Illegale Downloads:Verbrecher ohne Fluchtgrund

Für die Musik- und Filmindustrie sind private Raubkopierer Verbrecher. Dabei sieht ein neues Gesetz nur Höchststrafen von 100 Euro vor. Die Industrie bangt um ihr Instrument der Abschreckung. Kritiker kommen aber auch von einer ganz anderen Seite.

S. Sartor

Fünf Plastikbäume auf dem Potsdamer Platz in Berlin. In jedem steht ein Mensch und lässt seine Arme aus Astlöchern baumeln. Die Bäume sollen das Versteck sein. Die Menschen stellen die Bösewichte dar. Die Guten, das sind Jan Oesterlin und seine Mannen von der Filmindustrie. Oesterlin ist Geschäftsführer der Kampgane "Hart aber gerecht - Raubkopierer sind Verbrecher". Slogan der Aktion des Tages: "Raubkopierer können sich nicht verstecken - auch nicht im Internet".

Illegale Downloads: Kein Wald trotz lauter Bäumen: Die Promo-Aktion gegen Raubkopierer auf dem Potsdamer Platz in Berlin. Foto: Stephanie Sartor

Kein Wald trotz lauter Bäumen: Die Promo-Aktion gegen Raubkopierer auf dem Potsdamer Platz in Berlin. Foto: Stephanie Sartor

(Foto: Foto: Stephanie Sartor)

Oesterlin dürfte damit zwei Probleme haben: Zum einen wachsen im Internet kaum Bäume. Zum anderen ist gerade ein Gesetz in Kraft getreten, dass den meisten Raubkopieren wie ein Freibrief vorkommen muss. Verstecken ist unnötig geworden.

Nur eine Warnung

Mit der Aktion will die deutsche Filmwirtschaft auf die enorm gestiegene illegalen Downloads aufmerksam machen. Und eine Warnung ausprechen an alle, die sich bisher allzu sicher fühlten.

Doch viele Deutsche kümmert das wenig. Im vergangenen Jahr gab es 312 Millionen illegale Downloads urheberrechtlich geschützter Dateien aus dem Internet. Seit September greift nun das neue Gesetz zum Schutz des geistigen Eigentums. Ob die Jagd nach Raubkopierern dadurch effizienter wird, ist zumindest umstritten.

Neu bei der Jagd auf Raubkopierer ist, dass die Inhaber von Urheberrechten von den Internetanbietern die Adressdaten mutmaßlicher Raubkopierer verlangen können. Dafür reicht fortan eine richterliche Anordnung. Aufwändige Strafverfahren, wie bisher üblich, fallen weg.

Gegen die Abmahnwut

Ein Ziel des Gesetzes ist auch, der Abmahnwut der Musik- und Filmindustrie etwas entgegenzusetzen. Steffen Heintsch, Vorstand des Vereins zur Hilfe und Unterstützung gegen den Abmahnwahn spricht von über 150.000 Abmahnungen im vergangenen Jahr. Fälle, in denen Schüler bis zu 1000 Euro zahlen mussten, weil sie sich ein paar neue Alben aus dem Netz geladen haben, sollen ab sofort der Vergangenheit angehören, verspricht das Bundesjustizminsterium.

Für private Nutzer wird die Abmahngebühr auf maximal 100 Euro begrenzt. Anwalt Matthias Hechler glaubt, dass sich die Zahl der Abmahnungen deshalb verringern wird: "Kaum ein Anwalt wird bereit sein, wegen 100 Euro ein Schreiben zu verschicken."

Werden Musik, Filme oder Software gewerblich vertrieben, gilt diese Gebührenregelung nicht. Hier gibt es nach oben keine Grenze. Es drohen außerdem bis zu fünf Jahre Gefängnis.

Abmahngegner Heintsch glaubt jedoch nicht, dass das neue Gesetz etwas ändern werde. Es sei "zu einem kaugummiartigen Instrument geworden", sagt er. Das Problem: Wo privater Nutzen aufhöre und gewerblicher anfange, definiere das Gesetz nicht, sagt Heintsch.

Grundschüler als Verbrecher

Und auch die Film- und Musikindustrie fragt sich: Ist ein Grundschüler, der an seine Klassenkameraden die neueste Bushido-CD für zwei Euro das Stück vertickt schon ein gewerblicher Verkäufer? Oder müssen die Gewinne in Millionenhöhe liegen? Weil es darauf keine klare Antwort gebe sei "das Gesetz ist nicht in unserem Sinne", sagt Jan Oesterlin, Geschäftsführer von Zukunft Kino Marketing. Man werde abwarten müssen, was die Gerichte schlussendlich daraus machen.

Ein Dorn im Auge ist ihm auch die Begrenzung auf eine Strafe von 100 Euro für nicht gewerbliche Raubkopierer. Mit seiner Kampagne "Hart aber gerecht: Raubkopierer sind Verbrecher" wolle er "Aufklären und Abschrecken". Er wolle dem Eindruck entgegenwirken, nach einer 100-Euro-Strafe passiere nichts weiter. Oesterlin: "Straftat ist Straftat." Ob die Richter einen gewerblichen Handel erkennen, hänge künftig von jedem Einzellfall ab.

Einer, der sich den Streit zwischen Musikindustrie und Verbraucher zu Nutzen gemacht hat, ist Constantin Thyssen. Seine Hauptkunden sind Jugendliche, die ohne Kreditkarte keinen Zugriff auf herkömmliche kostenpflichtige Download-Seiten haben. Der Münchner bietet auf seiner Internetplattform roccatune.com 1,5 Millionen Lieder an - kostenlos und trotzdem völlig legal. Nur auf CD brennen kann man die Musik nicht.

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