Google-Konkurrent Cuil:Gut gemischt

Seit Montag ist die neue Suchmaschine Cuil.com online. Noch ist sie keine Konkurrenz für Google, aber sie zeigt vielversprechende Ansätze.

Helmut Martin-Jung

Jahrelang hatte Google geschwiegen. Wie viele Webseiten die Rechner des Konzerns durchkämmen, war ein Geheimnis, seit es die Firma im Jahr 2005 aufgab, diese Zahl auf ihrer eigenen Startseite zu nennen. Am vergangenen Freitag aber meldeten sich Jesse Alpert und Nissan Hajaj aus Googles Web Infrastructure Team überraschend auf dem firmeneigenen Blog zu Wort: "Wir wussten es ja schon lange", heißt es dort, "das Web ist groß." Selbst die Suchspezialisten der Firma seien aber überrascht gewesen, als die Suchroboter eine neue Rekordmarke vermeldeten: eine Billion unterschiedlicher Internet-Adressen.

Google-Konkurrent Cuil: Die neue Suchmaschine cuil.com

Die neue Suchmaschine cuil.com

(Foto: Screenshot: Cuil.com)

Wie viele dieser Adressen es wirklich in den sogenannten Index schaffen, aus dem dann die Suchergebnisse gefiltert werden, sagt Google zwar immer noch nicht. Aber es wäre naiv anzunehmen, die Zahl sei jetzt einfach so in die Welt gesetzt worden, gewürzt mit dem Zusatz, man verfüge über den umfassendsten Suchindex aller Suchmaschinen.

Qualität oder Masse?

Am Montag darauf nämlich startete "Cuil", ein Konkurrenzangebot, das damit wirbt, die größte Suchmaschine im Internet zu sein. Der Index umfasse mehr als 120 Milliarden Seiten - etwa dreimal so viele wie der von Google. Beweisen lässt sich diese Behauptung nicht, aber die Frage ist auch viel eher: Macht die Masse wirklich den Unterschied? Ist nicht viel eher die Qualität der Suchergebnisse entscheidend?

Viele Nutzer geben nämlich allgemeine oder mehrdeutige Begriffe ein, wünschen sich aber eindeutige Ergebnisse. Mit dem Begriff Wagner beispielsweise kann ein Handwerk gemeint sein, der Komponist Richard Wagner, ein Pizza-Hersteller, mehrere prominente US-Bürger wie der Schauspieler Jack Wagner und viele andere mehr.

Bei Google erhält man mit dieser unspezifischen Angabe als ersten Treffer einen Link auf Googles News-Angebot. Na klar, diese Woche haben die Festspiele in Bayreuth begonnen. Darunter jedoch wird es kunterbunt: Nächster Treffer ist ein Lackhersteller, dann eine Firma für Solartechnik, der Pizza-Fabrikant, eine Brandschutzfirma und ein Apfelweinhersteller.

Cuil löst das Problem auf ganz andere Weise. Die erste Seite zeigt nur Treffer prominenter Personen oder Institutionen des Namens. Das Wichtigste aber ist eine unscheinbare Leiste am oberen Bildschirmrand: virtuelle Karteireiter fassen Ergebnisse zu Suchen zusammen, die Cuil besonders relevant fand, beispielsweise Richard Wagner. Dass Festspielzeit ist, erfährt der Cuil-Nutzer aber auch auf dieser Übersicht nicht - und es werden ausschließlich englischsprachige Ergebnisse angezeigt.

Gut gemischt

Anders als bei Google, wo nur kurze Text-Exzerpte angezeigt werden, erweckt Cuil eher den Eindruck eines Lexikons. Die Ergebnisse erscheinen in drei Spalten auf dem Bildschirm, mit jeweils etwa zehn Zeilen Text, und jeder Eintrag verfügt über ein Bild, wenn denn auf der Webseite eines zur Verfügung steht. Rechts oben erscheint ein Kasten, der weitere Unterseiten anbietet, beispielsweise "Opern von Richard Wagner" oder "deutschsprachige Opern". Man bekommt also eine Mischung aus dem Kategoriensystem, wie es Yahoo vor Jahren mit großem Erfolg praktizierte, und Googles nahezu ausschließlich auf mathematischen Algorithmen fußender Suche.

Nutzerdaten bleiben anonym

Weil diese Algorithmen nur schwer oder gar nicht erkennen können, was der Nutzer meint, hat Google von Anfang an die Spuren seiner Nutzer in großem Umfang aufgezeichnet und ausgewertet. Wer öfter nach Opernkarten sucht, wird wohl Richard Wagner meinen, wenn er nach Wagner sucht.

Um feststellen zu können, dass es der (vermutete) Opernfan ist, der da sucht, arbeitet Google mit sehr langlebigen Cookies, kleinen Textdateien, die auf dem Rechner der Benutzer gespeichert sind und den Nutzer identifizieren, sobald er bei Google sucht. In jüngerer Zeit ist Google wegen dieser und vieler anderer datenschützerisch bedenklicher Vorgehensweisen erheblich in die Kritik geraten.

So wäre es die bessere Taktik für Cuil gewesen, ihr eigenes Verfahren in den Vordergrund zu stellen anstatt mit Masse zu werben. Cuil nämlich stellt in der Rubrik "häufige Fragen" fest, man analysiere das Web, nicht die Nutzer. Das wäre - wenn es stimmt - ein Vorteil für besorgte Nutzer. Zum anderen aber könnte die behauptete Methode, man grabe tiefer in den Inhalten von Internetseiten, tatsächlich mehr Qualität bringen.

Derzeit ist Cuil, das gerade 30 Menschen beschäftigt, noch keine Konkurrenz, aber unter den vielen, die schon gegen Google antreten wollten, ein ernstzunehmender Versuch. Schließlich hat Google auch zehn Jahre gebraucht, bis es so gut war wie heute. Gut möglich auch, dass sich weniger Google fürchten muss als seine Konkurrenten Yahoo, Ask und vor allem Microsoft.

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