Internet: Suchgigant droht:Google: In China doch nicht böse

Lange zensierte Google seine Suche in China, nun spielt der Online-Riese nicht mehr nach Pekings Regeln. Was sind die Folgen? Wichtige Antworten.

Johannes Kuhn

Eine PR-Maßnahme oder Rückbesinnung auf die Menschenrechte? Google hat angekündigt, die Suchergebnisse auf seiner chinesischen Seite nicht mehr zensieren zu wollen. Der Grund: Im Dezember 2009 habe es "hochentwickelte und gezielte" Hacker-Angriffe gegen Google und etwa 20 weitere US-Unternehmen gegeben, schreibt David Drummond, Chef der Rechtsabteilung, auf dem Blog des Internet-Konzerns.

Internet: Suchgigant droht: Unbekannte hatten am Morgen Blumen vor dem Google-Bürokomplex in China abgelegt

Unbekannte hatten am Morgen Blumen vor dem Google-Bürokomplex in China abgelegt

(Foto: Foto: AFP)

Die Attacken seien von chinesischen Rechnern ausgeführt worden und hätten vor allem die E-Mail-Konten chinesischer Menschenrechtsaktivisten als Ziel gehabt. Die Angreifer hätten Zugang zu zwei Einträgen gehabt, den Inhalt der E-Mails allerdings nicht einsehen können.

Mit dem Verzicht auf Zensur nimmt Google in Kauf, in China künftig gesperrt zu werden - und seine dortigen Niederlassungen schließen zu müssen. Doch neben den wirtschaftlichen Verlusten könnten auch diplomatische Verwerfungen drohen. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Google-Ankündigung.

Was zensierte Google bislang in China?

Was zensierte Google bislang in China?

Im Januar 2006 brachte Google seine chinesische Suchseite google.cn an den Start, filtert aber wie Microsofts Bing oder die Yahoo-Suche bestimmte Begriffe wie "Dalai Lama", "Falun Gong" oder "Tian'anmen-Massaker". Gibt ein Nutzer diese in die Suchmaske ein, erscheint statt Ergebnissen der Hinweis, dass bestimmte Resultate nicht angezeigt werden. Menschenrechtler kritisierten das Unternehmen dafür heftig. Der Dissident Guo Quan verklagte Google und Yahoo im Jahre 2008, als er feststellte, dass sein Name gefiltert wurde.

Im Juni 2009 blockte China die internationale Seite google.com für kurze Zeit mit der Begründung, dort würden pornographische Suchergebnisse gelistet. Staatsmedien wiederholten die Vorwürfe im Dezember. Beobachter sehen die Anti-Pornographie-Kampagne der chinesischen Regierung als Versuch, bei den Bürgern Verständnis für Zensurmaßnahmen zu wecken.

Im Video: Nach Hackerangriffen will der US-Internetkonzern Google sich aus China zurückziehen. Weitere Videos finden Sie hier

Wer steckt hinter dem Angriff?

Wer steckt hinter dem Angriff?

Im Blog-Beitrag hat Google es vermieden, die Regierung direkt zu beschuldigen. Da Hacker sicherlich nicht aus einem Staatsnetzwerk agieren würden und sie die Adresse ihres Computers ohne Probleme verschleiern können, könnte das Unternehmen solche Anschuldigungen auch nicht beweisen.

Allerdings gilt China neben den USA als am besten ausgerüstete Cyberspionage-Nation. 2009 deckten IT-Experten der kanadischen Gruppe Information Warfare Monitor das sogenannte Ghostnet auf, dessen Ursprung ihren Angaben zufolge in China liegt.

Dabei handelte es sich um einen Spionagevirus, das die eingebauten Kameras und Audioaufzeichnungsgeräte in einem Computer aktiviert und so eine komplette Raumüberwachung starten kann. Das Virus wurde auf fast 1300 Rechnern weltweit gefunden, darunter auch Computer in Botschaften, dem Nato-Hauptquartier, bei Nachrichtenorganisationen und Banken.

In seinem Blog-Beitrag verweist Google-Rechtsvorstand Drummond explizit auf Seiten mit Informationen zu Ghostnet, um die Cyberspionage-Fähigkeiten Chinas zu dokumentieren.

Wie sicher sind die Daten bei Google?

Wie sicher sind die Daten bei Google?

Bislang galten die Google-Server als relativ sicher. Das Eindringen von Hackern in die IT-Infrastruktur bis hin zum Lesen von E-Mail-Betreffs ist das größte Sicherheitsleck in der Geschichte des Unternehmens. Google dürfte deshalb in den nächsten Wochen viel daran setzen, neue Sicherheitsmaßnahmen publik zu machen, um seine Kunden zu beruhigen.

Angriffe auf Server und Datenbanken von IT-Unternehmen sind häufig, im Bereich E-Mail liegen die größten Sicherheitslücken aber noch beim Kunden selbst: So erklärte Google, dass einige Dissidenten auf Phishing-Seiten gelockt worden seien und dort ihre Daten preisgegeben hätten, weshalb Unbefugte über die Vordertür Zugriff zu den Google-E-Mail-Konten hatten.

