen - anstatt komplett auf Fon umzustellen.

Antenne am Fenster

Attraktiv ist Fon vor allem in städtischen Regionen. In vielen deutschen Großstädten gibt es bereits freie Bürgernetzwerke, wie etwa Freifunk.net. In solchen Gegenden könnte das Netz von Fon eines Tages tatsächlich so dicht werden, wie es Varsavsky vorschwebt.

Auf dem Land hingegen dürfte Fon deutlich weniger attraktiv sein. Bislang gibt es weltweit etwa 26.000 Fon-User, circa 500 davon in Deutschland. Die Zahlen steigen jedoch jeden Monat rapide. Im Jahr 2010 will Fon eine Million Hotspots weltweit anbieten. Eine möglichst hohe Zahl von Hotspots in der Nähe zentraler Punkte - Parks, Einkaufsstraßen, Hotels - ist wichtig, um das Surfen mit Fon für Außenstehende interessant zu machen.

Um eine gute Netzabdeckung zu erhalten, sollen Foneros ihren Router deswegen am Fenster platzieren, damit die Reichweite über den Bürgersteig vor dem Haus hinausgeht. Außerdem will das Unternehmen an zentralen Punkten eines Tages auch selbst Hotspots einrichten.

Viele große Anbieter von Internetzugängen sind nicht besonders begeistert von Varsavskys Geschäftsmodell. Sie fürchten, Kunden zu verlieren. Nur einige wenige Internet Service Provider, darunter Glocalnet aus Schweden und Jazztel aus Spanien, haben bisher Kooperationsverträge unterschrieben.

Auch die deutschen Internet-Anbieter können sich bisher kaum erwärmen. Einzig Freenet stellte vor einigen Tagen in Aussicht, mit den Spaniern zusammenarbeiten zu wollen. AOL hingegen beteuert, es gebe "keinerlei Kontakt" zu Varsavsky.

Rechtliche und technische Probleme

Bei T-Online sieht es im Hinblick auf eine Partnerschaft mit Fon ähnlich aus: "Wir verfolgen hier derzeit keine konkreten Planungen", erklärt T-Online-Pressesprecher Martin Frommhold. Gleichzeitig betont er aber, sein Unternehmen sei "jederzeit bereit", sich auf neue Entwicklungen einzustellen.

T-Online und AOL versichern aber, dass keinem Kunden Ungemach droht, wenn er bei Fon mitmacht. "Unseren Kunden steht es frei, ihren Acount mit anderen Nutzern zu teilen", sagt AOL-Sprecher Tobias Riepe.

Er verweist aber auf "mögliche Sicherheitsrisiken, vor allem, wenn Nicht-AOL-Kunden Zugriff auf einen Account bekommen." Und Frommhold sieht "diverse technische und rechtliche Punkte", die User bei der Öffnung ihres WLANs für Außenstehende beachten müssten.

In der Tat sind noch viele Fragen ungeklärt, etwa was genau passiert, wenn über einen Fon-Hotspot kopiergeschützte Werke heruntergeladen werden oder wenn jemand darüber unerwünschte Werbemails verteilt. Fon kontert solche Bedenken mit dem Hinweis, dass sich alle Drahtlossurfer mit einem Benutzernamen und einem Passwort anmelden müssten. Übeltäter könnten also später identifiziert werden.

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