Verbraucherschutz: Welche Rechte Kunden beim Online-Kauf haben

Verbraucherschutz: Auch im Online-Handel haben die Verbraucher Rechte. Illustration: Stefan Dimitrov

Auch im Online-Handel haben die Verbraucher Rechte. Illustration: Stefan Dimitrov

  • Ist ein Produkt kaputt, kann es beim Händler zurückgegeben werden. Doch vielen Verbraucher ist der Unterschied zwischen Garantie, Gewährleistung und Umtauschrecht nicht bekannt.
  • Probleme gibt es vor allem, wenn Produkte im Internet oder im Ausland gekauft werden - doch auch hier handeln Verkäufer nicht im rechtsfreien Raum.

Von Steve Przybilla

Es hatte so vielversprechend geklungen: hübscher Gebrauchtwagen, fairer Preis, ein echtes Schnäppchen. Doch das Auto, das der deutsche Käufer bei einem lettischen Händler erwarb, offenbarte schon nach kurzer Zeit Macken. Ein klarer Reklamationsfall, dachte der Kunde. Doch da ließ der Geschäftsmann nicht mit sich reden. Gewährleistung hatte er im Vertrag explizit ausgeschlossen. Dass so etwas rechtlich gar nicht möglich ist, wer weiß das schon. Gerade bei grenzüberschreitenden Geschäften und im Online-Handel ist die Dunkelziffer geprellter Kunden hoch. Schließlich gibt sich niemand gerne die Blöße, beim Einkaufen übers Ohr gehauen worden zu sein.

Der Fall mit dem Auto liegt gerade beim Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz (ZEV), das im baden-württembergischen Kehl ansässig ist. Das ZEV ist so etwas wie eine Verbraucherzentrale auf EU-Ebene: eine Stelle, an die sich Kunden wenden können, wenn es Ärger bei grenzüberschreitenden Geschäften gibt. Unter welchen Bedingungen ein Händler seine Ware zurücknehmen muss, ist zumindest EU-weit geregelt. 1994 wurde dafür die erste "Verbrauchsgüterkaufrichtlinie" beschlossen. Später folgte die "Verbraucherrechte-Richtlinie 2011/83/EU", die dann in nationales Recht umgesetzt wurde. Nur: Immer wieder gelingt es dubiosen Geschäftemachern, sich aus der Verantwortung zu stehlen, weil Kunden ihre Rechte nicht kennen.

In der Praxis kommt es oft zu Missverständnissen

Im Herbst 2014 wollten die Europäischen Verbraucherzentralen herausfinden, wie Händler in der Praxis mit Gewährleistungsfällen umgehen. In einer groß angelegten Studie nahmen sie 342 Stichproben in 25 Ländern. Das Ergebnis war ernüchternd: Drei Viertel der getesteten Online-Shops und zwei Drittel der Ladengeschäfte gaben unbefriedigende Auskünfte. Das gesetzliche Gewährleistungsrecht wurde nur in 50 von 202 Fällen in der Produktbeschreibung erwähnt.

Garantie? Gewährleistung? Umtauschrecht? Außerhalb einer Kanzlei jongliert wohl kaum jemand täglich mit diesen Begriffen. Gerne werden sie auch von Verkäufern absichtlich vermischt, um Kunden eine kostenpflichtige Zusatzgarantie schmackhaft zu machen. Oder um sich aus der Verantwortung zu stehlen. So mehrten sich etwa die Fälle von iPhone-Besitzern, die im "Apple-Store" abgewiesen werden, wenn ihr Gerät nach mehr als zwölf Monaten kaputt geht. Das Unternehmen bietet auf seine Produkte nur ein Jahr Garantie. Dass trotzdem die gesetzliche Gewährleistung von zwei Jahren greift, wird dabei gerne mal vergessen, berichten die Berater aus dem ZEV.

Kundenrechte

Gewährleistung: Die zweijährige Gewährleistung (bei gebrauchten Geräten: ein Jahr) greift, wenn ein Produkt nicht der Beschreibung entspricht oder defekt ist. Bei Mängeln, die in den ersten sechs Monaten auftreten, liegt die Beweislast beim Verkäufer. Danach muss der Kunde beweisen, dass der Mangel beim Kauf vorhanden war. In der Gewährleistungszeit muss der Verkäufer die Ware reparieren oder umtauschen - oder das Geld erstatten. Garantie: Oft bieten Händler kostenpflichtige Garantien an, die über die Gewährleistung hinausgehen. Verbraucherschützer warnen, dass sich diese nicht immer lohnen. Manche bieten kaum mehr als die ohnehin vorgeschriebene Gewährleistung. Hilfe: Bei Einkäufen in Deutschland beraten die Verbraucherzentralen (www.verbraucherzentrale.de), bei Internetgeschäften hilft der Online-Schlichter (www.online-schlichter.de). Für grenzüberschreitende Einkäufe innerhalb der EU ist das Europäische Verbraucherzentrum (ZEV) zuständig: www.cec-zev.eu

