Illegaler Waffenhandel:Zu Besuch bei den Kunden von "Migrantenschreck"

Migrantenschreck Waffen Gewehr Revolver Pistole

Ein Kunde von Migrantenschreck betrachtet ein Video, mit dem die Webseite für ihre Schusswaffen warb.

(Foto: SZ / Motherboard)

Warum bestellen Menschen Schusswaffen auf einer Webseite, die offen zu Gewalt gegen Flüchtlinge aufruft? Drei Kunden erzählen.

Von Max Hoppenstedt, Simon Hurtz und Daniel Mützel

SZ.de und Motherboard haben monatelang zu Migrantenschreck recherchiert, einem rechten Online-Shop, der seit Mai 2016 Schusswaffen in mehrere europäische Länder verschickt. Journalisten haben ein Dutzend Kunden der Webseite besucht, die unverhohlen dazu aufruft, ihre Gaspistolen gegen "Asylforderer" und "Ficki-Fick-Fachkräfte" einzusetzen. Die Hartgummigeschosse können Menschen töten, ohne Waffenerlaubnis ist der Besitz strafbar.

Manche Käufer antworteten bereitwillig und boten den Besuchern Kaffee an, andere schlugen die Tür zu, sobald das Wort "Journalisten" fiel. Die Recherche soll helfen, die Beweggründe der Menschen zu verstehen. Warum bestellten sie Schusswaffen auf einer Seite, die offen zu Gewalt gegen Flüchtlinge aufruft?

Die Käufer gaben dafür unterschiedliche Motive an: Manche wollten angeblich nur ausprobieren, ob man in Deutschland tatsächlich so einfach an Waffen kommt. Andere wetterten gegen die "Invasion der Migranten" und raunten von dem angeblich kommenden Bürgerkrieg in Deutschland. Es gab auch Kunden, die meinten, ihre Familie vor Flüchtlingen schützen zu müssen - obwohl sie in ihrem Alltag noch nie Probleme mit Geflüchteten hatten.

Hier sind drei Protokolle von den Besuchen, die in den vergangenen Wochen in die brandenburgische Provinz, zu verschneiten Klempnerbetrieben und einem niederbayerischen Ingenieurbüro führten. Die Aussagen wurden aus Gründen der Lesbarkeit redigiert und gekürzt.

Inhaber einer Kfz-Werkstatt südlich von Berlin

Wie sind Sie auf Migrantenschreck aufmerksam geworden?

Na über die Waffen. Auf Facebook sieht man ja ständig solche Angebote. Die Waffen sind schon geil. Ich wollte welche haben.

Welche Waffen haben Sie gekauft?

Ich habe für knapp 1400 Euro bestellt, aber beim Bezahlen gab es Probleme: Ich wollte per Nachnahme bezahlen, denn wer weiß, ob die Waffen nicht vom Zoll abgefangen werden. Aber der Shopbetreiber hat das nicht akzeptiert. Daher habe ich die Bestellung zurückgezogen. Ich werde mir auch keine Waffen mehr kaufen. Ich habe Pfefferspray, das reicht. Ich kann meine Familie selbst beschützen. Ich habe keine Angst.

Auf der Website von Migrantenschreck wird davon gesprochen, die Waffen gegen Geflüchtete einzusetzen. Aus welchem Grund wollten Sie dort bestellen?

Ich will ja keinen töten damit. Es geht darum, denen einen Denkzettel zu verpassen. Es gibt zwar kein Flüchtlingsheim hier in der Nähe, aber wer weiß, wann die mal hierherkommen und einbrechen. Da muss man vorbereitet sein. Es ist ja traurig, dass man so was braucht. Ich hab' Frau und Kinder!

An wen denken Sie beim Thema Denkzettel?

Ich will keine Menschen erschießen. Das Problem ist die Merkel. Es muss sich etwas ändern hier, sonst gibt's Bürgerkrieg. Wem ich meine Stimme bei der Bundestagswahl gebe, ist klar.

Wem denn?

Na der AfD!

Ihre Kinder sind dunkelhäutig. Fürchten Sie nicht, dass ein weiteres Erstarken der AfD Nachteile für sie bedeuten könnte?

Es kommt immer wieder vor, dass meine Kinder wegen ihrer Hautfarbe Probleme bekommen. So was trifft mich natürlich auch. Aber die Invasion von Migranten, die wir hier gerade erleben, ist etwas anderes. Deutschland wird momentan überrannt von Flüchtlingen. Die Medien berichten nicht, was wirklich passiert. Das Wichtigste für mich ist Frieden. Deswegen brauchen wir auch gute Beziehungen zu Russland. Putin ist ein besonnener Führer. In Russland gibt's nämlich auch andere, viel radikalere Kräfte. Nur Putin kann die zurückhalten.

Alleinerziehende Mutter aus München

In Ihrem Nachttisch liegt eine "Migrantenschreck MS55 Lady". Warum?

Damit fühle ich mich sicherer.

Wovor fürchten Sie sich?

Dass uns jemand von denen überfällt. Mein Kind ist noch so klein, wir können uns doch nicht wehren.

Wer ist denn "jemand von denen"?

Einbrecher, Kriminelle ... Flüchtlinge.

Haben Sie schon mal schlechte Erfahrung mit Flüchtlingen gemacht?

