Google Street View:Nur Deutschland meckert

Noch in diesem Jahr startet Google seine 360-Grad-Straßenansicht Street View in Deutschland. Zugeständnisse und ein Gutachten sollen Kritiker besänftigen, doch Fragen bleiben.

Johannes Kuhn

Auf dieser Seite des Atlantiks ist alles anders. Während Google vor Produktpräsentationen in den USA meist mit wohlwollender Vorfreude rechnen kann, schlägt dem Internetkonzern in Europa bei neuen Diensten reichlich Skepsis entgegen.

Noch bevor Google im Laufe dieses Jahres seinen Dienst Street View für Deutschland startet, steht das Unternehmen heftig in der Kritik. Street View zeigt bereits heute 360-Grad-Bilder fast aller Straßenzüge der USA und einiger europäischer Länder, durch die der Nutzer per Mausbewegung fahren kann. Hierzulande sind seit 2008 Google-Fahrzeuge mit integrierter 360-Grad-Kamera unterwegs, um Straße für Straße zu scannen.

Die Panoramabilder werden mit Geodaten - also den genauen Längen- und Breitengraden - versehen und zu einem riesigen Städtepuzzle zusammengefügt. Die Nutzer sollen nicht mehr langweilige Stadtpläne vor sich haben, sondern einen realistischen Spaziergang durch Straßen machen können - mit Menschen, Autos und Gebäuden.

Der Gedanke, dass bald jedes deutsche Haus samt Garten im Internet zu finden ist, stößt jedoch auf Ablehnung: Die Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) forderte Google jüngst auf, die Zustimmung jedes Hauseigentümers einzuholen, Gemeinden wie Ratingen möchten vom Unternehmen für seine Fotoreise durch die Stadt Geld.

Google wies auf einer Pressekonferenz am Dienstag die Kritik zurück. "Es ist schwer, einem Unternehmen zu untersagen, einen Dienst zu launchen, wenn dieser legal ist", sagte Arnd Haller, Leiter der Rechtsabteilung bei Google Deutschland. Das Unternehmen mache automatisch aufgenommene Gesichter und Autokennzeichen vor der Veröffentlichung unkenntlich.

Gutachten bestätigt Google

Ein im Auftrag des Unternehmens erstelltes Gutachten des Instituts für Rechtsinformatik Hannover bestätigt die Konzernsicht: Demnach handele es sich bei den Aufnahmen von Gebäuden um Sachdaten, nicht um personenbezogene Daten.

Weil das Unternehmen den Bürgern auf seiner Seite die Möglichkeit gebe, bereits vor Veröffentlichung einer Außenausnahme ihres Hauses Widerspruch einzulegen, tue das Unternehmen den Datenschutzgesetzen genüge, heißt es. Street View sei deshalb "datenschutzrechtlich unbedenklich".

Kritiker sehen dies allerdings anders: So ist die Aufnahmekamera in einer Höhe von 2,50 Meter angebracht und kann damit beispielsweise Gärten fotografieren, die für die Sicht von Menschen von der Straße durch Mauern oder Pflanzen abgeschottet sind. Ein Finne verklagte Google jüngst, weil in Street View zu sehen war, wie er ohne Hose in seinem Garten saß. Das unkenntlich gemachte Gesicht half ihm dabei wenig, klagte er.

Auch die Novelle des Bundesdatenschutzgesetzes könnte Street View unterlaufen: Ab 1. April wird das sogenannte Geoscoring, also die Ermittlung der Kreditwürdigkeit eines Bürgers anhand seines Wohnortes, eingeschränkt. Demnach dürfen Anschriftendaten hierfür nicht mehr ausschließlich genutzt werden - die Auswertung von Bildern wie den Aufnahmen von Google Street View ist aber nicht geregelt. Bei der Ermittlung meiner Kreditwürdigkeit dürfte deshalb künftig auch eine Rolle spielen, welchen Eindruck die Straße, in der ich wohne, in Street View macht.

Auf seiner Seite veröffentlicht Google, wo das Street-View-Auto in den nächsten Monaten Aufnahmen machen wird. Dies, so betonen die Google-Vertreter, sei weltweit einmalig. Es könnte zu wenig sein, um die kritischen Deutschen vom Segen des Dienstes zu überzeugen.

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