Handy-Hersteller RIM:Blackberry-Blackout schwächt das Smartphone-Sorgenkind

Der kanadische Handy-Hersteller Research In Motion versichert, die Ausfälle des Blackberry-Netzwerks in den Griff zu bekommen. Doch der mehrtägige Blackout trifft das angeschlagene Unternehmen hart: Der Firma läuft die Zeit davon, Aktionäre befürchten inzwischen das Schlimmste.

Thorsten Riedl

Bei Twitter entlädt sich die Wut der Blackberry-Nutzer. Wo auch sonst? Besitzer des E-Mail-Handys des kanadischen Herstellers Research in Motion (RIM) konnten seit drei Tagen keine Nachrichten mehr empfangen.

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Blackberrys waren einst gefragt - nach dem Ausfall des Dienstes könnten sich weitere Kunden abwenden.

(Foto: AFP)

Das Surfen im Netz funktionierte nur sporadisch, inzwischen soll sich nach Unternehmensangaben die Lage "signifikant verbessert" haben, Nachrichten können angeblich wieder versendet werden - doch seit Mittwoch betrifft der Ausfall offenbar auch Nutzer in den USA. Seit Anfang der Woche gehen im Sekundentakt Blackberry-Flüche bei RIM ein: "Zeit, den Blackberry in die Tonne zu kloppen", schreibt ein Twitter-Nutzer. "Und auf ein iPhone zu wechseln."

Ein Ausfall in der Schaltzentrale von RIM in Großbritannien ist Schuld. Das könnte die Misere bei den Kanadiern verstärken. Schon fordern Aktionärsaktivisten mit viel Beifall, den Konzern zum Verkauf zu stellen - oder aufzuspalten. Dem Pionier droht das Aus. Selbstverschuldet.

Die Verfolger Apple und Google ziehen mit ihren neuesten Smartphones gerade an RIM vorbei - so wie die Kanadier einst mit ihrer Idee, den E-Mail-Verkehr mobil zu machen, die Rivalen abgeschüttelt haben. Schon in den achtziger Jahren gründete Mike Lazaridis das Unternehmen.

Das Rechenzentrum als Flaschenhals

Der Erfolg kam mit dem ersten Blackberry, der vor zwölf Jahren vorgestellt wurde. Mit dem Gerät in Form einer Brombeere - daher der Name - ließen sich zunächst nur Nachrichten senden und empfangen. Wenige Jahre später wurde der Blackberry dank Telefonfunktion zum elektronischen Assistenten für unterwegs. Konkurrenten wie Palm verpassten diesen Trend damals. Heute gibt es sie nicht mehr. Nun leidet RIM selbst.

Die jüngsten technischen Schwierigkeiten dauern seit Montag an. Wegen der besonderen technischen Infrastruktur des Unternehmens sind Blackberry-Besitzer außerhalb der Vereinigten Staaten betroffen. Weltweit gibt es mehr als 70 Millionen Blackberry-Nutzer, ein gutes Viertel davon im Heimatmarkt.

RIM leitet nämlich alle Mails, die auf den Geräten empfangen werden, durch zwei Rechenzentren: So soll die Sicherheit des E-Mail-Verkehrs gewährleistet werden. Außerdem fällt das Datenvolumen geringer aus, ein gewichtiges Argument in den frühen Zeiten der mobilen E-Mail. Die Rechenzentren befinden sich in der Nähe der Zentrale im kanadischen Ontario und für Übersee im englischen Slough. Und dort gibt es Probleme.

Am Mittwoch teilte RIM mit, ein Verteiler im Rechenzentrum sei ausgefallen. Eigentlich hätte dieses im Jargon Switch genannte Gerät bei einem Fehler automatisch durch ein anderes ersetzt werden müssen. Genau das funktionierte aber nicht. Dadurch sei ein "großer Rückstau an Daten" entstanden, erklärte RIM in einer kurzen Nachricht. Das Unternehmen arbeite daran, den Stau aufzulösen.

Den Ärger der Blackberry-Besitzer konnte RIM nicht beschwichtigen - manche nahmen es auf die leichte Schulter. Sie dankten den Kanadiern für die "dreitägige Schweigeminute" in Gedenken an den Tod von Steve Jobs vergangene Woche. Reiner Galgenhumor: Denn gerade der Apple-Gründer hat mit Vorstellung des iPhones vor vier Jahren RIM erst in Bedrängnis gebracht.

Seit neuestem kommt die Google-Allianz dazu: Handy-Hersteller wie HTC, Samsung oder Sony-Ericsson, die das mobile Betriebssystem Android der Suchmaschine verwenden. Der Marktanteil von RIM sinkt beständig, der von Apple und Google steigt.

Aktionäre fordern Zerschlagung

Unter den Aktionären haben sich bereits einige Aktivisten gefunden, die das Elend nicht weiter anschauen mögen. Seit Jahresanfang sackte der Kurs des Unternehmens um fast 60 Prozent ab.

Die kanadische Handelsbank Jaguar Financial begehrt nun auf - und ließ mitteilen, man habe schon acht Prozent der Aktionäre hinter sich. Die Bank, die sich auf Problemfälle wie die von RIM spezialisiert hat, fordert einen Verkauf oder eine Zerschlagung des Handy-Herstellers. Zudem müsse Management und Verwaltungsrat besser getrennt werden.

Reicht die Zeit?

Die beiden Vorstandschefs Lazaridis und Jim Balsillie stehen auch dem Aufsichtsgremium vor. Jaguar kritisiert in dem Zusammenhang, dass die beiden zwar keinen anderen Chef für das Gremium gefunden hätten - zugleich aber mit großer Energie ihren Traum verfolgen, ein Eishockeyteam zu kaufen. Unter einem unabhängigen Aufseher wäre das nicht passiert, so Jaguar. Allein die Forderungen sorgten für ein kleines Kursfeuerwerk.

Zur Hauptversammlung von RIM war ein ähnlicher Antrag eines Großaktionärs bereits gescheitert. Die beiden Chefs und Aufseher hatten da versprochen, in den nächsten Monaten den Umschwung zu schaffen. Ob die Zeit reicht?

"Die Zukunft ist das iPhone, liebe Blackberry-Nutzer", riet jemand am Mittwoch über Twitter. "Das hätte ich euch gerne auch gemailt - aber die Nachricht wäre ja nicht angekommen."

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