Wearables:Von der Apple Watch zur elektronischen Fußfessel

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Mit Smartwatches und anderen Messgeräten übermitteln Menschen ihren Versicherungen intime Daten. Fragt sich nur, wann die beginnen, Faulenzer zu bestrafen.

Von Michael Moorstedt

Am Tag vier im neuen Jahr sind gute Vorsätze ja erfahrungsgemäß beinahe so restlos verpufft wie der Rauch der Pyrotechnik. Mehr Sport! Mehr Disziplin! War da was? Abhilfe verspricht einmal mehr die Technik. Jedes Handy und jede Smartwatch bieten Schrittzähler- und Trainings-Apps, in den Vitrinen der Elektronikkaufhäuser wimmelt es währenddessen von Fitnessarmbändchen, die ihre Träger zu mehr Bewegung motivieren sollen.

Die Geräte, sogenannte Wearables, heißen etwa Fitbit oder Up und tragen damit den Bewegungsimperativ schon im Markennamen. Mit sanftem, aber bestimmtem Vibrieren am Handgelenk machen sie ihre Nutzer darauf aufmerksam, dass es mal wieder an der Zeit wäre, sich zu bewegen. Allein im letzten Quartal 2015 wurden mehr als 21 Millionen dieser Gadgets verkauft, siebenmal mehr als im Jahr zuvor.

Was vor einigen Jahren noch düstere Zukunftsvision war, ist heutzutage schon längst eingetreten. Nämlich, dass Versicherungen und Krankenkassen sich die Daten zunutze machen, die die Nutzer permanent produzieren. Die DKV macht, etwas schwammig, "gesundheitsbewusstes Verhalten" zur Bedingung. Immerhin gibt's dafür einen Zuschuss von 50 Euro für den Kauf eines Fitnessarmbändchens oder einer Smartwatch. Die Barmer lockt mit 150 Bonuspunkten für 30 Minuten Bewegung an 20 Tagen in einem Zeitraum von 42 Tagen, erhoben mit der eigenen App. Andere koppeln Bonuszahlungen an konkrete Leistungsziele - für ein paar Hundert gejoggte Kilometer im Jahr bietet die Daimler Betriebskrankenkasse einen Rabatt von 30 Euro an. Noch ist das alles freiwillig.

Schrittzähler-Algorithmen lassen sich leicht übertölpeln

Analog dazu bieten Autoversicherungen schon seit einiger Zeit sogenannte Telematik-Tarife an. Dafür lässt sich der Autobesitzer ein kleines Kästchen in seinen Wagen installieren, das seinen Fahrstil misst. Es registriert Strecken, Geschwindigkeit, Vollbremsungen und Tempoverstöße. Anhand des Fahrverhaltens verspricht die Versicherung dann einen Rabatt auf die nächste Rechnung. Positives Verhalten wird also gewürdigt. Und es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis Müßiggang sanktioniert wird.

Zum Glück gibt es die Website unfitbits.com. "Free your fitness, free yourself", fordern deren Macher und drapieren die Fitnessarmbändchen auf Metronome, Pendel und sogar Fahrräder und Akkubohrer, um so Bewegung des Besitzers zu simulieren. Die Schrittzähler-Algorithmen lassen sich leicht übertölpeln: Wird es 15 Sekunden lang von einem Pendel geschwungen, misst ein Fitbit immerhin 71 Schritte und eine zurückgelegte Distanz von 50 Metern.

Den Kassenbonus kann man nun einpendeln und bleibt dabei einfach am Schreibtisch sitzen. Unfitbits ist zwar mehr Kunstprojekt als Geschäftsmodell, trotzdem werden die Pendelkonstrukte auch zum Kauf angeboten. Sie sind eine Art Perpetuum mobile des Big-Data-Zeitalters und vor allem ein cleverer Kommentar auf eine Zeit, in der schon längst nicht mehr nur Kommunikations-, sondern auch Gesundheitsdaten überwacht werden. Intimer geht es kaum.

"Permanent beobachtet zu werden", schreibt der amerikanische Jurist Bernard Harcourt in seinem kürzlich erschienenen Buch "Exposed: Desire and Disobedience in the Digital Age", sei auch nur "eine Form von Gefangenschaft". Harcourt erinnert dabei an das Panoptikum von Bentham und Foucault. Wenn man sich einmal bewusst mache, dass die Apple Watch sowohl über Aufenthaltsort als auch Pulsschlag ihres Trägers Daten sammelt, wirke die Fitnessuhr auf einmal nicht mehr wie ein attraktives Stück Technik. Sondern wie eine elektronische Fußfessel für Knast-Freigänger.

© SZ vom 04.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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