Hacker Tobias Engel:Wieso Handy-Gespräche nicht mehr sicher sind

Tobias Engel

Mobilfunkunternehmen kann bei Sicherheitslücken nur Tobias Engel helfen.

(Foto: Johannes Boie)
  • Tobias Engel hat beim 31C3-Kongress des Chaos Computer Clubs das so genannte SS7-Netz geknackt.
  • Der Hacker benötigt nicht mehr als eine Telefonnummer, um Anrufe oder SMS abzuhören, umzuleiten, mitzuschneiden und den Standort eines Menschen zu bestimmen.
  • Mit seiner Firma will er nun die Lücken im Mobilfunknetz nach und nach schließen.

Von Johannes Boie, Hamburg

Es gibt Kinder, die spielen mit ihrem Spielzeug. Und es gibt Kinder, die bauen ihr Spielzeug auseinander. Tobias Engel gehörte vor drei Jahrzehnten eindeutig zur zweiten Gruppe. Nach seinem Spielzeug nahm er sich den Radiowecker vor. Und dann das Telefon der Eltern, ein orangefarbenes Ding mit Wählscheibe, das die Deutsche Bundespost an die Bürger vergab.

Heute ist die Bundespost Geschichte und Tobias Engel 40 Jahre alt, aber Telefone faszinieren ihn wie vor 30 Jahren. Jetzt hat der Hacker ein bisschen mehr auseinandergeschraubt, nämlich das sogenannte SS7-Netz. Dieses Netz verhält sich zum Telefonnetz wie die Küche eines Restaurants zum Speisesaal: Die Gäste bekommen sie nie zu sehen, aber ohne den Herd würden sie hungrig bleiben.

Das SS7-Netz kann mit Handynutzern alles Mögliche machen

Im SS7-Netz tauschen sich Telekommunikationsunternehmen wie die Telekom über ihre Kunden aus. Überquert einer eine Ländergrenze, sorgt das SS7-Netz zum Beispiel fürs Roaming. Über dieses Netz kann auch festgelegt werden, ob ein Kunde SMS verschicken oder telefonieren darf, wie viel Guthaben er auf seiner Prepaid-Karte hat und wie hoch seine nächste Rechnung wird. Kurz: Das SS7-Netz kann mit Handynutzern alles Mögliche anstellen.

Und Engel kann das jetzt auch, weil er gezeigt hat, wie sich jedermann - auch jeder Geheimdienst - Zugriff auf dieses Netz verschaffen kann. Der Hacker benötigt nicht mehr als eine Telefonnummer, um Anrufe oder SMS abzuhören, umzuleiten, mitzuschneiden und den Standort eines Menschen zu bestimmen. Damit hat er zusammen mit anderen Hackern das Ende der sicheren Telefonie im Mobilfunknetz verkündet. Große Mobilfunkunternehmen sind ratlos, denn das SS7-Netz betreiben viele Konzerne gemeinsam. Jede Änderung muss abgesprochen werden. Helfen kann offenbar nur: Tobias Engel. Er wird die Sache mit Hartnäckigkeit angehen, mit derselben, mit der er als Teenager bei jedem Rechnerstart aufs Neue Zeile für Zeile in seinen Computer tippte. Er hatte zu wenig Geld, um sich ein dauerhaftes Speichermedium zu leisten, also "speicherte" er die Programme extern, indem er ihren Code in ein Schulheft schrieb.

Heute kann Engel sich ein bisschen mehr leisten: Der Vater einer kleinen Tochter hat dieses Jahr mit zwei Freunden eine Firma gegründet, mit der er versuchen wird, Computer herzustellen, die die Lücken im Mobilfunknetz nach und nach schließen. Dabei ist Engel keiner, der sich groß vermarktet. Als er seinen spektakulären Hack auf dem Kongress des Chaos Computer Clubs (CCC) vorstellt, trägt er Kapuzenjacke, ein Firmenlogo sucht man vergebens. Den übrigen Hackern signalisiert das: einer von uns. In der Tat. Seit 1993 ist Engel Mitglied im CCC, lange hat er für die Firma des CCC-Sprechers Frank Rieger gearbeitet, die verschlüsselte Telefone herstellt. Heute reicht ihm das Auseinandernehmen nicht mehr. Er will die Dinge wieder zusammensetzen. Besser und sicherer als zuvor.

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