IFA in Berlin:Couch-Kommandos

Kühlschrank plündern war gestern - heute ruft man in der Werbepause seine E-Mails ab. Auf der IFA in Berlin präsentiert sich die neue Generation der multifunktionalen Fernseher.

H. Martin-Jung

Das waren noch Zeiten: Lief auf einem der zwei oder drei Kanäle ein Edgar-Wallace-Krimi, waren die Straßen leer und im Wohnzimmer versammelte sich die gesamte Familie vor dem einzigen TV-Gerät des Haushaltes. Wer heute auf den Hunderten Kanälen des Digitalfernsehens nichts Passendes findet, legt sich eben eine DVD ein oder sieht sich via Internet seine Lieblingsserie an.

IFA in Berlin: Wer auf den Hunderten Kanälen des Digitalfernsehens nichts Passendes findet, kann via Internet auf seine Lieblingsserie zurückgreifen.

Wer auf den Hunderten Kanälen des Digitalfernsehens nichts Passendes findet, kann via Internet auf seine Lieblingsserie zurückgreifen.

(Foto: Foto: dpa)

Das erklärt, warum viele der neuen TV-Geräte, die von Donnerstag an auf der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin zu sehen sein werden, mit Eigenschaften zu überzeugen versuchen, die über die reine Wiedergabe von Fernsehbildern weit hinausgehen. Über einen Netzwerkanschluss lassen sie sich mit dem Internet verbinden - zum Beispiel, um damit Clips von Youtube anzusehen. Bei manchen Geräten kann man auch normale Webseiten abrufen oder beispielsweise in den Werbeunterbrechungen die E-Mails abrufen.

Immerhin 22 Prozent der Deutschen im Alter zwischen 14 und 64 Jahren fänden das hilfreich, hat TNS Infratest ermittelt. Am meisten aber interessieren sich die Bundesbürger der Befragung zufolge für Geräte und Verfahren, ihre digitalen Daten komfortabel zu verwalten und zu sichern. Da viele Familienfotos nur noch digital vorliegen, kann schon ein simpler Festplattenausfall zur Katastrophe werden, falls diese Daten nicht auch noch woanders gespeichert sind.

So wird auch klar, warum immer mehr Hersteller zur IFA kommen, die man noch vor einigen Jahren dort kaum vermutet hätte. Der Prozessorhersteller Intel zum Beispiel, Kamerahersteller wie Canon oder der Netzwerkausrüster Cisco. Letzterer hat beispielsweise einen sogenannten Media Hub im Programm, der sämtliche Mediendaten - Bilder, Filme, Musik - speichert und diese nicht nur im Heimnetz zur Verfügung stellt, sondern übers Internet auch Familienmitgliedern, die unterwegs sind. Das Gerät erkennt auch, wenn auf einem der häuslichen Geräte neue Dateien gespeichert werden und holt sie auf den Hub.

Lesen Sie auf Seite 2, mit welchen Finessen die Flachbildschirme der neuesten Generation ausgestattet sind.

Maßgeschneidertes Fernsehen

Bei den TV-Geräten ist das Rennen um immer größere Bildschirmdurchmesser weniger wichtig als noch vor Jahren. Die hochwertigen Flachmänner der neuesten Generation zeichnen sich außer durch Netzwerkanschlüsse durch neue Techniken zur Ausleuchtung des Bildschirmhintergrunds aus. Früher verwendete man dazu kleine Leuchtstoffröhren, nun setzen sich mehr und mehr Leuchtdioden (LED) durch. Sie sind klein und ermöglichen dadurch besonders attraktive und flache Gehäuseformen - besonders dann, wenn sie wie etwa bei Marktführer Samsung von der Seite her strahlen.

Andere Hersteller ordnen Tausende LEDs flächig hinter dem Flüssigkeitskristall-Bildschirm (LCD) an und ändern Farbe sowie Leuchtkraft je nach Bildinhalt. Das führt dazu, dass der Kontrast des Bildes wesentlich gesteigert wird. Toshiba hat sich eines anderen, auch ärgerlichen Problems angenommen: Einige der neuen TV-Geräte sorgen mit einer Dolby Volume genannten Technik dafür, dass Werbung und Filme sowie unterschiedliche Sender gleich laut wiedergegeben werden. Die Hersteller haben aber auch erkannt, dass sie etwas gegen die oft ruckelnde Darstellung stark bewegter Bilder, etwa bei Fußball-Übertragungen oder in Actionfilmen, unternehmen mussten.

Zunehmend zum Problem wird für die Hersteller von Fernsehgeräten und Boxen für den Empfang digitaler Geräte aber auch die Frage, wie sie die stetig steigende Flut von Inhalten bändigen. Längst versuchen daher Spezialfirmen wie beispielsweise Rovi, den Herstellern ihre Dienste schmackhaft zu machen. Rovi sammelt mit Hilfe von Hunderten Redakteuren Inhalte zu Fernsehsendungen weltweit und bereitet sie so strukturiert auf, dass sie in elektronische Programmführer eingebunden werden können. Die neueste Software des Anbieters legt auf Wunsch Profile einzelner Familienmitglieder an und bietet ihnen andere Sendungen an, die ihnen gefallen könnten. Sie ermöglicht es aber auch, vom Fernsehgerät aus Inhalte abzurufen, die auf Computern oder Festplatten irgendwo im Haus liegen. Langfristig, in etwa zehn bis 15 Jahren, glaubt man bei Rovi, werde sich die Fernsehlandschaft überwiegend zu einem Dienst entwickeln, der Inhalte dann zur Verfügung stellt, wenn der einzelne Zuschauer das wünscht.

Wenig Neues bei der Weißen Ware

Ansätze sind bereits zu erkennen. Die ehemalige illegale Tauschbörse Napster etwa hat sich gewandelt zu einem Aboangebot, das eine riesige Fülle an Musik vorhält. Auf solche Angebote setzen Anbieter wie Sonos. Die kleine US-Firma baut über Funk verbundene Geräte, die mehrere Räume mit unterschiedlicher oder derselben Musik versorgen können. Diese kann von einem Computer im Haus stammen, aber eben auch direkt aus dem Internet gestreamt werden.

Bei der Weißen Ware, also Waschmaschine und Co., gibt es keine wirklich umwälzenden Neuerungen. Bei Kühlschränken versuchen die Hersteller wie etwa LG noch schönere Geräte zu bauen, die auch im Esszimmer eine gute Figur machen und dabei eine Menge Platz bieten. Das Hauptaugenmerk aber liegt sinnvollerweise auf Techniken zum Energiesparen. AEG-Elektrolux etwa präsentiert eine Waschmaschine, die schon bei einer Wassertemperatur von 15 Grad so gut waschen soll wie andere bei 40 Grad. Der koreanische Hersteller Samsung macht es nahezu umgekehrt und zeigt eine Maschine, die mit Wasser waschen kann, das von Solaranlagen auf 50 bis 60 Grad erhitzt wurde.

Die Internationale Funkausstellung (IFA) in Berlin findet vom 4. bis 9.September statt. 1077 Aussteller zeigen vor allem Geräte der Unterhaltungselektronik. Zum zweiten Mal sind auch Haushaltsgeräte zu sehen. Der Eintritt kostet 14 Euro, ermäßigt 10 Euro, für 29 Euro gibt es ein Familienticket. Die Bahn bietet Sondertickets an. Das Messegelände am Funkturm ist per S-Bahn zu erreichen. Weitere Informationen unter www.ifa-berlin.de.

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