Steve Przybilla

Nicht alle verärgerten Kunden sind im Recht

Europäische Verbraucherschützer sind gefragt

Je stärker der Wirtschaftsraum Europa zusammenwächst, desto mehr Arbeit wartet auf die europäischen Verbraucherschützer. Rund 12 000 Beschwerden haben sie im vergangenen Jahr bearbeitet; die Zahl der Anfragen lag noch einmal um ein Vielfaches höher. "Beim grenzüberschreitenden Handel gibt es oft die gleichen Probleme wie im Inland", sagt ZEV-Jurist André Schulze-Wethmar. Immer wieder ärgerten sich Kunden über Ware, die schon beschädigt geliefert und dann nicht mehr zurückgenommen werde - oder nur gegen Gebühr. "Dabei ist gesetzlich genau geregelt, dass der Händler den Versand übernehmen muss", erklärt Schulze-Wethmar. Immerhin: Zwei Drittel aller Fälle kann das ZEV lösen.

Doch längst nicht immer sind verärgerte Kunden auch im Recht. "Nicht jeder Defekt ist gleich ein Mangel", sagt Schulze-Wethmar. So hätten zum Beispiel vier Niederländer eine Asien-Reise über einen deutschen Veranstalter gebucht. Vor Ort seien verschiedene Ausflüge nicht angeboten worden. Die geforderte Reisepreisminderung wies der Veranstalter trotzdem ab - zu Recht, wie ZEV-Jurist Schulze-Wethmar meint. Denn die Kunden hatten ihre Beschwerde erst nach einem Monat reklamiert und damit die Frist verpasst. Wieder so ein Fallstrick, den kaum jemand kennt. Noch komplizierter wird die Sache dadurch, dass es trotz aller EU-Richtlinien eben doch kleine Unterschiede zwischen den Ländern gibt.

So können sich Kunden etwa in Tschechien nicht nur auf die Gewährleistung, sondern auf eine gesetzliche Garantie berufen. Manche Staaten gehen zudem deutlich über die europäischen Mindestvorgaben hinaus. In Schweden beträgt die Laufzeit der Gewährleistung drei Jahre, in Irland sogar sechs. In Finnland, Lettland und Slowenien müssen Garantien kostenlos sein. Auch die formalen Anforderungen - muss ein Verkäufer seine Garantiebedingungen im Geschäft aushängen? - variieren von Land zu Land.

Preisgefälle in der EU und Online-Handel sorgen für weitere Schwierigkeiten

Im Internet-Handel zeichnen sich weitere Probleme ab. So gilt in Frankreich eine fünfjährige Garantie für versteckte Mängel. Doch greift ein solches Gesetz auch für in Deutschland ansässige Online-Shops, die lediglich eine französische Sprachversion anbieten? "Damit haben sich schon viele Gerichte beschäftigt", sagt Schulze-Wethmar. Letztlich komme es immer auf den konkreten Einzelfall an.

Auch das Preisgefälle innerhalb der EU treibt oft absurde Blüten. "Elektrogeräte sind in Deutschland deutlich günstiger als zum Beispiel in Österreich", sagt der ZEV-Jurist. Deshalb deklarierten manche Händler ihre Produkte mit zwei verschiedenen Preisen - einmal für deutsche, einmal für österreichische Kunden. "Ein klarer Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot", so Schulze-Wethmar.

Wer nun hofft, beim traditionellen Einkauf in der Innenstadt auf der sicheren Seite zu sein, dürfte enttäuscht werden. Auch dort werden Garantie und Gewährleistung von Verkäufern gerne verwechselt. Mit Absicht oder aus Versehen? "Wahrscheinlich beides", glaubt Ineke Klaholz die sich als Juristin bei der Verbraucherzentrale NRW täglich mit derartigen Fällen befasst. "Ein solches Verhalten kann bewusste Taktik sein. Oft sind aber auch die Verkäufer nicht hinreichend geschult."

Und die Kunden? "Werden im Geschäft oft abgewimmelt", berichtet Klaholz. Besonders beliebt sei die Masche, Verbraucher schon nach sechs Monaten an den Hersteller zu verweisen, weil dieser für Garantiefälle zuständig sei. "Dabei kann man auch im Geschäft seine Rechte geltend machen", betont Klaholz. Doch dazu muss man sie erst einmal kennen.

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