Internetfähige Fernseher:Google: Herrschaft im Wohnzimmer

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Der Internetkonzern Google versucht sich als Fernsehanbieter - nicht zuletzt, um seine Werbeerlöse zu steigern. Dabei sollen potente Partner helfen.

Helmut Martin-Jung

Die Einführung von Google TV in den Vereinigten Staaten steht unmittelbar bevor. Noch hat der Internetkonzern zwar keinen genauen Termin genannt, dafür aber erstmals Partner vorgestellt.

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Dazu gehören beispielsweise der Versandhandelskonzern Amazon, der Videoverleih Netflix oder der Turner-Konzern mit seinem Sender CNN. Der Zubehörhersteller Logitech, der eine für Google TV erforderliche Zusatzbox entwickelt hat, stellte am Mittwoch das Gerät und eine Reihe anderer Produkte rund um das Internet-TV-Projekt vor. Wann Google-TV nach Europa kommen soll, ist noch offen.

Google ist nicht die erste Firma, die verspricht, das Internet auf Fernsehgeräte zu bringen. Auf der Internationalen Funkausstellung (Ifa) in Berlin vor wenigen Wochen gehörte Internet-TV sogar zu den Hauptthemen.

Doch während alle Anbieter bisher Internetzugang entweder über Zusatzgeräte verwirklichen, die einen eigenen Anschluss an den Fernseher belegen, oder aber mit Miniprogrammen auf dem Bildschirm nur einen winzigen Ausschnitt des Internets zugänglich machen, will Google alles vereinen.

Die Box, die 300 Dollar kosten soll, wird also nicht bloß per Kabel oder per Funk mit dem Internet verbunden. Sie nimmt auch Fernsehsignale entgegen, die die Geräte für den digitalen Fernsehempfang über Satellit, Kabel oder Antenne liefern, sogenannte Settop-Boxen.

Das Suchfenster bleibt

Und man kann daran auch Datenträger wie externe Festplatten anschließen, auf denen Filme, Musik oder Fotos gespeichert sind. "Das lässt die verschiedenen Erfahrungen wirklich miteinander verschmelzen", verspricht Ariel Fisher, der bei Logitech für die Google-TV-Box zuständig ist.

In ein Textfenster, wie Internetnutzer es bereits von Googles Suchmaschine kennen, gibt man Suchbegriffe ein und kann dabei entscheiden, nach welchen Kriterien gesucht werden soll: Sendungen im herkömmlichen Fernsehen, auf Videoportalen wie Youtube, Videoangebote von TV-Sendern oder auch im gesamten Internet. "Es gibt nur eine Benutzeroberfläche, eine einzige Suche und eine einzige Fernbedienung", sagt Fisher.

Seine Firma Logitech, die vor allem Computerzubehör wie Mäuse, Tastaturen und Internetkameras herstellt, erhofft sich durch das Projekt eine "Erweiterung des Ökosystems", wie Fisher sagt. Zusammen mit der Box bringt die Firma auch zwei Fernbedienungen heraus, die Tastaturen enthalten, sowie eine Videokamera, die mit der TV-Box verbunden und auf den Fernseher gesteckt werden kann.

Die Videokamera ermöglicht über eine kostenlos mitgelieferte Software Videokonferenzen über das Internet von einer Google-TV-Box zu einer anderen oder von einer Box zu einem Computer. Auch die Smartphones sollen nicht außen vor bleiben. Für die wachstumsstärksten Plattformen - Apples iPhone und Googles Android-System - wird es kostenlose Programme (Apps) geben, mit denen sich die Google-Fernsehbox komplett steuern lassen soll.

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Googles Motivation ist nicht schwer zu durchschauen. Der Weltmarktführer bei Online-Werbung will auch am lukrativen Markt für Fernsehwerbung partizipieren. In Deutschland beispielsweise umfasst der Gesamtwerbemarkt ein Volumen von etwa 27 Milliarden Euro.

Davon werden laut einer Prognose des Bundesverbandes für Digitale Wirtschaft in diesem Jahr knapp 19 Prozent auf Werbung im Internet entfallen, aber knapp 39 Milliarden Euro auf TV-Werbung.

Dazu hat man sich in Mountain View, Googles Hauptsitz, offenbar schon sehr lange Gedanken gemacht. Bereits im Oktober 2006, vor vier Jahren also, beantragten Mitarbeiter des Konzerns ein Patent darauf, Bildschirmwerbung so zu steuern, dass der Beworbene individuell reagieren kann.

Videotext und Internet verschmelzen

Wer etwa verhindern will, dass eine Sendung von Werbung unterbrochen wird, könnte zustimmen, zuvor einige Fragen zu beantworten. Oder aber Zuschauer müssten zwar Werbeblöcke einer gewissen Dauer ertragen, könnten aber langweilige Spots wegklicken.

Zwar will Google über seine eigene Internetsoftware (Browser) Chrome alle Webseiten anzeigen, viele sind aber nicht für die Darstellung auf Fernsehbildschirmen geeignet. Diese sind zwar meist relativ groß, die Nutzer sitzen aber auch relativ weit davon entfernt, so dass Texte in normaler Größe nur schwer zu entziffern wären.

Google arbeitet daher mit einer Reihe von Anbietern wie etwa der New York Times zusammen, um Angebote zu schaffen, die auf Fernsehbildschirmen gut aussehen. In Europa gibt es ähnliche Bestrebungen. Der Standard HbbTV (Hybrid Broadcast Broadband TV) soll Videotext und Internet verschmelzen.

Lesen Sie hierzu Berichte in der Süddeutschen Zeitung.

© SZ vom 07.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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