Gesichtserkennung beim Einkaufen:Vorsicht Kamera

Wer einkauft, wird gefilmt: Mit Kameras wollen Start-ups Gesichtsausdrücke von Menschen beim Shoppen erfassen. Die Gefühle des Kunden werden messbar.

Von Kathrin Werner, New York

Ken Denman zieht Grimassen. "Ich mache jetzt mal einen großen Gesichtsausdruck der Freude", sagt er und strahlt in seine Laptopkamera mit breitem Grinsen. "Oft sind Gesichtsausdrücke natürlich ein bisschen schneller." Denman lässt seine Mundwinkel ganz kurz nach oben zucken. Der Laptop reagiert, der grüne Streifen, der Freude misst, zuckt nach oben wie eine Herzfrequenz-Messung.

Wenn es stimmt, was Denman hier auf der Start-up-Konferenz in San Francisco erzählt, sieht so die Zukunft des Handels aus. Supermärkte oder Bekleidungsketten könnten Kameras vor den Regalen und Kleiderständern installieren und mit der Software von Denmans Start-up Emotient direkt erfahren, was die Kunden denken und fühlen. Emotient misst sieben sogenannte Primär-Gefühle: Ärger, Geringschätzung, Ekel, Angst, Freude, Traurigkeit und Überraschung - und Mischungen dieser Emotionen. Komplizierte Algorithmen messen Mimik wie zusammengekniffene Lippen oder hoch gezogene Augenbrauen. Wenn man also am Shampoo schnuppert und es stinkt, können die Supermarkt-Mitarbeiter es aus den Regalen nehmen. Oder wenn man über den niedrigen Preis einer Bluse frohlockt, kann der Laden die Preise erhöhen.

Maschinen lesen Gefühle ab

Emotient gibt es seit 2012. Sechs Doktoranden der University of California in San Diego haben das Unternehmen gegründet, alle haben zu verwandten Themen an der Uni geforscht. Das Start-up arbeitet auch an einer App, die auf der Datenbrille Google Glass laufen soll, es gibt schon eine Testversion, die recht gut funktioniert, sagt Denman. Dann kann man mit der Datenbrille die Gefühle des Menschen gegenüber ablesen - und Maschinen könnten das oft zuverlässiger als Menschen, die von ihren eigenen Emotionen beeinflusst werden.

Im Februar hat das kleine Unternehmen seine zweite Finanzierungsrunde abgeschlossen und sechs Millionen Dollar bei Wagniskapitalgebern eingesammelt. Ein Großteil des Geldes stammt von Handbag, einer Venture-Capital-Firma, die der Silicon-Valley-Investor Seth Neiman gegründet hat. Zuerst will sich das Unternehmen auf die Handelsbranche konzentrieren; aber auch andere Bereiche, etwa Werbung und die Gesundheitswirtschaft, seien langfristig interessant. "Die Fähigkeit, in Echtzeit Kundengefühle zu messen und dann Konsequenzen für Kundenbetreuung, Produkte und Merchandising zu ziehen, ist eine riesige Chance für Geschäfte, sich besser zu fokussieren und so die Verkäufe anzukurbeln", sagt Denman.

Wenn das Unterbewusstsein spricht

Für Einzelhändler seien Informationen über die Gefühle der Shopper vor den Regalen entscheidend, sie geben bessere Auskünfte als Kundenbefragungen. Oft könne man Gefühle im Gesicht nur für den Bruchteil einer Sekunde ablesen, weil wir unsere Gefühle so schnell verdecken, sagt Denman. "Was wir sagen und was wir tun, sind zwei verschiedene Dinge." Dafür gebe es natürlich viele Gründe, aber: "Wichtig ist, dass wir einfangen können, was Leute wirklich denken und fühlen." Darum sei es wichtig, dass die Software blitzschnell arbeitet, "wenn unser Unterbewusstsein spricht und wir die Kaufentscheidungen treffen".

Es gibt bereits einige Kritik an Unternehmen wie Emotient und den Gefahren des Missbrauchs der Software für die Gefühlserkennung. Technik entwickelt sich meist deutlich schneller als Regulierung, bisher hat der Gesetzgeber kaum auf Möglichkeiten der Gesichtsemotion-Erkennung reagiert.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: