Hacking und die US-Wahl:Es ist falsch, Russland die Schuld an Trump zu geben

Hacking und die US-Wahl: Der CIA sollte man nicht alles glauben.

Der CIA sollte man nicht alles glauben.

(Foto: AP)

Glaubt man der CIA, haben russische Hacker die Wahl entscheidend beeinflusst. Beweise dafür fehlen - auch wenn die Bedrohung durch Cyberangriffe real ist.

Kommentar von Nicolas Richter

Wenn Geheimdienste vor großen Gefahren warnen, sollte man grundsätzlich vorsichtig sein. Oft denkt man dabei an die Lektion aus dem US-Krieg gegen Saddam Hussein im Irak: Ja, auch westliche Geheimdienste sind zuweilen unehrlich, unfähig oder politisch gesteuert, manchmal auch alles gleichzeitig. Generell referieren Sicherheitsexperten meist mit dem Hinweis über die Weltlage, noch nie seien die Zeiten so gefährlich gewesen wie heute. Zum Teil hat dies schlicht den Zweck, den eigenen, stark gewachsenen Sicherheitsapparat zu rechtfertigen.

Nun will die CIA den nächsten abenteuerlichen Plan aufgedeckt haben: Die russische Regierung hat demnach gezielt dem Republikaner Donald Trump ins Weiße Haus geholfen. Sie hat Geheimnisse seiner Gegnerin Hillary Clinton ausgeforscht, diese der Enthüllungsplattform Wikileaks zugespielt und dann genüsslich dabei zugesehen, wie die USA den Politanfänger Trump wählten. Nun ist die Aufregung sehr groß, und die Öffentlichkeit muss sich wieder einmal fragen, ob sie in den gefährlichsten Zeiten aller Zeiten lebt.

Am toxische Klima in den USA sind nicht die Russen schuld

Der Streit über die Theorie der CIA ähnelt dem um die Ukraine, die Sichtweise hängt also oft davon ab, ob man sich Russland näher fühlt oder den USA. Richtig ist es, der CIA zu misstrauen, weil sie keinen einzigen Beweis vorgelegt hat. Auch lässt sich die Brisanz relativieren: Das toxische Klima, aus dem Präsident Trump hervorging, haben nicht die Russen geschaffen, sondern zynische Politiker und Geschäftsleute aus Amerika, etwa die Macher von Fox News, die ihren Landsleuten seit Jahren einbläuen, in welcher Hölle sie angeblich leben.

Trotz dieser Vorbehalte sollte man sich mit den sehr reellen Gefahren von Cyberangriffen ernsthaft beschäftigen: Man sollte sich rüsten, mit Technik, Wachsamkeit, aber auch mit Gelassenheit. Die CIA-These ist allgemein nämlich keineswegs abwegig: Etliche Agenten nutzen das Internet längst, um Firmeninterna zu klauen, Industrieanlagen zu sabotieren, Regimegegner bloßzustellen.

Das Internet lässt sich einsetzen, um Geheimnisse preiszugeben und Gerüchte zu lancieren, all dies ist längst technisch möglich und etlichen Diensten zuzutrauen. Sie können dabei im Verborgenen bleiben, mit wenig Einsatz viel erreichen. Wie eine Guerillatruppe aus dem Hinterhalt können Hackeragenten Unsicherheit und Zweifel säen, und damit im Extremfall auch Wahlen beeinflussen.

Nicht jeder Hackerangriff ist ein "Cyberkrieg"

Demokratische Staaten aber sind diesem Treiben nicht wehrlos ausgeliefert. Erstens können sie sich selbst besser schützen. Eine selten gestellte Frage in der hysterischen USA-Russland-Debatte lautet: Warum kommen dem Westen ständig seine Geheimnisse abhanden? Warum gelingt es dem Bundestag oder den US-Demokraten nicht, ihre vertraulichen Papiere zu schützen?

Zweitens müsste sich die Welt klare Regeln geben gegen (staatliches) Hacken und Sanktionen festlegen. Das ist leider schwierig: Keine Regierung will sich selbst beschränken, wenn sie selbst in den Netzen der Nachbarn herumhackt. Drittens müssen Medien wie Facebook mehr tun, um Pseudo-Nachrichten zu löschen.

Vor allem aber sollten westliche Regierungen das Gefühl der Bedrohung nicht auch noch steigern. Nicht jeder Hackerangriff ist "Cyberkrieg", sondern manchmal nur Vandalismus oder Propaganda. Die Sicherheitsbehörden sollten die Debatte überdies versachlichen. Wer einen Staat beschuldigt, Wahlen zu manipulieren, sollte nachvollziehbare Beweise vorlegen. Ja, es ist im Cyberspace schwierig, einer Spur zu folgen, von den vorhandenen Spuren aber sollte die Öffentlichkeit immerhin erfahren dürfen. Wenn sich der Staat gegen das angeblich postfaktische Zeitalter stemmt, sollte er der erste sein, der mit Fakten operiert.

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