Ideen für die Digitale Agenda:Wie Deutschland dranbleibt

Schelles Netz für ländliche Räume

Eine schnelle Internetverbindung wünscht sich jeder Nutzer. Doch beim Ausbau in dünn besiedelten Regionen sollte die Bundesregierung mit Augenmaß vorgehen.

(Foto: dpa)

Visionen gesucht: Kommende Woche legt die Bundesregierung ihre Digitale Agenda 2.0 vor. Viel zu vage und viel zu spät. Fünf Ideen, was jetzt zu tun ist, damit Europas größte Volkswirtschaft in Sachen Internet konkurrenzfähig bleibt.

Aus der SZ-Redaktion

Das Internet ist kompliziert. So kompliziert, dass sich ein Minister unmöglich allein darum kümmern kann. Das hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) betont, als er gemeinsam mit Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und Infrastrukturminister Alexander Dobrindt (CSU) im März erste Eckpunkte einer Digitalen Agenda präsentierte. Danach zeigte sich, dass das Internet auch eine populäre Angelegenheit ist. So populär, dass niemand einem anderen allein das Feld überlassen wollte.

Es folgte ein Gerangel zwischen den drei Ministern. Dass sie sich zusammengerauft und einen Entwurf erarbeitet haben, der in der nächsten Woche im Kabinett beraten wird, ist immerhin ein Fortschritt. Allerdings: Vieles darin bleibt vage. Es fehlen die Visionen.

Die SZ hat deshalb ihre Digitale Agenda zusammengestellt. Fünf Dinge, die unbedingt passieren müssen, damit das Land nicht den Anschluss verliert.

Schnelles Internet

Schnelles Internet ist unverzichtbar, wenn Menschen ein bequemes Leben führen und Unternehmen wachsen sollen. Das Ziel der Regierung, bis 2018 flächendeckend eine Versorgung mit Übertragungsgeschwindigkeiten von 50 Megabit pro Sekunde zur Verfügung zu stellen, ist also richtig und wichtig. Doch wie kann das gelingen? Schließlich wohnen in manchen Gegenden so wenige Menschen, dass es sich nicht rentiert, dorthin Leitungen zu verlegen. Oder, wie es jemand aus der Branche ausdrückt: "Genauso wenig wie sich eine Bundesstraße ins letzte Kaff lohnt, rentiert sich ein Glasfaserkabel bis zum letzten Bauernhof." In diesen Regionen gilt es abzuwägen, ob nicht auch eine nicht ganz so stabile oder nicht ganz so schnelle Funkverbindung reicht. Ansonsten muss der Staat finanziell helfen.

In allen anderen Regionen aber müssen die Unternehmen selbst das Geld für den Ausbau in die Hand nehmen. Sie machen es ja schon. Immerhin sind 60 Prozent der Haushalte mit 50 Megabit pro Sekunde versorgt. Drei Jahre zuvor waren es nur 40 Prozent. Der Ausbau geht also voran.

Man könnte ihn aber beschleunigen, wenn man die vielen kleinen Hürden abbauen würde, auf die ausbauwillige Unternehmen derzeit stoßen. So erfahren sie bislang zu selten von geplanten Bauarbeiten der öffentlichen Hand. Dabei könnten dort auch gleich Leerrohre für Kabel verlegt werden. Damit wäre viel gewonnen, denn die Tiefbauarbeiten machen 80 Prozent der Kosten des Netzausbaus aus.

Zudem sollten Oberlandleitungen nutzbar gemacht werden. Auch sollte man den Zugang zu lokalen Funknetzen erleichtern, indem man die Haftungsrisiken für die Betreiber minimiert. Nicht nur Bund und TK-Branche sind gefragt, sondern auch Bauwirtschaft, Länder, Kommunen oder private Bauherren. Nur so kommt der Netzausbau voran.