Ja nee, ich nicht. Aber man hört und liest das ja ständig. Von Freunden, auf Facebook und so. Also dass die Frauen überfallen und angrapschen. Vergewaltigen. Das jagt mir schon Angst ein.

An den Klingelschildern hier im Haus stehen mehrere Namen, die ausländisch klingen. Haben Sie vor Ihren Nachbarn auch Angst?

Ach was, das sind alles ganz liebe Leute. Und mein Ex-Freund, der ist auch Türke. Also nicht der Vater meines Kindes, ein anderer. Ich hab' ja auch gar nichts gegen Ausländer, wenn sie sich hier ordentlich benehmen. Und dass die Menschen fliehen, wenn zu Hause Krieg ist, das verstehe ich schon. Aber dann sollen sie sich bitteschön auch integrieren.

Gibt es viele Flüchtlinge, die sich nicht integrieren wollen?

Na klar! Da müssen Sie doch nur mal ins Internet schauen. Da können Sie das überall nachlesen.

Was für Seiten lesen Sie denn so?

Das ist nicht so wichtig. Darum geht es ja auch nicht. Medien. Journalisten, die ehrlich recherchieren. Und Facebook.

Allgemeinmediziner mit Praxis in Brandenburg

Wie haben Sie von der Website erfahren?

Ich habe einen meiner Patienten gefragt: "Angenommen, ich will eine Waffe bestellen, wie mache ich das?" Der Patient meinte, über das Darknet. Ich sagte, davon verstehe ich nichts und fragte, ob er eine Alternative kenne. Ja, sagte er, da gebe es diese Internetadresse Migrantenschreck. Ich habe dann die Seite besucht und gesehen, dass man sich da alles Mögliche heraussuchen kann.

Warum haben Sie sich überhaupt eine Waffe bestellen wollen?

Der Grund war einfach der, dass ich herausfinden wollte, wie leicht oder schwer es ist, in Deutschland eine Waffe zu besorgen. Jetzt weiß ich: Es war wirklich extrem leicht, die zu bekommen. Der Seitenbetreiber hat nicht nach einem Altersnachweis gefragt. Auch nicht, ob der, der das bestellt, auch wirklich der ist, der die Waffe haben will. Gar nichts. Abgesehen davon, dass die Webseite Migrantenschreck einen etwas fragwürdigen Namen hat und geschmacklos ist.

Warum haben Sie sich gerade das "Antifaschreck Komplettpaket" besorgt?

Ich habe mir rausgesucht, was nicht so viel kostet. Ich bin jetzt nicht der Waffenfanatiker, ich habe auch keine Ahnung von Waffen. Nach der Bestellung habe ich dann eine Weile nichts gehört und dachte mir zunächst: Scheiße um die paar Hundert Euro, aber gut, dass es ja anscheinend doch nicht funktioniert. Dann kam aber ein paar Wochen später plötzlich dieses Paket mit der Waffe drin.

Für wie gefährlich halten Sie die Waffen?

Aus meiner Zeit in der Gerichtsmedizin weiß ich, dass auch die herkömmlichen Schreckschusswaffen tödlich sein können. Wenn man einen aufgesetzten Schuss macht, also etwa direkt an der Schläfe ansetzt und abdrückt, kann man damit die Schädeldecke eines Menschen zertrümmern. Insbesondere wenn man mit dem Gasdruck so eine Hartgummikugel verschießt wie bei den Waffen von Migrantenschreck, kann das schon gefährlich werden.

Der Shop präsentiert sich als Dienstleister für Menschen, die Angst vor Flüchtlingen haben. Menschen, die glauben, sich nur mit einer Waffe schützen zu können. Fühlen Sie sich da angesprochen?

Ich habe gar kein Problem mit meinem Sicherheitsbedürfnis. Ich bin nicht mit allen Dingen, wie sie sich gerade in Deutschland abspielen, einverstanden. Aber ich bin nicht der Meinung, dass eine unkontrollierte Bewaffnung der Bevölkerung die Lösung der Probleme ist. Wir sind immer noch ein sehr reiches Land, wir haben auch eine historische Verantwortung, Menschen in Not zu helfen. Ich denke aber ganz entschieden, dass der Weg der hier beschritten wurde, bedenklich ist.

Der Shop legt in seinen Texten nahe, die Waffen gegen Geflüchtete einzusetzen. Stehen Sie hinter solchen Aussagen?

Sicherlich haben Menschen, die aus anderen Ländern kommen, andere Vorstellungen davon, wie man sich in der Gesellschaft benimmt. Ich denke auch, dass durch den Zuzug von Ausländern die Kriminalitätsrate steigt. Aber ich glaube nicht, dass das an den Ausländern per se liegt. Die Kriminalitätsrate steigt ja auch deswegen, weil die Bevölkerungszahl steigt. Ist ja ganz logisch. Trotzdem glaube ich, dass die unkontrollierte Zuwanderung ein Problem ist. Wir brauchen ein Umdenken in Deutschland. Eine 180-Grad-Drehung.

Was hätte denn anders laufen müssen?

Unsere Bundeskanzlerin hätte das besser abstimmen müssen mit ihren Kollegen. Merkel hat mit Zitronen gehandelt, man muss aber auch sagen, dass sie in der EU alleingelassen wird.

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