Google und Verizon:Zwei Ex-Feinde öffnen das Tor zum Zweiklassennetz

Google und Verizon einigen sich, die Netzneutralität aufzuweichen. Macht das Modell Schule, könnte das Internet vor einschneidenden Veränderungen stehen.

Es ist eine Allianz zweier Firmen, die beim Thema Netzneutralität eigentlich Gegenspieler sein müssten: Die Telekommunikationsfirma Verizon und der Internetgigant Google arbeiten derzeit an einem Vorschlag, welche Regeln bei datenintensiven Anwendungen im Netz wie Video oder Telefonie in den USA angewandt werden sollen.

Google Verizon Netzneutralität

Logos von Google und Verizon: Allianz zweier Gegenspieler.

(Foto: Fotos: AP / Grafik: sueddeutsche,Fotos: AP / Grafik: sueddeutsche.de)

Das Thema brennt vielen Firmen, aber auch Aktivisten auf den Nägeln. Denn die Datenmengen im Internet werden immer größer, während die Bandbreite vor allem in Mobilnetzen ihre Grenzen erreicht, wie Nutzer von Smartphones in Städten wie San Francisco oder New York täglich schmerzvoll erfahren.

Bei der Frage der Netzneutralität, also der Gleichbehandlung aller Datenarten, stehen sich zwei Interessensgruppen gegenüber: Auf der einen Seite sind die Netzbetreiber, in den USA etwa Verizon, AT&T oder Comcast, die Milliarden in den Ausbau der Leitungen investiert haben. Sie wollen die Investitionen wieder reinholen. Zudem sollen normale Internetnutzer nicht unter den gigantischen Datenmengen von Vielnutzern leiden.

Auf der anderen Seite stehen die Anbieter von Dienstleistungen wie Skype oder das zu Google gehörende Videoportal YouTube, das mit seinen zunehmend hochauflösenden Filmen eine immer größere Bandbreite benötigt, um flüssiges Sehvergnügen zu garantieren. Diese Firmen befürchten, dass die Netzbetreiber bald Extragebühren von ihren Kunden kassieren könnten, wenn sie viele Gigabytes an Daten aus dem Netz saugen.

Nun haben Google und Verizon einen gemeinsamen Entwurf vorgelegt, wie sie den Datenverkehr künftig regeln möchten. Dabei bekennen sie sich zur Netzneutralität, eröffnen in Nebensätzen jedoch Schlupflöcher, die Online-Bürgerrechtlern wenig schmecken dürfen.

Ausnahmen für neue Dienste

So soll im Festnetz-Bereich das Prinzip der Netzneutralität weiter gelten, jedoch mit einer gewichtigen Einschränkung: Ausnahmen könnten für die Entwicklung "neuer Dienste" jenseits des bisher bekannten Netzes gelten. Hier werden "Smart Grids, fortschrittliche Bildungdienste, neue Unterhaltungs- und Spielemöglichkeiten" genannt.

Die Internetfreiheits-Lobbygruppe Public Knowledge kritisiert diese Formulierung, da sie es möglich mache, fast alle neuen Dienste in diese Kategorie zu stecken. "Es könnte bei dieser Abmachung dazu kommen, dass ein Internet-Provider 90 Prozent seines Breitbandnetzes für diese priorisierten Dienste freigibt, wohingegen der Rest des Internetverkehrs nur 10 Prozent erhält."

Weiterhin kritisierten Bürgerrechtsgruppen, dass das mobile Internet ebenfalls von der Netzneutralität ausgenommen wird. Weil die Internetnutzung per Handy oder Tablet-Computer in absehbarer Zeit den herkömmlichen Internetkonsum übertreffen dürfte, könnte dieser Passus die Netzneutralität durch die Hintertür abschaffen.

Die Organisation Free Press fällt deshalb ein vernichtendes Urteil: "Dieses Abkommen könnte, wenn es von den Bundesbehörden übernommen wird, das freie Internet in eine geschlossene Plattform wie das Kabelfernsehen verwandeln." Für den Kunden könnte dies bedeuten, künftig für zusätzliche Dienste Extra-Beträge zahlen zu müssen.

Was macht die Aufsichtsbehörde?

Ob die Abmachung nun zum Einfallstor für weitere Verträge dieser Art wird oder die Aufsichtsbehörde FCC eigene Regeln durchsetzt, werden die nächsten Monate zeigen. Die Netzneutralität gehört eigentlich zu den Kernpunkten der Internet-Politik von Präsident Barack Obama.

Auch in Deutschland diskutiert man schon länger über das Thema. Die Bundesregierung vertraut zunächst auf die Selbstregulierung des Marktes. So heißt es im Koalitionsvertrag: "Wir vertrauen darauf, dass der bestehende Wettbewerb die neutrale Datenübermittlung im Internet und anderen neuen Medien (Netzneutralität) sicherstellt, werden die Entwicklung aber sorgfältig beobachten und nötigenfalls mit dem Ziel der Wahrung der Netzneutralität gegensteuern."

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