Hammer:Provider sortiert Flatrate-Kunden aus

Der Internet-Provider 1 & 1 zahlt einigen Kunden 100 Euro wenn sie zu einem anderen DSL-Provider wechseln

Tobias Weidemann

Der Preiskampf bei DSL-Tarifen tobt unerbittlich. Manche Internet-Provider gehen dabei noch einen Schritt weiter und bieten dem Kunden sogar noch Bargeld, wenn er kündigt - nicht bei der Konkurrenz, sondern bei ihnen selbst. So staunte Thomas Bode nicht schlecht, als er vor einigen Tagen einen Anruf von seinem Internet-Provider 1&1 bekam.

In Kooperation mit  PC-Welt

Der Kundenberater unterbreitete dem verdutzten Internet-Nutzer ein erstaunliches Angebot. Bode solle die von ihm bezogene Flatrate kündigen, da sich der Tarif aufgrund seines Surfverhaltens für das Unternehmen nicht mehr rechne. Er solle doch zur Konkurrenz wechseln, wo es möglicherweise auch für ihn günstigere Alternativen gebe. Als eine Art Abfindung erhalte er 100 Euro in bar.

So wie Bode bekamen offenbar noch mehr Kunden in den letzten Wochen das ungewöhnliche Angebot. Wie viele es genau sind, dazu will 1&1-Pressesprecher Michael Frenzel keine Angabe machen, doch ein Leser erklärt sueddeutsche.de, der Kundenberater habe ihm gegenüber von rund 6000 Fällen gesprochen - der Pressesprecher dementiert diese Zahl nicht.

Der Kunde, der ungenannt bleiben will, nutzt seit mehreren Jahren die Fair-Flatrate und zahlt hierfür schon knapp 40 Euro im Monat. Rund 80 GB habe er monatlich an Datentransfer verursacht, das sei dem Unternehmen offenbar zu viel gewesen. Dann dürfen die so etwas nicht Flatrate nennen, beschwert er sich. Auch ihm wurden 100 Euro Abfindung geboten, wenn er seinen Tarif kündige.

Auf das Angebot eingehen will der Geschäftsmann jedoch nicht. Im Gegenteil: Ich werde jetzt die für mich günstigere Deutschland-Flat bestellen, es ist Zeit für eine Vertragsanpassung. Doch ob er die bekommen wird, ist fraglich. Zwar plant 1&1, die günstigen Deutschland- und City-Flat-Tarife ab Mitte des Jahres auch Bestandskunden anzubieten, verpflichtet ist der Provider allerdings nicht, dies bei allen Bestandsverträgen gleich zu handhaben.

Michael Frenzel von 1&1 kann die Aufregung nicht nachvollziehen, im Gegenteil.Dahinter steht einfach unternehmerisches Denken. Natürlich sind wir daran interessiert, die Kostenstrukturen im vertretbaren Rahmen zu halten. Wir haben daher einen bestimmten Kundenkreis ausgesucht, der eine teure, ältere Flatrate nutzt und durch einen Wechsel einiges einsparen könnte und diesen Kunden das Angebot gemacht.

Umgekehrt haben wir Kunden ausgewählt, die für uns nicht kostendeckend sind, weil sie viel Traffic verursachen und die Leitungen mehr als andere belasten. Von dem Angebot hätten also beide Seiten einen Vorteil, gibt er unumwunden zu.

Ab welchem Datenvolumen Kunden ausgewählt worden sind, will er nicht sagen. Allerdings liege ein Kunde mit 80 GB Volumen im Monat zwar innerhalb dieses Bereichs, es gäbe aber auch deutlich höhere Datenumsätze. Gemessen werde in diesem Zusammenhang im übrigen der Datentransfer von mindestens drei Monaten.

Doch über ein wichtiges Detail wurden zumindest einige der Kunden, die uns kontaktiert haben, von der Kundenberatung am Telefon nicht aufgeklärt. Mit der Kündigung und der Annahme des Geldbetrags verbunden wäre nicht bloß die Auflage, nicht mehr bei 1&1 Flatrate-Kunde zu werden, so lange er nicht sein Surfverhalten ändert, sondern das virtuelle Hausverbot würde sich auch auf DSL-Flatrates der anderen Firmenteile der United-Internet-Gruppe erstrecken. Damit scheiden sowohl Web.de und GMX als auch Schlund und Partner als DSL-Flatrate-Provider für die Zukunft aus.

Andere Tarife sowie bei uns gehostete Internet-Websites blieben davon natürlich unberührt, betont Frenzel und bedauert, dass die Botschaft nicht bei allen Kunden gut angekommen ist. Gleichzeitig erklärt er: Ein Großteil der Kunden, die unser Angebot angenommen haben, waren sogar froh, dass wir sie auf günstigere Alternativen aufmerksam gemacht haben. Wie viele Kunden das waren und wie groß der Prozentsatz der bereitwilligen Wechsler war, lässt er offen.

In der Tat gibt es keine rechtliche Grundlage für eine Kündigung. Ein Kunde, der dem Wunsch nicht zustimmt, wird weiterhin seinen Tarif wie gewohnt nutzen können - in vollem Umfang. Und der Provider würde einen Wechsler zu einem späteren Zeitpunkt eventuell auch wieder als Kunde aufnehmen - bei verändertem Surfverhalten.

Schon vor einigen Jahren hatten mehrere Provider, darunter auch 1&1, Kunden die Auflösung ihres Vertrages gegen Zahlung eines Geldbetrags angeboten. Wer sich damals weigerte, konnte seinen Tarif ohne Einschränkungen weiternutzen, zumindest so lange, bis der Tarif für alle Kunden eingestellt wurde. So etwas gab es mal, aber das würden wir heute nicht mehr machen, hatte 1&1-Sprecher Frenzel noch vor einigen Monaten auf Nachfrage erklärt und räumt ein, dass er in der Tat überrascht sei, dass sein Unternehmen so etwas noch einmal mache.

Wer allerdings jetzt meint, er könne mit einer deutlichen Erhöhung des eigenen Surfvolumens 1&1 ebenfalls 100 Euro in bar entlocken, um danach günstig bei der Konkurrenz einzusteigen, wird enttäuscht werden. Wir haben bereits sämtliche in Frage kommenden Kunden informiert und von den meisten auch bereits eine Antwort.

Kunden der Deutschland- und City-Flat wurden bei dieser Aktion übrigens nicht einbezogen. Die zahlen ohnehin schon so wenig, dass sich für diesen Kundenkreis kein Einsparpotenzial mit einem anderen Provider realisieren ließe.

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