Internet-Organisation Icann:USA geben Kontrolle über Netz-Verwaltung ab

Seit ihrer Gründung vor 15 Jahren kontrollieren die USA die Internet-Verwaltung Icann. Jetzt gibt die Regierung die Schirmherrschaft über die Organisation ab. Kritiker fürchten um die Netzfreiheit.

Für die Internet-Verwaltung Icann brechen neue Zeiten an: Die US-Regierung will nach dem NSA-Skandal die Kontrolle über die Netz-Organisation aufgeben. Mit allen Beteiligten solle ein Plan für den Übergang ausgearbeitet werden, erklärte das US-Handelsministerium. Der Startschuss dafür werde bereits bei der Icann-Konferenz in Singapur Ende März fallen, hieß es von Seiten der Organisation.

Regierungen, die Privatwirtschaft und die Öffentlichkeit seien zur Teilnahme an dem Prozess eingeladen, erklärte Icann-Chef Fadi Chehadé. Eine neue internationale Struktur solle bis September 2015 stehen, wenn der aktuelle Vertrag mit der US-Regierung ausläuft.

Zu den Aufgaben der Icann (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers) gehört es, für die Funktionsfähigkeit des Internets zu sorgen und den technischen Rahmen für das Netz festzulegen. Zuletzt organisierte sie unter anderem den Übergang zur neuen Version des Internet-Protokolls IPv6. Die Icann ist auch für die Vergabe der übergeordneten Domainnamen wie .com zuständig. Ein umstrittener Schritt war die Entscheidung zur Einführung Hunderter neuer übergeordneter Adressenendungen wie Städtenamen oder sogar .hello. So wurde kritisiert, dies bringe vor allem Unternehmen hohe Kosten für die Anmeldung neuer Adressen.

Streit um staatlichen Einfluss

Das US-Handelsministerium hatte seit der Icann-Gründung 1998 die Aufsicht über die Organisation. Seit Längerem gab es Forderungen, dies zu ändern. Ein entsprechender Vorstoß Russlands und Chinas für einen stärkeren staatlichen Einfluss war 2012 noch abgewehrt worden - unter anderem auf Druck der Internet-Wirtschaft.

Nach dem Skandal um ausufernde Überwachung durch den US-Geheimdienst NSA forderte jüngst aber auch die EU-Kommission eine Neuordnung der Icann-Aufsicht. Die US-Regierung betonte jetzt, es sei von Beginn an geplant gewesen, dass ihre Aufseherrolle zeitlich beschränkt sein werde.

In früheren Jahren galt die Aufsicht der Amerikaner über die Icann vielen als eine Garantie für Netzfreiheit. Unter anderem Internet-Konzerne wie Google warnten vor einer staatlichen Kontrolle über das Internet. Auch nach der Ankündigung von Freitag gab es mahnende Stimmen.

So betonte der Präsident des Verbandes europäischer Telekom-Unternehmen Etno, Luigi Gambardella, es müsse ein offener und transparenter Prozess mit Einbindung aller Beteiligten stattfinden. Auch der konservative frühere US-Parlamentssprecher Newt Gingrich äußerte sich klar kritisch. "Wer ist diese globale Internet-Community, der Obama das Internet übergeben will? Damit riskieren wir, dass ausländische Diktaturen das Internet prägen werden", schrieb er beim Kurznachrichtendienst Twitter.

Die für Digital-Politik zuständige EU-Kommissarin Neelie Kroes zeigte sich hingegen zufrieden. Dieser Schritt sei schon lange ein politisches Ziel der EU gewesen. Die Kommission werde eng an der Übergangslösung mitarbeiten.

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