(Daniela Kuhr)

Intelligenter Wohnen

Die Tür erkennt, wenn jemand die Wohnung betritt, der Stromzähler bucht günstige Tarife, die Heizung lässt sich aus der Ferne steuern - das Zuhause der Deutschen könnte so smart sein. Alles nur Spielerei? Bisher schon. Bei der Unterhaltungselektronik sind viele Häuser und Wohnungen heute schon vernetzt. Der Fernseher oder die Hifi-Anlage kommunizieren über das heimische Netzwerk mit der Festplatte, auf der Musik und Filme lagern. Oder die Espresso-Maschine in der Küche nimmt per Smartphone-App die Bestellungen aus dem Schlafzimmer entgegen.

Doch es sind nur Vorboten einer digitalen Revolution daheim. In einer Welt, in der immer mehr Verbraucher mit Solarzellen selbst Strom erzeugen, könnten in ein Netzwerk auch aktuelle Wetterdaten einfließen und Stromschlucker wie Wäschetrockner anschalten, wenn die Sonne scheint. Auch Gefriertruhen könnten dann auf Hochtouren laufen, schließlich können sie Kälte stundenlang speichern.

Mehr noch: Die smarte Wohnung könnte Teil eines smarten Netzes werden. Hier könnten große Batterien, wie sie in Zukunft womöglich zunehmend Solarstrom speichern oder Elektroautos antreiben, immer dann ihren Strom ins Netz einspeisen, wenn Elektrizität gerade knapp und teuer ist. So würde die Versorgung insgesamt sicherer - per elektrischer Schwarmintelligenz. Hürden freilich gibt es noch genug.

Millionen deutscher Haushalte messen ihren Strom heute noch mit einer Technologie des frühen vorigen Jahrhunderts, per Drehstromzähler. Digitale Zähler setzen sich erst sehr langsam durch, lange fehlten die Standards dafür. Ob sie am Ende die Revolution einläuten, hängt aber von der Sicherheit der Daten ab. Denn der Stromverbrauch verrät viel über Lebensstil und Gewohnheiten.

(Michael Bauchmüller)

Nur "bedingt abwehrbereit"

Mehr Sicherheit

Millionen ferngesteuerter Computer setzen jeden Tag ungezählte verseuchte Mails ab, Cyberkrieger überall auf der Welt wanzen sich über das Internet überall hinein, wo sie nur können. Sie suchen nach Daten, und sie wollen Zugriff bekommen auf kritische Infrastrukturen besonders in wohlhabenden Industrieländern wie Deutschland. Doch zum Glück gibt es das Nationale Cyber-Abwehr-Zentrum (NCAZ). NCAZ, das klingt fast wie NSA. Bei dem amerikanischen Technik-Geheimdienst arbeiten etwa 107 000 Menschen. Beim NCAZ sind es 10, in Worten: zehn.

Ein unfairer Vergleich? Ja, denn das NCAZ soll nur die Arbeit der Behörden koordinieren, die unsere Wasserwerke und Energieversorger, die Behörden, Wirtschaft und Bürger davor schützen, zur leichten Beute von Cyberkriminellen zu werden. Doch guckt man weiter, wird es nur unwesentlich besser. Im Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), einem zentralen Bestandteil der staatlichen IT-Sicherheit, sind gerade einmal 600 Menschen beschäftigt.

Man kann es drehen und wenden wie man will, auch beim BND und beim Verfassungsschutz, bei den Polizeibehörden gibt es Computerexperten. Die Republik ist, um es mit der legendären Spiegel-Schlagzeile von 1962 zu sagen, bei der Cybersicherheit nur "bedingt abwehrbereit".

Autobahnen haben Leitplanken, Seitenstreifen und Verkehrsleitsysteme, moderne Autos strotzen nur so vor Sicherheitseinrichtungen. Wenn es aber um Sicherheit im Netz geht, fährt Deutschland im Cabrio ohne Gurt, ABS und Kopfstützen durch die Gegend. So wichtig es ist, die Datenstrecken überhaupt erst einmal auszubauen, weil diese Technik alles beherrscht, so wichtig ist es auch, sich gegen die Gefahren zu wappnen, die auf der Schattenseite der glänzenden digitalen Welt drohen. Und das geht nur mit mehr und besser geschultem Personal.

