Internet-Telefonie:Ebay übernimmt Skype

Die Übernahme des weltweit führenden Anbieters für Internet-Telefonie ist der größte Zukauf in der Geschichte des Auktionshauses - Analysten und Insider zeigen sich skeptisch.

Jochen Siegle und Hendrik Bensch

Durch die Kombination von Ebay und seinem Zahlungssystem Paypal mit Skype schaffe das Unternehmen nach Darstellung von Konzernchefin Meg Whitman "ein außerordentlich starkes Umfeld für Internetgeschäfte".

ebay übernimmt Skype
(Foto: Foto: AFP)

Zunächst sollen jeweils 1,3 Milliarden Dollar in Aktien und in bar bezahlt werden, teilten Ebay und Skype am Montag mit. Weitere 1,5 Milliarden Dollar werden fällig, wenn bestimmte Unternehmensziele bis 2008 oder 2009 erreicht würden. Mit einem Gesamtvolumen von 4,1 Milliarden Dollar wäre dies die größte Übernahme in der Geschichte von Ebay.

Skype ist gerade einmal zwei Jahre alt. In dieser Zeit hat das Online-Telefonunternehmen mit Sitz in Luxemburg 54 Millionen Nutzer in 225 Ländern geworben. Das Start-Up-Unternehmen bietet den Kunden kostenloses Telefonieren über das Internet an. Gebühren werden fällig, wenn Skype-Kunden ins Handy- oder Festnetz telefonieren. In diesem Jahr will Skype nach eigenen Angaben einen Umsatz von 60 Millionen Dollar erzielen (2004: sieben Millionen Dollar). 2006 soll der Umsatz auf 200 Millionen Dollar steigen.

Analysten geschockt

Einige Branchen-Insider und Analysten hatten sich jedoch schon nach den ersten Gerüchten über eine mögliche Übernahme Ende vergangener Woche skeptisch geäußert. "Es gibt da keine Synergieeffekte", sagte Scott Devitt, Analyst bei Legg Mason. Masons Kollege Maribel Lopez von Forrester Research hatte sich sogar "geschockt" über einen möglichen Einstieg von Ebay ins Telefongeschäft gezeigt. Auch die Wall Street reagierte zunächst ablehnend. Der Ebay-Kurs sackte anfänglich ab, erholte sich aber im Sitzungsverlauf kräftig.

Einige Analysten begründeten den Deial damit, dass Ebay unter Druck stehe. Das Online-Auktionshaus sucht händeringend nach neuen Betätigungsfeldern. Dadurch will sich Ebay gegen das seit Anfang des Jahres deutlich verlangsamende Wachstum in seinem Kerngeschäft - den Internet-Auktionen - stemmen. 42 Prozent des Gesamtumsatzes erwirtschaftet Ebay außerhalb der USA; unter anderem entwickelt sich der bedeutende deutschsprachige Raum zu einem Sorgenkind.

Ebay unter Druck

Aber auch im Gerangel um den Zukunftsmarkt China tut sich Ebay schwer. Hier werden für die nächsten zwei Jahre Zuwachsraten von jährlich 40 Prozent prognostiziert. Der Ausbau des China-Geschäfts, hat bei dem Auktionshaus inzwischen derart hohe Priorität, dass Firmenchefin Meg Whitman alleine im ersten Halbjahr 2005 dreimal ins Reich der Mitte reiste.

Ebay muss also dringend agieren. In letzter Zeit wurde immerhin die Online-Handelsplattform weiter ausgebaut - insbesondere wurde sie für Großhändler und Hersteller professionalisiert. Zudem kaufte man E-Commerce-Unternehmen wie den Web-Schnäppchenfinder und Preisvergleichsdienst Shopping.com hinzu.

Ebay-Chefin Meg Whitman kündigte im Juni auf der "Ebay Live"-Jahreskonferenz weitere Übernahmen an, die - allen Skeptikern zum Trotz - durchaus auch außerhalb des Stammgeschäfts liegen dürften, um neue Einnahmequellen erschließen zu können.

Eine Übernahme von Skype bedeutet zwar einen "Strategiewechsel" für Ebay, wie auch der Branchenanalyst Jeff Kagan findet. Aber schließlich sei die Telekommunikationsindustrie wieder eine "brandheiße Sparte", so Kagan. In der Tat steht die Telefon-Wirtschaft angesichts der Voice-over-IP-Technologie vor großen Umbrüchen - und Chancen.

Konkurrenz fürs Festnetz

Viele Experten gehen davon aus, dass die VoIP-Telefonie in den kommenden Jahren konventionelle Telefon-Netze verdrängen wird. Nach Studien der britischen Marktforschungsgesellschaft Analysis sollen bereits im Jahr 2008 in Europa gut 13 Prozent der Telefongespräche statt über das Festnetz via Internet geführt werden.

Auch die Branchengrößen Google, Yahoo, AOL oder Microsofts hauseigener Web-Dienst MSN haben das Potenzial erkannt und bieten Online-Kommunikationsdienste ("Instant Messaging") an, die neben Text- auch Sprachübermittlung im Web ermöglichen.

Lukrative Geldmaschine

Die unumstrittene Nummer eins in diesem boomenden Zukunftsmarkt ist jedoch Skype. Täglich registrieren sich 150000 neue Nutzer. Etwa fünf Prozent der Anwender greifen Firmen-Mitgründer Janus Friis zufolge auf Skypes kostenpflichtige Premium-Telefondienste zurück. Sie ermöglichen auch das Telefonieren in althergebrachte Fest- und Mobilfunknetze.

Damit ist absehbar, dass Skype den Telekommunikationskonzernen einen harten Wettbewerb liefern wird. Weniger klar ist dagegen, ob der Marktführer mit der selbst ausgegebenen Vision, "eine großartige Firma aufzubauen" (Skype-Chef Niklas Zennström), rasch Geld verdienen wird.

Eben das könnte nicht zuletzt auch Ebay an Skype gereizt haben: Der Web-Handelspionier, der dieser Tage sein zehnjähriges Bestehen feiert, hat es wie kaum ein zweites Unternehmen verstanden, Potenzial, Vision und ein einst fragwürdiges Geschäftsmodell in eine lukrative Geldmaschine zu verwandeln.

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