Internet:Good bye, lonelygirl15

Lesezeit: 2 min

Sie war eine der Kultgestalten beim Videoportal YouTube. Die Geschichten der 16-Jährigen, die von streng religiösen Eltern daheim erzogen wurde, zogen eine stetig wachsende Fangemeinde an. Die muss sich nun ein anderes Idol suchen. Bree, alias loneleygirl15, ist ein Werbegag.

In Foren wurde über ihr Liebesleben diskutiert, über ihren Freund Daniel, der sie beim schwimmen und spazieren filmte.

Lonelygirl 15 alias Bree bei YouTube.com. (Foto: Screenshot)

Nach vier Monaten bei YouTube, 30 Videoclips und vielen Offenbarungen des einsamen Teenagers für ihre Stamm-Zuschauerschaft kam für Hunderttausende "Bree"-Fans jetzt die Ernüchterung: Es gibt sie nicht.

"Bree" heißt in Wirklichkeit Jessica Rose und ist eine 19 Jahre alte Schauspielerin aus Neuseeland, die in Los Angeles lebt und von drei jungen Filmemachern als angeheuert wurde.

Sie wollten eine "sehr realistische fiktive Geschichte in diesem Medium" erzählen, erklärte Miles Beckett, ein 28-jähriger ehemaliger Medizinstudent und Web-Fan, der Los Angeles Times. Sie seien total überrascht, dass ihre "neue Kunstform" so riesigen Anklang fand.

Ein billges Vergnügen obendrein: "Zwei Schreibtischlampen, ein offenes Fenster und eine Videokamera für 130 Dollar", sagt der 26 Jahre alte Drehbuchschreiber Mesh Flinders. Zusammen mit Greg Goodfried, einem 27-jährigen Anwalt, hatten die drei die Idee im April auf einer Party ausgeheckt.

Einen Monat später drehten sie in Flinders kleiner Wohnung mit Rose das erste Video. Und YouTube war das perfekte Medium.

Das Videoportal hatte sich in wenigen Monaten zum Massenphänomen im im Internet entwickelt. Mehr als 65.000 Videoclips werden täglich neu geladen, oft Amateurwerke, mal skurril, mal belanglos. Mitunter auch Newsstücke, wie die spontane Nackenmassage, die US-Präsident George W. Bush beim G-8-Gipfeltreffen in St. Petersburg vor laufenden Kameras Kanzlerin Angela Merkel verpasste.

Nur langsam bröckelte die Fassade der mysteriösen "Bree" ab. Im Mai glaubten ihr die Fans bereitwillig, dass sie gelangweilt zu Hause sitzt und Ärger mit den strengen Eltern hat. Immer tiefer ließ sie in ihre Welt mit geheimnisvollen religiösen Zeremonien blicken.

Immer geschickter bewegte sie sich vor der Kamera. Bald gab es erste Zweifel an der Echtheit des Teenagers. Ein Video über einen Schwimmausflug im August sah schon fast zu perfekt aus, verglichen mit den oft wackeligen Amateurvideos anderer YouTube-Nutzer.

Könnte "Bree" als Marketing-Gag von einer Werbefirma erfunden worden sein? Blogger hakten nach und wurden schließlich fündig, mit einer Markenzeichen-Registrierung für lonelygirl15, die sich Goodfrieds Vater schon vor Monaten gesichert hatte, lange bevor "Bree" zum Video-Star wurde.

Auch auf YouTube selbst wurde die Fälschung zum Thema gemacht. Die einen ärgerten sich darüber getäuscht worden zu sein, die anderen stimmten einen Schwanengesang auf lonelygirl15 an.

Ihre drei ambitionierten Erfinder stehen nun seit kurzem bei der renommierten Hollywood-Agentur Creative Artists unter Vertrag. Auch wenn das einsame Mädchen nun als Fälschung geoutet wurde, will das Trio die Saga fortsetzen.

Denn die Fangemeinde ist ihr treu. "Hallo, du bist eine großartige Schauspielerin", schrieb ein Verehrer auf der YouTube-Webseite für lonelygirl15.

"Wir hassen den Filmemacher und seine Helfer..., aber dich lieben wir einfach."

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: