Geistiges Eigentum und Abmahnungen:100 Euro Höchstgebühr

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Gerät die Maschinerie der Abmahnanwälte ins Stocken? Das könnte eine Auswirkung des neuen Gesetzes zum Schutz des geistigen Eigentums sein, das der Bundestag heute verabschiedet hat.

Mirjam Hauck

Müssen Abmahnanwälte demnächst Hartz IV beantragen? Zumindest werden jene, die massenhaft Abmahnschreiben wegen kleinster Urheberrechtsverstöße an Privatpersonen verschicken, künftig kürzertreten müssen. Das sieht das Gesetz zur besseren zivilrechtlichen Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte vor, das der Bundestag am Freitag mit den Stimmen der großen Koalition verabschiedet hat.

Mit dem neuen Gesetz sollen Schadensersatzansprüche wirksam zivilrechtlich durchgesetzt werden. (Foto: Foto: sueddeutsche)

"Wer beispielsweise eine Website für eine Geburtstagseinladung ins Netz stellt und sich für die Beschreibung des Anfahrtsweges einen Stadtplan aus dem Netz holt, soll nicht mit hohen vierstelligen Abmahngebühren belastet werden", sagt Günter Krings, Urheberrechtsexperte der Unionsfraktion. "Das Gesetz deckelt die erste anwaltliche Abmahnung bei Urheberrechtsverstößen. Die Grenze liegt jetzt bei 100 Euro."

"Abmahnungen sind wichtig"

Allerdings gibt es diesen Schutz nur, wenn es sich um "einfach gelagerte Fälle mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung" handelt. "Wer ein komplettes Musikalbum oder einen neuen Film in Tauschbörsen zum Download anbietet, fällt nicht mehr unter die Klausel", sagt Krings. Den schlechten Ruf von Abmahnungen kann Krings zwar verstehen. "Das Instrument der Abmahnung ist aber wichtig, weil sich hier Privatpersonen untereinander einigen können, die sonst keine Handhabe gegen Urheberrechtsverstöße hätten."

Der wichtigste Inhalt des neuen Gesetzes ist - neben der Deckelung der Abmahngebühren - der Auskunftsanspruch gegenüber Dritten, die nicht an Urheberechtsverletzungen beteiligt sind. Künftig muss also die Musikindustrie nicht mehr Staatsanwälte bemühen, um an die persönlichen Daten von Tauschbörsennutzern zu kommen. Allerdings muss zunächst ein Richter entscheiden, ob Internetprovider Namen und Adressen tatsächlich herausgeben müssen. Grundlage hierfür ist das Kriterium des gewerblichen Ausmaßes. Laut Krings besteht es bereits beim Bereitstellen eines kompletten Albums oder eines neuen Films. "Wir wollen, dass das geistige Urheberrecht nicht nur auf dem Papier besteht."

Die große Koalition hat das neue Gesetz zum einen auf den Weg gebracht, um EU-Richtlinien umzusetzen. Zum anderen können jetzt "zivilrechtlich Schadensersatzansprüche wirksam durchgesetzt werden", sagt Krings. "Denn die Staatsanwaltschaften haben die Verfahren gegen Tauschbörsennutzer oftmals schnell wieder eingestellt."

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Das Gesetz stößt außerhalb der großen Koalition nicht nur auf Zustimmung. Die Juristen der Bundesrechtsanwaltskammer lehnen besipielsweise die Deckelung der Abmahngebühren ab. Für Ulrich Scharf, Vizepräsident der Bundesrechtsanwaltskammer, widerspricht das "der Intention des Gesetzes, das ja gerade die Position der Rechteinhaber verbessern will". Eine Deckelung der Abmahngebühren setze ein falsches Signal. Sie sei geeignet, den Schutz des Urhebers zu gefährden, statt zu stärken. Professor Winfried Tilmann vom Deutschen Anwaltsverein begrüßt das Gesetz grundsätzlich: "Es wurde Zeit, dass der Gesetzgeber die EU-Richtlinien endlich umsetzt." Aber auch er bemängelt wie sein Anwaltskollege die Begrenzung der Abmahngebühren. "Das trifft die Guten und die Schlechten gleichermaßen."

Kritik von der Musik-Lobby

Kritik am neuen Gesetz kommt auch von der parlamentarischen Opposition und den Lobbyverbänden. Musik- und Filmindustrie sowie der Börsenverein des Deutschen Buchhandels wollen nicht den Umweg über den Richter gehen.

Die FDP lehnt die Begrenzung der Abmahngebühr ab. "Diese Deckelung ist systemwidrig und populistisch", kritisiert die Abgeordnete Mechthild Dyckmans in der Bundestagszeitschrift Das Parlament. Die Grünen haben ein anderes Problem mit dem Gesetz, sie lehnen den Auskunftsanspruch gegenüber Dritten ab. Damit, so die Meinung des rechtspolitischen Sprechers Jerzy Montag, würden die Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums unangemessen bevorzugt.

Auch die Piratenpartei, die sich für die Freiheit von immateriellen Kulturgütern und die Entkriminalisierung von Tauchbörsennutzern einsetzt, ist gegen das neue Gesetz. Thorsten Wirth, Vorstandsvorsitzender der Piratenpartei Hessen sagt: "Die Deckelung der Abmahnkosten auf 100 Euro für einfach gelagerte Fälle ist letztlich nur Augenwischerei. Die Abmahnindustrie versteht sich darauf, jeden Fall als besonders schwerwiegend darzustellen."

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