Handy "Mate 10":Huawei will dem Smartphone die Dummheit austreiben

Huawei Smartphone ´Mate 10 Pro

Der chinesische Smartphone-Hersteller Huawei will den Marktführern Samsung und Apple die Plätze streitig machen.

(Foto: Rentae Grimming / dpa)

Der chinesische Hersteller stattet das "Mate 10" mit künstlicher Intelligenz aus, um Bilder aufzuhübschen und Lärm zu filtern. Was bringt das?

Von Helmut Martin-Jung

Das Handy auf dem Tisch im Café, obwohl eigentlich im Stand-by-Betrieb, zeigt eine Nachricht an: Das Lied, das gerade im Hintergrund läuft, heißt demnach "Dusk till dawn" und ist von Zain. Ein netter Service ist das, aber nötig? Das kann man so oder so sehen. Klar ist: Solche Funktionen sind mit künstlicher Intelligenz auf Smartphones möglich.

Google hat die digitalen Fingerabdrücke Hunderttausender Songs in eine etwa 250 Megabyte kleine Datei gequetscht. Die versetzt das Handy in die Lage, das Lied quasi nebenbei zu erkennen. Das Smartphone, das der chinesische Huawei-Konzern an diesem Montag vorgestellt hat, geht noch einen Schritt weiter: Das Mate 10 bringt sogar einen speziell für künstliche Intelligenz entworfenen Chip mit, der dabei anfallende Rechenaufgaben deutlich schneller und dazu noch energieeffizienter ausführt.

Huawei nennt die Technik Neural Network Processing Unit (NPU). Was bringt das neuronale Netz auf dem Chip? Es kann etwa bei Porträtfotos den Vordergrund vom Hintergrund trennen und letzteren hübsch verschwimmen lassen, wie man es von Spiegelreflex-Kameras kennt. Es kann den Inhalt von Bildern schneller erkennen, kann bei der Wiedergabe von Musik den Umgebungslärm etwa im Auto herausrechnen.

Da auch ein großer Konzern wie Huawei mit seinen gut 180 000 Mitarbeitern nicht alles selbst machen kann, hat der Konzern mit Hauptsitz in Shenzhen den Spezialprozessor als offene Plattform gebaut, auf der andere aufsetzen und ihre eigenen Entwicklungen laufen lassen können.

Das neue Modell könnte am ehesten Samsung gefährlich werden

Künstliche Intelligenz (KI) steht nicht umsonst im Fokus vieler Smartphone-Hersteller. Die Technik soll die Geräte besser an die Bedürfnisse ihrer Nutzer anpassen. Völlig neu ist das nicht; Apple kam schon 2011 mit der Assistenzfunktion Siri auf den Markt. KI hilft hier bei der Spracherkennung, aber auch dabei zu erraten, was Siri für die Nutzer wirklich tun soll.

Es zeigte sich aber, dass der bisher übliche Weg, KI-Berechnungen in einem Datenzentrum zu erledigen, nicht immer der beste ist. Zum einen gibt es nicht immer eine Verbindung übers Internet, außerdem würde es in vielen Fällen zu lange dauern, erst Daten hin- und herzusenden. Und schließlich ist es auch eine Frage des Datenschutzes, ob wirklich bei immer mehr Funktionen zum Teil sehr persönliche Daten mit den Anbietern ausgetauscht werden sollten.

Alle diese Überlegungen haben dazu geführt, dass sich die führenden Hersteller verstärkt nach Möglichkeiten umsehen, auch die Geräte selbst schlauer zu machen, damit sie für viele Aufgaben erst gar nicht mit dem Mutterschiff Kontakt aufnehmen müssen. Bei Huawei hofft man auf Drittanbieter, die weitere Anwendungen für den Chip schreiben werden. Er sei aber auch nötig gewesen, um die Leistung des Handys zu erhöhen und gleichzeitig den Stromverbrauch zu senken, wie Richard Yu sagt, der bei Huawei das Geschäft für Endverbraucher verantwortet. Google hat für seine Datenzentren ebenfalls einen speziellen Chip entworfen, der KI-Berechnungen dramatisch beschleunigt. Und auch die großen Zulieferer wie Qualcomm sind natürlich nicht untätig. Ihnen allen ist Huawei aber nun einganzes Stück weit vorausgeeilt.

Huawei ist auch im Westen erfolgreich

Der chinesische Hersteller war längere Zeit nur im Heimatmarkt erfolgreich, hat es allerdings in den vergangenen Jahren immer besser geschafft, auch im Westen Fuß zu fassen. Im Juli dieses Jahres überholte die Firma Apple sogar bei den Stückzahlen verkaufter Smartphones. Besonders erfolgreich ist Huawei mit seinen Smartphones in Europa.

Das Unternehmen setzt dabei klar auf den Markt für hochpreisige Geräte. Das Mate 10 soll den Smartphones der Marktführer Samsung und Apple Konkurrenz machen. Gefährlich werden könnte es am ehesten Samsung, da eingefleischte Apple-Nutzer eher selten zu einem Gerät mit Android-Betriebssystem wechseln. Außerdem steht das iPhone X in den Startlöchern. Wie die neuen Oberklasse-Handys von Samsung, die Galaxy S8-Reihe und das Note 8, kommt auch ein Modell des Mate 10, genannt pro, mit einem Bildschirm, der nahezu die gesamte Frontseite einnimmt.

Yu betonte im Gespräch, es komme ihm weniger darauf an, die Nummer 1 der Smartphone-Hersteller zu werden. "Stattdessen müssen wir lieber die besten Innovationen für den Nutzer bieten, das hilft uns auf lange Sicht am meisten." Bei den beiden Mate-Modellen hat Huawei auch die in Kooperation mit Leica entwickelten Kameras verbessert, außerdem können die Geräte hochaufgelöste Audio-Dateien abspielen und mit Hilfe des KI-Chips auch den Hintergrundlärm beim Telefonieren reduzieren.

In Deutschland wird Huawei nur das Pro-Modell sowie ein in Kooperation mit Porsche-Design entwickeltes Pro anbieten. Das Mate Pro soll für 799 Euro angeboten werden.

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