(Helmut Martin-Jung)

Unterstützung für Gründer

Deutschland braucht junge Gründer. Nicht nur weil sie das Internet und die damit verbundenen Möglichkeiten besser verstehen als viele in den Vorstandsetagen der Konzerne. Auch weil Neuerungen in etablierten Unternehmen zumeist als eine Bedrohung des laufenden Geschäfts wahrgenommen und somit selten umgesetzt werden. Aber den deutschen Gründern fehlt es an Geld, um aus ihren guten Ideen auch ein gutes Geschäft zu machen.

Ideen für die Digitale Agenda: Silicon Valley in Deutschland: Deutschland muss IT-Gründer besser unterstützen.

Silicon Valley in Deutschland: Deutschland muss IT-Gründer besser unterstützen.

(Foto: Stefan Dimitrov / SZ)

Dabei müssen die Deutschen nicht einmal bis ins Silicon Valley blicken, um eine Idee davon zu bekommen, wo sie das fehlende Geld auftreiben könnten: In der Schweiz wird über einen Zukunftsfonds diskutiert, in den Pensionskassen und andere Versicherungen die Beiträge ihrer Mitglieder einzahlen. Sie fördern damit ausschließlich die Entwicklung neuer Technologien. Später, so die Überlegung, werden die Gewinne den Wohlstand der Schweizer sichern. In Großbritannien können private Risikokapitalgeber ihre Investitionen steuerlich absetzen.

Auch jenseits des Geldes kann die hiesige Gründerszene noch Unterstützung gebrauchen: Berlin ist für viele ausländische Talente ein echter Anziehungspunkt geworden. Solange aber ein guter Entwickler auf der dortigen Ausländerbehörde mit Englisch aber weiterkommt, solange sein Chef sechs Wochen warten muss, ehe er einen Arbeitsvertrag aushändigen kann, weil er zuvor nachweisen musste, dass er keinen Deutschen für den Job findet, so lange werden gute Leute dann doch nach London gehen.

(Varinia Bernau)

Vernetzte Fabriken

Nur wenige Jahrzehnte ist es her, da war es noch einigermaßen zu verstehen, wie etwa ein Auto zusammengebaut wird. Eine große Lagerhalle mit gut gefüllten Kisten und Regalen - und nebenan wurde geschraubt. Mittlerweile werden Schrauben, Motoren, Bleche oder Autoradios "just in time" zugeliefert, an dem Tag, an dem sie tatsächlich gebraucht werden. In Zukunft soll alles noch reibungsloser ablaufen - und auch weitgehend ohne Menschen, die Bestelllisten ausfüllen: Industrie 4.0 ist das Stichwort.

Am Computer werden Bauteile designt und erprobt und in die Produktionssoftware eingespeist. Ein rohes Stück Metall bekommt am Eingang der Fabrik einen individuellen Code, auf dem Farbe, Bauart oder Empfänger gespeichert sind. Dieses Teil sucht sich dann selbständig den Weg durch die Maschinen, die Roboter erkennen, was sie damit zu tun haben und melden ihrerseits stets ihren Betriebszustand oder ordern weitere Teile.

In den USA treiben IT-Firmen das Thema voran, in Deutschland hat sich der klassische Maschinenbau der Sache angenommen. Denn in den kommenden Jahren werden die Weichen gestellt: Was sind die Standards, hat die neue "Weltsprache der Produktion" einen deutschen Akzent? Wie werden in diesem neuen Gefüge die Kosten verteilt - und wie die Gewinne?

Autobauer und Technologieunternehmen hierzulande reden viel von vernetzten Fabriken, aber sie tun zu wenig dafür: Es braucht eine neue Ausbildung, Maschinenbauer und Ingenieure müssen in hohem Maße auch Informatik und Geschäftsprozesse verstehen. Datensicherheit und Datenschutz müssen einen höheren Stellenwert bekommen, auch in den Gesetzen. Und der Netzausbau muss beschleunigt werden.

(Max Hägler)

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