Internet-Fernsehen:Der Ruf von Hulu

Dick, legal und ohne Wackelkontakt: Keiner wächst so schnell wie das jüngste amerikanische Videoportal.

Marc Felix Serrao

Wer sich über den skurrilen und schnell wachsenden Markt der Internetvideos informieren will, kommt am Onlineportal "New Tee Vee" nicht vorbei. Die jungen Leute, die nichts anderes tun, als im Internet nach neuen TV-Spielereien zu suchen, sind so kenntnisreich und kritisch wie kaum ein anderer. In letzter Zeit tauchte ein Name immer öfter auf ihrer Seite auf: Hulu.

Internet-Fernsehen: Von den rund 300 Millionen US-Bürgern hat sich im Februar etwa jeder neunte ein Hulu-Video angesehen.

Von den rund 300 Millionen US-Bürgern hat sich im Februar etwa jeder neunte ein Hulu-Video angesehen.

(Foto: Foto: hulu,com)

Er erinnert an H. P. Lovecrafts uraltes Weltraummonster "Cthulhu". Aber Hulu ist erst ein Jahr alt - und für die "New Tee Vee"-Leute schon eine Prinzessin. "Hulu war die Schönste auf dem Online-Video-Ball", schwärmte ein Autor etwas holprig, aber ernsthaft über das erste Firmenjahr.

332 Millionen Videostreams

In den USA sehen das immer mehr Menschen so. 332 Millionen Videostreams hat Hulu.com dort im Februar verbucht, 34 Millionen einzelne Nutzer. Damit wuchs die Seite allein in dem einen Monat um 33 Prozent. Das Angebot ist noch in keinem anderen Land (legal) erhältlich, das heißt, dass von den rund 300 Millionen US-Bürgern im Februar etwa jeder neunte ein Hulu-Video geschaut hat. Je nach Marktforscher liegt die Seite unter den Webvideo-Anbietern des Landes aktuell zwischen Platz vier (Comscore) und zwei (Nielsen). Auf Platz eins liegt nach wie vor Google mit Marktführer YouTube. Fragt sich, wie lange noch.

Bei YouTube gibt es fast alles, vom Wackelvideo "Dummes Kind springt vom Schrank" über illegal in zehn Teile gestückelte Hollywoodfilme bis hin zu Barack Obamas Botschaften an die Welt. Es ist ein chaotischer Filmberg, der wie kaum ein zweiter den regellosen Internetgeist der frühen Jahre atmet. Allerdings hat YouTube auch immer öfter Ärger mit Urheberrechtsschützern (aktuell mit der Gema) und erwartet laut Analysten wegen hoher Serverkosten und niedriger Werbeeinnahmen dieses Jahr knapp eine halbe Milliarde Dollar Verlust.

Hulu dagegen ist alles andere als wild, das zeigen schon seine Eigentümer - der Medienkonzern NBC Universal und die Fox Entertainment Group, die zu Rupert Murdochs News Corp. gehört. Das Angebot der Seite besteht vor allem aus Serien und Filmen der Mutterkonzerne und anderer Produzenten wie Warner Bros. und Paramount Pictures. Anders als bei YouTube ist alles legal und, fast noch wichtiger: in guter Qualität.

Die Standardversion der Clips ist auf dem Bildschirm leicht unscharf, aber es gibt einen HDTV-Knopf, der die Bilder scharf stellt. Und jede Menge Spielereien. So kann man Szenen aus Filmen herausschneiden und an Freunde schicken oder in sein Blog einbauen. Die zwei Minuten Werbung pro Stunde (US-Fernsehen: circa acht Minuten) kann man zwar nicht überspringen, aber leise stellen.

Prall gefüllt auf 18 Kanälen

Mittlerweile ist Hulu mit den Inhalten seiner mehr als 130 Zulieferfirmen so prall gefüllt, dass die Seite 18 Kanäle anbietet, von Action bis "Talk and Interview". Die beliebtesten Inhalte sind derzeit Folgen von Saturday Night Live, der legendären Daily Show mit Jon Stewart und dem Stromberg-Vorbild The Office.

Offiziell heißt es bei Hulu, dass die Firma "sich bemüht, ihren Inhalt weltweit anzubieten". Praktisch ist das aber sehr kompliziert. Auf Anfrage wollte sich Hulu nicht dazu äußern, ob und wann auch deutsche Zuschauer die Seite mal nutzen können. Das ist kein Wunder: Für jede Show und jeden Film muss die Firma die Rechtefrage klären. Und das kann dauern. In der Branche heißt es aber, Hulu habe bereits einen Medienmanager für den deutschen Markt angeheuert.Angesichts der hiesigen Englischkenntnisse und der Beliebtheit von Serien wie den Simpsons dürfte es durchaus ein Publikum geben.

"Die Werbeplätze sind ausverkauft"

"In den nächsten drei bis fünf Jahren kann sich Hulu zu einem sehr signifikanten Marktteilnehmer entwickeln", sagt auch Thomas Künstner. Der Medienexperte der Unternehmensberatung Booz & Company beobachtet den Markt für Webvideos schon lange. Hulu schreibe zwar noch keine schwarzen Zahlen, sagt er, dennoch sei die Firma bereits sehr erfolgreich: "Die Werbeplätze sind ausverkauft, die Wachstumsraten der Nutzerzahlen sind exzellent."

Auf dem Werbemarkt gebe es schon lange eine hohe Nachfrage für Web-Videos, bislang habe es aber an geeigneten Plattformen gefehlt; ein kleiner Seitenhieb gegen YouTube und andere, die unfreiwillig auch Rechtsrock, Schulhofschlägereien und andere anstößige Inhalte im Programm haben. "Hulu stößt hier in eine Lücke", sagt Künstner. Das Ganze werde ähnlich ablaufen wie auf dem Musikmarkt, der lange von Firmen wie Napster dominiert wurde. Kommerziell sei dort heute eigentlich nur Apple iTunes erfolgreich.

Ist eine Seite wie Hulu.com der Anfang vom Ende des klassischen Fernsehens? Die Firma selbst schickte auf diese Frage hin gar nicht erst eine Antwort. Vermutlich, weil die Eigentümer selbst noch klassisches Fernsehen machen. Auch der Werbemarkt wird von den Sendern nach wie vor sehr deutlich dominiert. Laut Berater Künstner werden mit Webvideos in den USA im Jahr 600 bis 800 Millionen Werbedollar umgesetzt - "zum Vergleich: Der Fernsehmarkt dort kommt auf 65 Milliarden Dollar."

Internet-TV und "non-lineares" (also zeitlich freies) Fernsehen würden künftig eine große Rolle spielen, sagt Künstner. In drei bis fünf Jahren rechnet er damit, dass bis zu 30 Prozent des Fernsehgebrauchs auf solche Nutzungsformen entfallen. "Aber ein Großteil wird auch weiterhin gemütlich auf der Couch und ohne sophisticated Features vor dem Fernseher sitzen."

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