Google "Chrome":Neues Web-Werkzeug

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Das neueste Google-Produkt soll die Browserwelt revolutionieren. Der Browser ergänzt das Mosaik um ein weiteres Steinchen.

Alexander Stirn

Google will nicht länger nur bestimmen, welche Ergebnisse Internetnutzer bei der Suche im Netz zu sehen bekommen. In Zukunft möchte der Konzern auch das Programm liefern, mit dem Menschen im Web unterwegs sind: Am Dienstag hat das kalifornische Unternehmen einen eigenen Browser namens Chrome vorgestellt, mit dem es die Konkurrenz von Microsoft und Firefox direkt angreift. Vor allem soll die neue Software Google aber helfen, die Grenzen zwischen Computer und Internet mehr und mehr verschwinden zu lassen.

Google-Neuheit: Mit Chrome durchschreitet Google das Tor in eine neue Ära und bietet neue kostenlose Services zur Nutzung überall und jederzeit. (Foto: Foto: AFP)

"Den meisten Leuten ist ihr Browser ziemlich egal. Er ist nur ein Werkzeug, um die wirklich wichtigen Dinge wie Webseiten und Anwendungen aufzurufen", schreiben die Chrome-Entwickler in ihrem Weblog. Deshalb sei der Google-Browser bewusst einfach und schnell gehalten worden. Unter der glatt polierten Oberfläche sieht das allerdings ganz anders aus. In früheren Zeiten waren Browser darauf ausgelegt, Textseiten anzuzeigen und mit nur einem Mausklick von einem Dokument zum nächsten zu navigieren.

Heute laufen in den Fenstern komplette Programme ab. Vor allem Google hat es darauf abgesehen, mit seinen Web-Applikationen die herkömmliche Bürosoftware obsolet zu machen: Der Konzern aus dem Silicon Valley bietet Mailprogramme und Kalender an, die im Webbrowser aufgerufen werden können und nicht mehr auf der Festplatte installiert werden müssen. Auch Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und Präsentationssoftware laufen bereits im Google-Web - kostenlos und von jedem Computer zu erreichen, egal wo er steht.

Ein Mosaik der Benutzerfreundlichkeit

Aktuelle Browser sind darauf nicht so recht vorbereitet. Oftmals fühlt sich die Arbeit mit den komplexen Programmen träge an, nicht alle gewünschten Funktionen lassen sich umsetzen. Mit Chrome will Google diese Beschränkungen aufheben: Eine neue Variante der Programmiersprache Javascript, die vielen Web-Anwendungen zugrundeliegt, soll leistungsfähigere Anwendungen ermöglichen. Wie andere Browser auch, kann Chrome mehrere Webseiten parallel öffnen und diese in Form von Karteikarten, so genannten Tabs, übereinander anzeigen. Bei der Google-Variante wird jedes Tab allerdings separat kontrolliert.

Stürzt eine Anwendung ab muss nur deren Karteikarte und nicht der komplette Browser geschlossen werden. Mit den anderen geöffneten Seiten kann weiter gearbeitet werden. Selbst wenn die Verbindung gestört ist, sollen die Internet-Anwendungen weiter laufen.

Den Rest der Neuerungen hat man in ähnlicher Form bereits bei anderen Browsern gesehen. So soll Chrome auf Wunsch beim Start ein Mosaik mit den aktuellen Inhalten der am häufigsten besuchten Webseiten des Nutzers liefern - so dass die Surfer gleich losklicken können. Wenn Nutzer eine Webadresse in die Adressleiste des Browsers eingeben, unterbreitet Chrome noch beim Tippen passende Vorschläge; darunter sollen nicht nur zuvor besuchte Seiten fallen, sondern auch Empfehlungen zu populären Webangeboten.

Eine im Hintergrund aktualisierte Liste mit potentiell schädlichen Webseiten soll Surfer warnen, sobald sie eine gefährliche Adresse aufrufen. Zudem will es Chrome seinen Nutzern in einem speziellen Modus ermöglichen, weitgehend spurenlos durchs Netz zu surfen. Dabei sollen alle Eingaben und Dateien, die normalerweise beim Besuch einer Webseite anfallen, nicht wie sonst üblich auf dem eigenen Computer gespeichert werden.

Fehlerhafte Vorabversion

Angeblich zwei Jahre Arbeit sollen in dem Projekt stecken. Der Programmcode kann von jedem eingesehen, genutzt und weiterentwickelt werden. Google hofft, auf diese Weise dem bisherigen Platzhirsch auf dem Browser-Markt, dem Internet Explorer von Microsoft, wichtige Marktanteile streitig zu machen. Derzeit setzen 72 Prozent der Webnutzer den Internet Explorer ein. Auf Platz zwei folgt der von einer großen Gruppe ehrenamtlicher Programmierer entwickelte Firefox der Mozilla-Stiftung - mit der Google ebenfalls verbunden ist: Gerade erst haben die beiden Anbieter ihre Zusammenarbeit bekräftigt.

Der Kooperationsvertrag sieht vor, dass Google auch weiterhin die Standard-Suchmaschine unter Firefox bleibt, wodurch viele Millionen Nutzer täglich auf den Seiten des Konzerns landen. Mehr als 50 Millionen Dollar pro Jahr soll Google die Zusammenarbeit Wert sein - etwa 85 Prozent der gesamten Mozilla-Einkünfte. Den Rest des Browsermarktes teilen sich das Apple-Programm Safari, der norwegische Opera-Browser und andere kleine Angebote.

Noch handelt es sich bei Chrome um eine Vorabversion, die Fehler enthalten kann und nicht alle Webseiten korrekt anzeigt. Das Projekt soll aber Stück für Stück vorangetrieben werden. "Dies ist erst der Anfang, Google Chrome ist bei weitem noch nicht fertig", schreiben die Entwickler. Es klingt fast wie eine Drohung.

© SZ vom 03.09.2008/gut - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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