Brabbler:Whatsapp-Alternative aus München will das Internet verändern

Brabbler: Die GMX-Gründer trafen sich regelmäßig in einer Pizzeria, irgendwann war Dolatre (3. v. l.) klar: Wir machen was Neues.

Die GMX-Gründer trafen sich regelmäßig in einer Pizzeria, irgendwann war Dolatre (3. v. l.) klar: Wir machen was Neues.

(Foto: Marion Hogl)

Eric Dolatre hatte Erfolg mit GMX. Jetzt will er mit einem neuen Messenger die Privatsphäre im Internet retten - indem Nutzer für den Dienst Geld zahlen.

Von Mirjam Hauck

Das ist also das neue Silicon Valley. In München-Neuaubing stehen bislang aber nur ein Möbelhaus, ein Indoorspielplatz und viele leere Parkplätze um das stillgelegte Ausbesserungswerk der deutschen Bahn.

Drinnen, im dreistöckigen Industriebau, stehen Sitzsäcke und ein Kicker, rote Bayern gegen gelbe Dortmunder. Hier hat das Start-up Brabbler seine Büros, gegründet hat es Eric Dolatre. Der 53-Jährige trägt einen Bart wie der große Glatzkopf der Siebzigerjahre-Popgruppe Dschinghis Khan. Und er trägt ein graues T-Shirt und Jeans, seit Mark Zuckerberg die Uniform des erfolgreichen Nerds. Dolatre hat eine Mission. Er will den "Großen wie Facebook kräftig auf die Füße treten".

Dafür hat er mit seinen Mitstreitern einen Dienst entwickelt, der mehr sein will als die 37. Messaging-App. Ein Dienst, mit dem Nutzer ganz einfach miteinander verschlüsselt kommunizieren sowie Termine planen und Dateien austauschen können. Ohne, dass Zuckerberg mitlesen und dem Nutzer Werbung unterjubeln kann. Und damit Millionen verdient.

Der Dienst kostet Geld

Ihr Produkt soll endlich eine vernünftige Alternative zu den amerikanischen Unternehmen Facebook oder Whatsapp sein. Ein Dienst aus Deutschland, der sich an das deutsche Datenschutzgesetz hält. Und tatsächlich wird er anders als diese beiden Konkurrenten sein: Er kostet Geld. Drei Euro im Monat oder 30 Euro im Jahr. Die Nutzer müssten doch verstehen, dass ihnen Whatsapp und Facebook nichts schenken, dass sie mit ihren Daten einen hohen Preis bezahlen. Und dann lieber mit barem Geld zahlen.

Dolatre will wieder den Erfolg haben, den er vor 20 Jahren hatte. Damals hatte er in München den E-Mail-Dienst GMX mitgegründet. 1997 zur Computermesse Cebit ging er online. Im Prinzip war das nichts Neues, Hotmail von Microsoft gab es schon. Auch deutsche Konkurrenz: So versuchte sich die Deutsche Post an einem E-Mail-Dienst. Wer dort eine virtuelle Adresse haben wollte, musste erst einmal ein Postkarte hinschicken.

Bei GMX ging die Anmeldung schnell und dank Werbung war es kostenlos, und für die wenigen kostenpflichtig, die keine Werbung wollten. Drei Jahre später, das Ende der New Economy war bereits zum Greifen nah, hat Dolatre seine Anteile an GMX gut verkauft. Der Hostingdienst United Internet aus Montabaur hat dafür viel Geld bezahlt. Als viele andere wie das Online-Kaufhaus Boo.com längst pleite waren.

Das Internet hat Dolatre reich gemacht. Nach 2000 ist er viel auf Reisen gegangen. Er hat in Südamerika Wein getrunken und sich über das Packeis der Antarktis schippern lassen. Dann hat er eine Familie gegründet. Er hat ein Haus im Westen der Stadt gebaut, er fährt ein spritfressendes Auto. Zusammen mit seinem Bruder hat er ein Restaurant in Haidhausen eröffnet, es hat keinen Wlan-Empfang. Und manchmal hat er in andere Start-ups investiert, zum Beispiel in eine kleine Berliner Firma, die Bio-Kosmetik herstellt.

Die Büchse der Pandora schließen

Im Zimmer der Brabbler-Personalchefin zwitschert ein gelber Wellensittich, er ist durchs offene Fenster zugeflogen. Dolatre teilt sich sein großes Büro mit den beiden Assistentinnen der Firma.

