Geheime Preisabsprachen bei E-Books:US-Regierung verklagt Apple

Apple bekommt Ärger wegen der Preise in seinem amerikanischen E-Book-Shop. Das US-Justizministerium geht mit einer Klage gegen den iPad-Hersteller und zwei Verlage vor, weil diese Preise abgesprochen haben sollen. Dabei geht es um viel Geld.

Moritz Koch, New York

Japaner verfügen über viele Kampftechniken, die in der westlichen Welt begeisterte Schüler gefunden haben. Eine solche moderne Technik ist Aikido. Ein Gegner wird vorübergehend handlungsunfähig gemacht, ohne ihn schwer zu verletzten. Es handelt sich dabei um ausgefeilte Abwehr- und Sicherungstechniken.

Dritte iPad-Generation punktet mit scharfem Display

Das iPad der dritten Generation punktet mit einem scharfem Display. Wegen geheimer Preisabsprachen bei E-Books der Computerkonzern nun von der US-Regierung verklagt.

(Foto: dpa-tmn)

So ist es kein Wunder, dass der amerikanische Hightech-Konzern Apple bei einer wichtigen, geheimen Mission auf just diesen Namen verfiel: "Aikido". Es ging um höchst vertrauliche Gespräche des Unternehmens, das damals von dem in Asien-Dingen erfahrenen Steve Jobs geführt wurde, mit den wichtigsten Buchverlegern des Landes. Diese Gespräche fanden in den Jahren 2008 und 2009 statt. Und sie handelten davon, was man gemeinsam tun könne für den Start des neuen Wunderprodukts von Apple, des iPad. Das Tablet kam dann im Jahr 2010 - mit E-Books der großen Verlagshäuser.

Ein Pakt zwischen alter und neuer Welt

Die Kooperation der Computer-Visionäre mit fünf namhaften Vertretern der altehrwürdigen Print-Branche, dieser Pakt der neuen mit der alten Welt, beschäftigt inzwischen die Justiz. Die US-Wettbewerbshüter gehen gegen den iPad-Hersteller und die Großverlage wegen Preisabsprachen bei elektronischen Büchern (E-Books) vor. Am Mittwoch ging eine entsprechende Klage beim Bezirksgericht von Manhattan ein - und das US-Justizministerium des Eric Holder lud parallel zu einer Pressekonferenz wegen einer "wichtigen Kartellangelegenheit" ein. Damit wurde klar: Die Regierung des US-Präsidenten Barack Obama legt sich mit gleich mehreren Mächtigen der amerikanischen Wirtschaft an.

Eine derartige Klage hatte sich bereits angedeutet. Das US-Justizministerium durchleuchtet seit Monaten den Markt der E-Books. Den Wettbewerbshütern stößt sauer auf, dass die Verlage in Absprache mit Apple die Preise für Titel bestimmen, die im konzerneigenen iTunes-Store angeboten werden.

Anders als in Deutschland gibt es in den USA keine Buchpreisbindung. Das hatte insbesondere der Onlinehändler Amazon ausgenutzt - und elektronische Bücher zu Kampfpreisen angeboten. Das wiederum missfiel den Verlagen.

Kartellbehörden gegen Kultkonzern

Apple, das ist der Stolz der amerikanischen Wirtschaft, der wertvollste Konzern der Welt, ein Computerhersteller, der nicht nur Spitzentechnologie vertreibt, sondern auch ein Lebensgefühl. Apple-Stores beleben verwaiste Shopping Malls und rezessionsgeplagte Innenstädte. Wunderdinger wie iPhone und iPad haben die Konsumwelt revolutioniert. Doch auch die Ausnahmestellung als Kultkonzern bietet keinen Schutz vor den amerikanischen Kartellbehörden.

Die fünf Verlagshäuser, die ebenfalls am Pranger stehen, sind ein "Who's Who" der Buchbranche. Hachette, Penguin, Pearson, Simon & Schuster, Harper Collins (ein Ableger des Konzerns von Rupert Murdoch) und Macmillan, die Tochter der Gruppe des deutschen Verlegers Stefan von Holtzbrinck, müssen sich gemeinsam mit Apple rechtfertigen.

Vor Markteinführung des iPads im Jahr 2010 war das Internetunternehmen Amazon vorgeprescht, das mit dem Lesegerät Kindle über den Markt für digitale Bücher, also für E-Books, herrschte. Sie boten die E-Books für günstige Preise an, viele Bestseller gab's für den Festpreis von 9,99 Dollar. Trotz steigender Verkaufszahlen missfiel den Verlegern dieses Modell. Sie befürchteten, dass sich Konsumenten dauerhaft an niedrige Buchpreise gewöhnen würden.

Um dem iPad zum Durchbruch zu verhelfen, einigte sich der kürzlich verstorbene Apple-Chef Jobs mit den Verlegern auf ein neues Vermarktungsmodell. Man redete zum Beispiel in diskreten Räumen des The Chefs Wine Cellar im New Yorker Restaurant Picholene. Und siehe da: Mit dem iPad wurde alles anders - und E-Books deutlich teurer. Jobs erlaubte es den Verlegern, selbst den Preis für ein digitales Buch festzulegen, unter der Bedingung, dass Apple 30 Prozent der Erlöse einbehält. Die Kartellwächter sehen darin eine illegale Preisabsprache. Die Mauschelei hätte dazu geführt, dass Käufer von digitalen Büchern etliche Millionen Dollar mehr gezahlt haben.

Experten für Wettbewerbsrecht hatten schon lange damit gerechnet, dass die Vereinbarung zwischen Apple und den Verlegern die Kartellwächter aktivieren würde. Unter Präsident Obama sind die US-Wettbewerbsbehörden viel aktiver geworden als sie es unter George W. Bush waren. Das US-Justizministerium hatte Apple und die fünf Verlage schon vor Wochen gewarnt.

Auch die Europäische Kommission hatte im Dezember ein Kartellverfahren gegen den Apple-Konzern und die fünf Verlage eingeleitet. Die EU-Kommission werde "in erster Linie untersuchen, ob die Verlage und Apple rechtswidrige Vereinbarungen geschlossen oder durch andere Verhaltensweisen Wettbewerbsbeschränkungen" in Europa "bezweckt oder bewirkt haben", hieß es damals in Brüssel.

Vor allem die Buchbranche dürfte durch die Verfahren in den USA und in Europa durchgeschüttelt werden. Die Authors Guild, die Lobby der amerikanischen Autoren, hatte das Justizministerium mit kräftigen Worten vor einer Klage gewarnt. "Die Kartellbehörden würden wahren Wettbewerb abtöten, um einen Scheinwettbewerb zu bewahren", schrieb deren Präsident Scott Turow kürzlich in einem offenen Brief. "Das wäre ein Tragödie für all jene, die den Wert von Büchern schätzen und die Kultur, die sie gedeihen lassen."

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