Google-Gründer: Larry Page:Durchgeknallt

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In wenigen Tagen übernimmt bei Google der Mitgründer wieder die Chefrolle. Larry Page lebt seine verrückten Träume aus. Das Problem: Er steht sich selbst im Weg.

Thorsten Riedl

Was Larry Page mag: mit Programmierern über Bits und Bytes reden. Seinen Traum vom Auto ohne Fahrer weiterspinnen. Alle Bücher der Welt digitalisieren. Mit was der Google-Gründer weniger gut klarkommt: mit Konferenzen. Mit Ansprachen vor Journalisten. Mit Politikern reden. Alles in allem ist das eine volle Agenda.

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An all das wird sich der 38-Jährige gewöhnen müssen. Von Montag an übernimmt Page als Vorstandschef die Führung des Konzerns rund um die weltweit größte Suchmaschine. Eric Schmidt, 55, zieht sich dann in den Verwaltungsrat zurück. "Aufsicht eines Erwachsenen nicht mehr nötig", schrieb er, als die Personalie publik wurde. Doch genau diese Kontrolle könnte Page zu Beginn fehlen. Es gibt viele Baustellen bei Google. Die größte ist Larry Page selbst.

Mitte der neunziger Jahre lernten sich Page und Sergey Brin an der US-Eliteuniversität Stanford kennen. Beide arbeiteten daran, eine leistungsfähige Suchmaschine für das Internet zu entwickeln. Damals dominierte Yahoo: Dort katalogisierten Angestellte das Web von Hand.

Die beiden Stanford-Doktoranden setzten auf einen mathematischen Code. 1998 stellten sie google.com ins Netz - und schrieben so Geschichte. Rivalen hat die Wunderfirma der digitalen Wirtschaft längst abgehängt. Page und Brin haben Google gegründet, doch für das Management holten sie einen Dritten: Eric Schmidt. Als der Manager vor zehn Jahren zu Google kam, hatte er schon fast zwei Jahrzehnte in der IT-Industrie gearbeitet, unter anderem beim Softwarekonzern Novell. Schmidt brachte die Kontakte mit, die den beiden jungen Gründern fehlten - und das Wissen, wie es im täglichen Geschäftsleben zugeht.

Stets war es Schmidt, der die Hand hob, wenn Page mit seinen Ideen zu weit ging - zuletzt als Google das Geschäft in China zu großen Teilen einstellte. Page war es, der im vergangenen Jahr den Rückzug aus dem größten Markt der Welt verlangte,, Grund: die Zensurbestimmungen der Behörden dort. Brin unterstützte ihn, berichtet Ken Auletta, Journalist beim New Yorker und Autor eines Google-Buchs.

Die Gründer setzten sich durch. Die Schlappe sei einer der Hauptgründe, wieso Schmidt als Chef geht - fast anderthalb Jahrzehnte vor dem geplanten Ausstieg. Vor dem Börsengang 2004 hatte das Trio aus Brin, Page und Schmidt noch per Handschlag geregelt, für 20 Jahre zusammenzuarbeiten.

Those were the days. Das waren andere Zeiten.

Damals war Google das enfant terrible im Netz. Mit Online-Werbung verdiente das Unternehmen prächtig. Und die Google-Entwickler machten sich einen Spaß daraus, nebenbei Produkte zu entwickeln, um die Konkurrenz von Yahoo, IBM und mit Vorliebe Microsoft zu ärgern. Die besten Köpfe gingen zu Google. Heute gilt es als Erfolg, wenn der Konzern einen wie James Gosling anwirbt, Erfinder einer wichtigen Handy-Software. Was er bei Google mache solle, wisse er selbst noch nicht genau, verkündet der neue Mitarbeiter.

Die größte Furcht von Google ist heute, selbst etabliert zu sein. So eine Art Microsoft zu werden. Beide Rivalen führen in ihrem Bereich, der sie finanziell unabhängig macht - hier die Suche im Internet, dort Computersoftware. Die Macht ist so groß, dass Politik und Wettbewerbsbehörden aufmerksam geworden sind. Microsoft hat schon Milliarden-Strafen aufgebrummt bekommen, bei Google läuft das Kartell-Verfahren noch.

Neue Ideen aber kommen jetzt von anderswo, von Facebook beispielsweise, dem neuen Wunderkind im Internet. Zu dem sozialen Netz wandern die begabtesten Entwickler. Larry Page hat das erkannt - und kann doch bei Social Media nichts bieten.

Der Google-Chef will die Schlagkraft erhöhen und seine Firma in die kreative Kultur der Startup-Phase zurückführen. In die Zeit, als Page schon mal Chef war - damals von 200 Mitarbeitern. Heute stehen weltweit fast 25000 auf der Payroll. Öffentlich hat sich der neue alte Google-Chef zur Strategie noch nicht geäußert. Intern aber hat Page alle Abteilungsleiter gebeten, ihm ihre aktuellen Vorhaben per E-Mail zu senden. In höchstens 60 Worten sollen sie darlegen, was sie aus welchen Gründen machen.

Verschrobene Firmenlenker sind in der IT-Branche keine Seltenheit: Leute wie Larry Ellison, Gründer von Oracle. Oder Steve Jobs, Mitgründer von Apple. Mark Zuckerberg, der Multi-Milliardär von Facebook mit 26 Jahren; und natürlich Bill Gates, Gründer von Microsoft. Oft aber halfen findige Manager.

Larry Page muss ab 4. April alleine klarkommen. Das Scheinwerferlicht hat er sich selbst gewählt. Vorgänger Schmidt agiert nur noch im Hintergrund, Mitgründer Brin kümmert sich um "Spezialprojekte". Vor Studenten hat Page einmal gesagt, es sei oft leichter an "mega-ehrgeizigen Träumen" zu arbeiten. "Ich weiß, das klingt total durchgeknallt. Aber, weil sonst niemand so verrückt ist, es zu tun, gibt es wenig Wettbewerb." Das kann er jetzt ausleben.

© SZ vom 30.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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