Das Internet habe ihn in den vergangenen Jahren nicht mehr so richtig interessiert, sagt er. Bis zu den Enthüllungen von Edward Snowden und dem unglaubliche Aufstieg von Facebook. Es könne doch nicht sein, dass so viele Menschen unbedarft Party- oder Kinderfotos posten. Sich quasi freiwillig an Datensammler Zuckerberg und die amerikanischen Geheimdienste ausliefern?

Das fanden auch die anderen GMX-Gründer. Gesehen haben sie sich regelmäßig, fast jeden Dienstag in einer Pizzeria in Holzkirchen zum Mittagessen. Und nach der ein oder anderen Hollerschorle gesagt, dass sie endlich was tun müssten. Wenn nicht wir, wer dann? Dabei schwang auch ein bisschen das schlechtes Gewissen mit: "Wir haben die personalisierte Werbung bei GMX mit erfunden und vorangetrieben. Die Büchse der Pandora möchte ich nun wieder schließen." Eric Dolatre deutet auf ein Plakat, das im Brabbler-Konferenzraum über einem Holztisch hängt. Darauf die Vision seiner neuen Firma "Eine digitale Welt, in der Vertraulichkeit und Privatsphäre Realität sind".

Dolatre hatte sein BWL-Studium abgebrochen und eine Ausbildung als Datenverarbeitungskaufmann gemacht - Anfang der Neunzigerjahre fing er dann als Anzeigenverkäufer bei Ziff Davis, dem US-Verlag für Computerzeitschriften, an. Zur ersten Vertriebsschulung flog Dolatre nach New York, Hotel in der Park Avenue und Yachtausflug in die Hamptons. Es war die Zeit, in der man als Anzeigenverkäufer nur erfolgreich sein konnte. Es war die Zeit, als Microsoft den Rolling Stones drei Millionen Dollar zahlte, damit der Song "Start me up" im Werbeclip zu Windows 95 lief. Es war die Zeit, als der Computer bald in jeder Wohnung stand. Und dann kam das Internet für alle.

Gipfelstürmer

Zum ersten Mal zeichnet der Wirtschaftsgipfel der Süddeutschen Zeitung mit dem Start-up-Wettbewerb "Gipfelstürmer" die besten Gründer aus Deutschland aus. Teilnehmen können Unternehmen, die älter als sechs Monate und jünger als fünf Jahre sind und ihren Sitz in Deutschland haben. Der Wettbewerb richtet sich an Gründer, die ein innovatives Produkt oder ein spannendes Geschäftsmodell entwickelt haben. Die Ausschreibung läuft bis zum 10. Oktober. Bewerben kann man sich über die Website www.sz-wirtschaftsgipfel.de/gipfelstuermer. Eine Jury aus Mitgliedern der SZ-Wirtschaftsredaktion wählt Mitte Oktober aus allen Bewerbern die acht Finalisten aus. Diese dürfen am SZ-Wirtschaftsgipfel in Berlin teilnehmen und dort auf der Bühne im Hotel Adlon ihre Geschäftsidee vorstellen. Dann küren die Teilnehmer des Wirtschaftsgipfels, darunter viele erfahrene Manager, per App den Sieger. Ulrich Schäfer

Das Problem: Es gibt schon viele andere Chat-Apps, die auf Vertraulichkeit setzen

Bald jedoch wurde es ein Problem, dass eine Anzeige auf einer Zeitschriftenseite viel mehr kostet als ein blinkendes Banner im Web. Die Einnahmen der Verlage sanken. Dolatre ging, er hatte eine Idee, wie er im Internet Geld verdienen konnte. Das war GMX. Und die Leute rannten den Gründern - virtuell - die Bude ein.

Das sollen sie nun ab diesem Herbst wieder tun, wenn die App auf den Markt kommt, zunächst in der Beta-Version. Auch wenn es noch ein paar Widerstände gibt. Es gibt Dutzende Messaging-Dienste, die Daten verschlüsseln, nicht speichern, ohne Werbung auskommen oder aus Deutschland sind. Sie heißen Threema, Telegram oder Wire. Oder seit neuestem Google Allo. Mehr als eine Nische haben alle sie bislang nicht besetzt. Whatsapp hat nach eigenen Angaben inzwischen mehr als eine Milliarde Nutzer weltweit, bei Facebook sind es derzeit 1,7 Milliarden.

Dolatre nutzt Facebook, postet Fotos von sich und seiner Lebensgefährtin. Aber nur, um mit seiner philippinischen Verwandtschaft in Kontakt zu bleiben, sagt er. Facebook müsste er auch weiterhin nutzen. Seinen neuen Messaging-Dienst soll es erst mal nur in Europa geben.

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