Internet-Zensur: Iran entzieht Bürgern Online-Verschlüsselung

Keine Geheimnisse vor dem Staat: Teheran verschärft derzeit offenbar die Internet-Zensur und lässt verschlüsselte Webseiten blockieren. Mittelfristig plant die Regierung, das Internet des Landes komplett vom Rest der Welt abzuschotten.

30 Millionen Internetnutzer in Iran können derzeit offenbar derzeit ihre Surfaktivitäten nicht verschlüsseln. Dies geht aus verschiedenen Berichten von Iranern und ausländischen Nichtregierungsorganisationen hervor.

Internet-Zensur: Iranische Frauen in einem Internetcafé in Teheran: Soll die Blockade verschlüsselter Seiten die Koordination von Protesten verhindern?

Iranische Frauen in einem Internetcafé in Teheran: Soll die Blockade verschlüsselter Seiten die Koordination von Protesten verhindern?

(Foto: AP)

Am 9. Februar klagten erstmals iranische Nutzer über die Zensur: Demnach sind Websites nicht über https aufrufbar. Dieses Protokoll ermöglicht es, mit bestimmten Seiten verschlüsselt zu kommunizieren. E-Mail-Provider, Online-Shops oder Banken bieten https an, aber auch Seiten wie Facebook.

Google hat inzwischen erklärt, Gmail, YouTube und die verschlüsselte https-Version der Suchmaschine seien von der Blockade betroffen. Gmail scheint allerdings inzwischen zumindest wieder unverschlüsselt zu funktionieren. Auch der Microsoft-Mailservice Hotmail sowie Yahoo Mail sind offenbar nicht verschlüsselt abzurufen.

Über die Motive kann nur spekuliert werden: Am Wochenende jährte sich die iranische Revolution zum 33. Mal, für diesen Dienstag waren Berichten zufolge Oppositions-Demonstrationen geplant, um Solidarität mit den Protestbewegungen des arabischen Frühlings zu demonstrieren. Die Koordination solcher Aktionen dürfte ohne den Zugriff auf ausländische Mailanbieter schwieriger werden; möglicherweise will der Geheimdienst auch die unverschlüsselten Nachrichten von Regierungsgegnern sammeln und auswerten.

Halal-Version des Internets

Iran blockiert einige ausländische Seiten bereits seit längerem, zudem müssen viele Bürger auf gedrosselte Verbindungen zurückgreifen. Das Überwachungssystem zur Filterung regierungskritischer Inhalte gilt als besonders ausgeklügelt. Im Frühjahr 2011 hatte die iranische Regierung zudem angekündigt, künftig das Internet im Land durch eine "Halal-Version" zu ersetzen, die "islamischen Prinzipien entsprechen soll", wie ein Minister erklärte. Dies könnte bedeuten, dass ein Großteil der ausländischen Seiten innerhalb Irans nicht mehr erreichbar sein wird.

Trotz der Zensuranstrengungen und Verhaftungen von Aktivisten nach den regierungskritischen Protesten 2009 gilt die iranische Blogosphäre als äußerst lebendig. Viele Nutzer verwenden die Zensurumgehungssoftware Tor. Nachdem das Programm am Wochenende offenbar blockiert wurde, haben die Verantwortlichen inzwischen ein Update bereit gestellt.

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