Informationskrieg:Was der Werbebann gegen Russia Today und Sputnik bedeutet

A 3D-printed Twitter logo displayed in front of Russian flag is seen in this illustration picture

Twitter hat die Möglichkeiten von Russia Today und Sputnik eingeschränkt, neue Follower zu erreichen - weil den russischen Staatsmedien Einflussnahme auf die US-Präsidentenwahl vorgeworfen wird.

(Foto: REUTERS)
  • Die russischen Staatsmedien RT und Sputnik dürfen auf Twitter keine Werbung mehr schalten.
  • US-Politiker und Geheimdienste werfen den beiden Medien vor, vor der Präsidentschaftswahl unredlich in den Wahlkampf eingegriffen zu haben.
  • Zugleich drohen Sputnik und RT die Einstufung als "ausländischer Agent" durch die USA.

Von Jannis Brühl

Es ist die nächste Eskalation im Konflikt zwischen US-Politikern und Russland, in dem soziale Netzwerke und Suchmaschinen zunehmend zwischen die Fronten geraten: Twitter hat die russischen Staatsmedien Russia Today (RT) und Sputnik aus seinem Anzeigensystem geworfen. Damit sind deren Möglichkeiten massiv eingeschränkt, Follower zu erreichen, die ihnen nicht im Netzwerk folgen, und damit ihre Reichweite zu erhöhen. Medien nutzen diese Anzeigen oft, um Artikel oder Videos an neue Leser zu bringen.

Twitter erklärt, beide Medien hätten versucht, "im Auftrag der russischen Regierung die Wahl zu beeinflussen". RT und Sputnik gelten als Propaganda-Organe des Kreml.

Beide können über ihre Twitter-Konten nach wie vor Beiträge veröffentlichen, aber keine Anzeigen mehr. Das sind Beiträge, die Privatpersonen und Unternehmen gegen Geld gezielt an bestimmte Gruppen von Nutzern ausspielen.

Die von RT seit 2011 erhaltenen Werbeeinnahmen in Höhe von 1,9 Millionen Dollar will Twitter an Forscher spenden, erklärte das Unternehmen. Mit dem Geld sollten diese Desinformationskampagnen und den Einfluss von Twitter auf Wahlen analysieren. Zu der Summe zählen demnach auch 274 000 Dollar, die RT im vergangenen US-Wahlkampf für Werbung auf Twitter ausgegeben hat (Insgesamt gaben Kandidaten und externe Akteure im Präsidentschaftswahlkampf fast 2,4 Milliarden Dollar aus).

Die Konzerne sind vor den Geheimdienstausschuss bestellt

Viele Trump-Kritiker (vor allem aus Reihen der Demokraten) argumentieren folgendermaßen: Mit dem Kreml verbündete Personen hätten bestimmte Gruppen in den USA mit hetzerischen Anzeigen manipuliert, Donald Trump zu wählen oder zumindest nicht für Hillary Clinton zu stimmen. Facebook hat entsprechende Anzeigen identifiziert und dem Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses übergeben. Diese sollen aber nicht von russischen Staatsmedien ausgespielt worden seien, sondern von Accounts, die ihre Herkunft verschleierten.

Der Druck aus der Politik auf das Silicon Valley ist in den vergangenen Wochen stark gestiegen. Ausländische Einflussnahme auf die US-Wahl ist verboten, allerdings bieten die völlig unregulierten Anzeigensysteme der Plattformen ein Schlupfloch. Am Mittwoch sollen Top-Juristen von Twitter, Facebook und Google vor dem Geheimdienstausschuss in Washington aussagen.

Als Medienorganisationen sind RT und Sputnik nicht unter dem Foreign Agent Registration Act (Fara) registriert, der Propaganda ausländischer Mächte in den USA kontrollieren soll. So eine Registrierung bedeutet weitreichende Transparenzpflichten für Betroffene. Das US-Justizministerium hat RT nach Angaben des Senders aufgefordert, sich zu registrieren. RT hat Widerstand angekündigt.

Twitters bislang einmalige Entscheidung basiert dem Unternehmen nach auf eigenen Untersuchungen und auf einem Bericht der US-Geheimdienste. Diese werfen RT vor, Teil der russischen Desinformationskampagne vor der Wahl gewesen zu sein sowie mit Wikileaks kooperiert zu haben, als die Plattform von Julian Assange die gehackten E-Mails aus dem Wahlkampfteam der Demokraten veröffentlichte. Assange hatte eine Talkshow auf RT und wird dort oft zum Rebellen gegen die USA stilisiert.

Mit welchen Beiträgen RT konkret illegitim in den Wahlkampf eingegriffen haben soll, verriet Twitter nicht. Im September hatte das Unternehmen vage erklärt: Die Werbekampagne des Senders habe sich an Follower von "Mainstream-Medien" gerichtet und es handele sich um "RT-Tweets, die sich auf Nachrichten bezogen".

Putin droht mit "symmetrischer" Reaktion

RT verwies in einem Statement darauf, dass nur ein Bruchteil der von Twitter genannten Summe dafür ausgegeben worden sei, Beiträge über den US-Wahlkampf an Nutzer auszuspielen. Zudem veröffentlichte RT Folien einer Präsentation, die zeigen sollen, dass Twitter den Sender aktiv dazu bringen wollte, während des US-Wahlkampfs in eine Werbekampagne zu investieren. Der Sender habe das Angebot aus Kostengründen abgewiesen. Sputnik erklärte in einem Statement an Reporter, man habe auf Twitter ohnehin nie bezahlte Anzeigen geschaltet.

Twitter kann auf seiner Plattform Anzeigen nach Belieben zulassen und ablehnen, wenn das Unternehmen zu dem Schluss kommt, seine Hausregeln seien verletzt worden. Das Vorgehen gegen staatliche russische Medien ist dennoch heikel. RT, Sputnik und der Kreml selbst könnten es als vermeintliche Einschränkung der Pressefreiheit ausschlachten.

Ähnliches geschah vor einigen Wochen, als Andrew Feinberg, Sputniks ehemaliger Korrespondent für das Weiße Haus, interne Dokumente und E-Mails aus dem Sender dem FBI übergab. Diese Untersuchung könnte zur Einstufung Sputniks als "ausländischer Agent" führen. Feinberg soll Sputnik nach einem Streit über die politische Ausrichtung seiner Arbeit verlassen haben. Russlands Präsident Wladimir Putin sagte Sputnik zufolge am Donnerstag, Einschränkungen der Arbeit russischer Medien in den USA würden "symmetrisch" beantwortet. Das ist eine Drohung gegen Sender wie Radio Liberty, die von der US-Regierung finanziert werden.

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