Gekaufte Facebook- und Twitter-Profile:Falsche Freunde für ein paar Cent

Die CDU hat es möglicherweise getan, Mitt Romney auch. Wer nicht genug Freunde hat, kauft sich einfach welche für seine Social-Media-Kanäle von Twitter bis Facebook. Doch was bringt die gekaufte Aufmerksamkeit - außer Häme?

Mirjam Hauck

Rund 90.000 neue Follower an einem Tag konnte der republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney kürzlich auf seinem Twitterkanal begrüßen. 5000 neue Fans waren es innerhalb von drei Tagen bei der CDU. Beide Accounts konnten die neuen Fans gebrauchen, hinken doch sowohl Romney als auch die CDU ihren direkten Konkurrenten weit hinterher. Barack Obama hat 17 Millionen Follower, sein republikanischer Kontrahent gerade mal etwas mehr als 800.000. Der CDU folgen gut 22.000, der SPD etwa 27.000 Follower.

File photo of the sun rising behind the entrance sign to Facebook headquarters in Menlo Park

Ein echtes oder ein gekauftes "Like"?

(Foto: REUTERS)

Bei dieser plötzlichen tausendfachen Vermehrung der Fans könne nur Geld im Spiel sein, gekaufte Fans oder gleich Fake-Profile, mutmaßen Blogger. Romney und die CDU bestreiten allerdings, Twitter-Fans gekauft zu haben.

Aber nicht nur beim Kurznachrichtendienst gibt es Fälle wundersamer Anhängervermehrung. So fiel dem Spiegel auf, dass beispielsweise die Facebook-Unternehmensseiten der Käserei Hochland und der Werkstattkette Pit Stop in kurzer Zeit auffällig viele neue Freunde angezogen haben.

Günstiger Paketpreis

Tatsächlich gibt es zahlreiche Agenturen, bei denen sich Facebook-Fans und Twitter-Follower kaufen lassen, und das zum günstigen Paketpreis. 1000 Fans gibt es für 100 Euro, bei 10.000 gibt's Mengenrabatt. Hier liegt der Preis dann bei 800 Euro. Twitter-Follower sind günstiger: Das Eintausender-Paket gibt es für unter 100 Euro, 10.000 sind gar für 250 Euro zu haben.

Diese Schnäppchenpreise für Fans und Follower erklärt Philipp Roth von der Marketing-Website Allfacebook.de damit, dass es eben nur ein Klick Aufwand sei, um eine Seite zu liken oder einem Account zu folgen. Zudem seien dies einfach häufig Fake-Accounts. Bei der CDU hatten die neuen Follower beispielsweise Namen wie @ykKOMIENSIMMIE oder @eoWebKinzPopxoen, bei Romney hatten die neuen Freunde zwar meist amerikanisch klingende Namen, viele davon allerdings das gleiche Profilbild.

Es müssen aber nicht immer falsche Profile sein, die für den Zuwachs im Netz sorgen. Laut Roth kann das auch auf echten Nutzern basieren. Vor allem in Pakistan, Indonesien und Ägypten können sich Internetnutzer so derzeit etwas Geld verdienen. Aber auch hierzulande gibt es User, die für ein paar Cent ihr Profil verkaufen. Es muss aber nicht immer Geld im Spiel sein. "Agenturen 'bezahlen' auch einfach nur mit Bonuspunkten oder neuen Leveln bei Spielen für Likes von Unternehmensseiten", sagt der Schweizer Social-Media-Experte Thomas Hutter.

Fünf bis sechs Prozent Fakes

Facebook selbst schätzt, dass fünf bis sechs Prozent der derzeit rund 900 Millionen Profile falsch sind. Das Unternehmen verurteilt den Handel mit Fans und Freunden, so ein Sprecher. Man prüfe solche Hinweise selbstverständlich. Und: "Facebook hält sich dabei die Möglichkeit offen, gegen Firmen und Marken, die den Kauf oder Verkauf von Fans unterstützen, rechtlich vorzugehen."

Bei Twitter können User selbst recht einfach melden, wenn sie Accounts für Spam und damit für Fakes halten. Zudem, erklärt die Sprecherin Rachel Bremer, arbeite das Unternehmen stetig daran, den Algorithmus zu verbessern, der die Fake-Accounts automatisch aufspürt.

"Echte Nutzer haben echte Freunde"

Laut Philipp Roth ist es für die sozialen Netzwerke nicht schwer, die falschen von den echten Freunden zu trennen. Gekaufte Profile und Fakes verhielten sich komplett anders als reale Personen: "Echte Nutzer haben eben echte Freunde, mit denen sie auch wirklich kommunizieren." Facebook messe und bewerte dies. Um relevant zu wirken, brauche ein Unternehmen Interaktionen mit Nutzern: "Das bieten gekaufte Nutzer nicht, egal aus welchem Land."

Tatsächlich bringen falsche Profile nicht nur nichts, sie richten sogar Schaden an beim Unternehmen oder dem Politiker. Die mühsam aufgebaute Reputation im Netz ist so schnell weg. Der CDU war der aufgehübschte Twitter-Account derart peinlich, dass die Partei eiligst verkündete, man habe Twitter damit beauftragt, die Anmeldungen im betreffenden Zeitraum zu überprüfen und zu löschen.

Wer aber nun bei der CDU oder dem US-Präsidentschaftskandidaten die falschen Accounts beschafft hat, ist nach wie vor unklar. Waren es wohlmeinende, aber leider netzunkundige Gönner - oder doch die Konkurrenz? Denn wer seinem politischen Gegner eins auswischen oder einen Wettbewerber in Verruf bringen will, der muss sich heutzutage nicht mehr auf kriminelles Terrain begeben. Er muss keine geheimen Dossiers erstellen oder falsche Übernahmegerüchte lancieren. Es reicht völlig, für wenig Geld falsche Internetfreunde zu kaufen.

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