Was sind die wirtschaftlichen Konsequenzen für Google?

Was sind die wirtschaftlichen Konsequenzen für Google?

Im Suchgeschäft hat Google in China einen Marktanteil von etwa 30 Prozent, Marktführer mit mehr als 60 Prozent ist die chinesische Suchmaschine Baidu. Der Finanzanalyst Sandeep Aggarwai von US-Firma Collins Stewart schätzt in der Financial Times den Anteil am jährlichen Google-Umsatz in China auf etwa 200 Millionen Dollar. Zum Vergleich: Im Jahr 2008 lag der Gesamtumsatz des Unternehmens bei 21,8 Milliarden Dollar. Erste Stimmen im Netz sprechen deshalb davon, dass Google der Rückzug leicht falle und es sich vor allem um eine PR-Aktion handele.

Allerdings ist der Markt mit 340 Millionen Internetnutzern für den Konzern dennoch von enormer Bedeutung. Gerade im mobilen Bereich sieht das Unternehmen großes Wachstumspotential. China Mobile, mit 260 Millionen Kunden das größte Mobilfunkunternehmen des Landes, hat bereits einige Handys mit dem Google-Betriebssystem Android herausgebracht. Doch diese Zusammenarbeit könnte nun hinfällig sein: China Mobile wird vom Staat kontrolliert.

Belastet die Affäre das Verhältnis zwischen China und den USA?

Belastet die Affäre das Verhältnis zwischen China und den USA?

US-Außenministerin Hillary Clinton hat von der chinesischen Regierung bereits eine Erklärung gefordert. Aus diplomatischer Sicht kann die Obama-Regierung einen kleinen verbalen Schlagabtausch mit China gut gebrauchen, war der Präsident doch von Opposition und Teilen der US-Medien kritisiert worden, weil er auf seiner jüngsten China-Reise zum Thema Menschenrechte weitgehend schwieg.

Der mögliche Google-Rückzug wäre allerdings in den diplomatischen Beziehungen nur ein relativ unwichtiger Nebenaspekt: Der Kernkonflikt zwischen den Ländern ist derzeit die Forderung der USA, die chinesische Währung aufzuwerten.

Ziehen andere Firmen nach?

Ziehen andere Firmen nach?

In der amerikanischen Öffentlichkeit steigt der Druck auf Yahoo und Microsoft, es Google gleichzutun und ebenfalls die Konfrontation mit China zu wagen. Das Gegenargument: Ziehen sich westliche Suchmaschinen aus dem Land zurück, ist der Meinungsfreiheit auch nicht geholfen. Die beiden befinden sich nun in der Zwickmühle: Ein solcher Schritt könnte zu wirtschaftlichen Verlusten führen, machen die Unternehmen weiter wie bisher, ist ihnen schlechte Publicity gewiss.

Eine andere Frage betrifft die etwa 20 anderen US-Unternehmen, die laut Google ebenfalls angegriffen wurden. Ob sie öffentlich zugeben werden, Ziel einer solchen Attacke geworden zu sein, ist ungewiss: Hackerangriffe werden von Unternehmen gerne verschwiegen, da mögliche IT-Sicherheitslücken dem Ruf bei Kunden und Investoren schaden. Zudem haben viele Firmen Geschäftsinteressen in China: Würden sie nun in die Affäre hineingezogen, könnten sie bei den dortigen Behörden in Ungnade fallen.

Wie geht es weiter?

Wie geht es weiter?

Bislang hat Google die Zensur noch nicht aufgehoben, sobald dies der Fall ist, werden die Behörden die Seite blocken. Die Verantwortlichen im kalifornischen Mountain View dürften darauf hoffen, nun möglichst schnell über die Hintertür Kontakt zu den chinesischen Behörden herstellen zu können.

Dennoch wird eine Einigung so gut wie unmöglich sein: China wird für Google keine Ausnahmeregelungen zulassen; das US-Unternehmen hat sich mit seiner Ankündigung so weit aus dem Fenster gelehnt, dass jede Fortführung der Zensur im Westen zum PR-Desaster würde.

Wie schwer den Google-Verantwortlichen der Schritt gefallen sein dürfte, zeigt ein Bericht des Wall Street Journals. Demnach habe die Führungsebene lange über die Aufhebung der Zensur debattiert: Während sich Google-Chef Eric Schmidt über die wirtschaftlichen Konsequenzen besorgt gezeigt habe, sei Google-Mitgründer Sergey Brin bereits seit längerem mit den Voraussetzungen einer Google-Präsenz in China unzufrieden gewesen.

Dem Unternehmensmotto "Don't be evil" dürfte Google mit diesem Schritt in den Augen der Öffentlichkeit zumindest wieder etwas näher gekommen sein.

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