Google:Nadelöhr des Weltwissens

Wie neutral kann eine Information sein, wenn ein De-facto-Monopolist die elektronische Recherche ausführt? Die meisten Deutschen geben sich der Marktmacht von Google allzu unbedarft hin.

Bernd Graff

Stellen Sie sich bitte vor, dass der Zugang zur Welt ein Nadelöhr wäre. Und dass dieses Nadelöhr in Händen einer Macht wäre, die selbständig, jedoch im Geheimen, regelt, was die Welt hinter dem Nadelöhr anzubieten hat. Und jetzt stellen Sie sich bitte vor, dass Sie von der Schleuse und dem filternden, ordnenden Torwächter nichts bemerken, sondern sein Ensemble für die vollständige Welt halten, die man eben durch so ein Nadelöhr unter harmlos kunterbunten Buchstaben betreten muss. Wenn Sie das alles denken können, dann sehen Sie, wie unbedarft die Deutschen mit dem börsennotierten Unternehmen Google umgehen.

Google: Google: Monokultur der Suche

Google: Monokultur der Suche

(Foto: Foto: Reuters)

Die Seiten der Dienste, die Google offeriert, werden von den meisten Deutschen gerne angesteuert. Keine andere Palette von Internetservices wird häufiger genutzt - selbst die von Ebay nicht. Und wenn in Deutschland etwas im Internet gesucht und dazu eine Suchmaschine angesteuert wird, dann trägt diese, so das Web-Barometer von Webhits.de im April 2008, zu 90 Prozent zwei "g" und zwei "o" im Namen. Das sind Werte, die man von Wahlergebnissen totalitärer Regime her kennt. Würden klassische Medien mit einer solchen Konzentration und solchen Quoten aufwarten, müsste man vor Meinungsmonopolen warnen. Und würde Alarme genug vernehmen.

Denn wie neutral und unbelastet kann das Auffinden einer Information sein, wenn ein De-facto-Monopolist die elektronische Recherche ausführt, aber ein sorgsam gehütetes Firmengeheimnis daraus macht, wie er die gefundenen Informationen in seinen Trefferlisten aufbereitet? Denn im Extremfall, und Deutschlands Suchende schaffen mit ihrer Google-Monokultur ein Extrem, gilt dann: Was Google nicht findet, das existiert auch nicht.

Selektion als Restriktion

Nun könnte man meinen, das Problem Google löse sich, wenn nur - wie auch immer - gewährleistet würde, dass wirklich alle Informationen im Netz von Google auch gefunden und gelistet würden. Ein Trugschluss. Denn nicht Restriktion ist das Problem der Suchmaschinen heute, sondern Selektion: Google etwa findet ja nicht nur, es sortiert seine Fundsachen nach einer mathematisch fundierten Treffer-Relevanz, dem PageRank.

Das Informationszeitalter indes trägt schwer an einem Paradox, das der amerikanische Soziologe Orrin E. Klapp bereits 1982 beschrieben hat. Der Wissenschaftler nennt es das Fehlen von Bedeutung in Informationen. Während die absolute Menge an verfügbarer Information steige, sinke der Anteil an bedeutungsvollem Wissen ("meaning"). Daraus folge: "Wir verfügen über immer mehr Informationen, von denen wir nicht wissen, was wir damit anfangen sollen."

Alle Suchmaschinen, nicht nur Google, suggerieren mit ihren Trefferlisten, dass sie Informationen nach Relevanz vorsortiert haben: Was zuerst erscheint und oben steht, ist mutmaßlich relevanter als das, was auf der 15. Trefferseite ganz unten gelistet wird. So schließt sich die Frage an, inwiefern die Finde-Algorithmen von Suchmaschinen suggerieren, dem Nutzer nicht bloß Information, sondern auch Gewichtung, Bedeutung und "meaning" anzubieten.

Für den telepolis-Autor Goedart Palm ist Google denn auch kein neutrales Medium einer Recherche mehr, sondern Inbegriff einer "Wissensherrschaft, der Nutzer in ihrem alltäglichen Gebrauch weitgehend unterworfen sind." Das Problem verschärft sich sogar noch, wenn man bedenkt, dass Handel mit den Spitzenplätzen in diesen Trefferlisten getrieben wird, die dann farbig gekennzeichnet sind. Das sollte verboten werden, fordert Palm, "weil das dauerhaft die Voraussetzungen einer transparenten Wissensgesellschaft demontiert." Denn, so sagt der Autor der "Google-Falle", Gerald Reischl: "Google ist keine Suchmaschine mehr, es ist ein Weltkonzern, der zum größten Händler von Informationen werden will."

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