Gedächtnis des Internets:Verfallsdatum für Peinlichkeiten

Saarbrücker Informatiker arbeiten fieberhaft daran, Bilder und Texte im Internet künftig vergänglich zu machen. Doch ihr System hat Lücken.

Helmut Martin-Jung

Damals auf der Grillparty war es eine Riesengaudi. Nun aber, einige Jahre später, wäre es besser, die Bilder des fröhlichen Abends samt den peinlichen Kommentaren der Freunde würden nicht auftauchen, wenn ein Personalchef den Namen des Bewerbers googelt. Doch das Internet vergisst nicht.

Datentunnel Symbolbild Datenspeicherung

Verschwinden Daten künftig nach einer bestimmten Zeit im Nichts? Informatiker arbeiten derzeit daran, Informationen ein Verfallsdatum zu geben.

(Foto: online.sdedigital)

Obwohl die Datenmengen ständig wachsen, die sich vor allem bei großen Anbietern anhäufen, können Suchmaschinen mit ihren raffinierten Algorithmen herauspicken, was einmal gespeichert wurde. Nun hat der Saarbrücker Informatiker Michael Backes ein Verfahren entwickelt, mit dem sich das Problem wenigstens teilweise in den Griff bekommen ließe.

An seinem Lehrstuhl wurde eine Erweiterung für Internetbrowser entwickelt, die alle Arten von digitalen Dateien - egal ob Musik, Video, Fotos oder Text - mit einem wählbaren Verfallsdatum versieht. Ist dieses erreicht, erscheint beispielsweise anstelle eines Bildes nur noch ein Hinweis, dass die Datei nicht mehr abrufbar ist.

Schlüssel für Daten im Netz

"Der Nutzer muss, wenn er eine Datei einstellt, nur angeben, wann sie verfallen soll", sagt Backes. Im Hintergrund verschlüsselt die Software die Datei und erzeugt dazu einen Schlüssel, der auf einem oder mehreren Rechnern abgelegt werden kann. "Der Browser des Betrachters erkennt, dass die Datei, die er anzeigen soll, verschlüsselt ist, und fordert den Schlüssel an."

Das alles geht so schnell, dass der Betrachter davon nichts mitbekommt. Ist allerdings das eingestellte Verfallsdatum erreicht, würde anstelle des Bildes nur ein Hinweis angezeigt werden.

Damit nicht große Anbieter wie etwa Suchmaschinen sich einfach alle Bilder und Schlüssel anfordern und so die Dateien entschlüsselt speichern können, schlägt Backes zudem vor, den Abruf mit sogenannten Captchas zu sichern.

Das sind Bilder mit verzerrten Buchstaben oder Ziffern, die Computer nicht entziffern können. Um etwa ein Bild zu sehen, müssten die Betrachter die Buchstaben oder Ziffern eintippen.

Einen ersten Prototypen der Software soll es noch im Juli geben, so Backes, zunächst nur für Mozillas Browser Firefox. An Verfahren wie diesem ist auch die Regierung interessiert.

System mit Lücken

So fördert etwa das Verbraucherschutzministerium Firmen, Forscher und Online-Experten, die an Projekten zum Schutz personenbezogener Daten arbeiten. "Ich verspreche mir viel von der Möglichkeit, Eingaben im Internet mit einem Verfallsdatum versehen zu können", sagte Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) der Süddeutschen Zeitung.

Die Nutzer müssten aber wissen, dass sie auch mit einem Verfallsdatum nicht verhindern können, dass jemand Daten kopiert und an anderer Stelle ohne Verfallsdatum wieder ins Netz stellt.

Ein digitaler Radiergummi, wie ihn Innenminister Thomas de Maizière vor kurzem gefordert hat, ist Backes' Programm ohnehin nicht, wie er selbst einräumt: "Wenn eine Datei einmal ihre Kreise gezogen hat, ist sie der Kontrolle entzogen."

Die Idee ist auch nicht ganz neu. Eine ähnliche Methode hatten vor etwa einem Jahr Forscher der University of Washington in Seattle vorgestellt. Dabei werden aber die Schlüssel in Fragmente zerlegt und auf vielen Computern gespeichert.

Keine unüberwindbare Hürde

Um eine Datei anzuzeigen, wird eine Mindestzahl dieser Fragmente benötigt. Irgendwann sind aber so viele Rechner nicht mehr online, dass die Schlüssel nicht mehr zusammengepuzzelt werden und die Dateien nicht mehr abrufbar sind. Dabei bleibt unklar, wie lange es dauert, bis eine Datei verfällt.

Bei der Saarbrücker Variante können die Nutzer das Verfallsdatum selbst bestimmen. "Solange nicht ein Interesse daran besteht, einen Nutzer zu unterwandern, wird die Methode funktionieren", vermutet Backes, aber auch er weiß: "Im schlimmsten Fall ist mit technischen Lösungen nichts zu machen." Dann etwa wenn jemand zum Beispiel ein Bild kopiert und unverschlüsselt ins Internet stellt.

Auch die Captchas sind letztlich keine unüberwindbare Hürde: "Im Extremfall hole ich mir 10.000 Billigarbeiter, die den ganzen Tag nur Captchas eingeben."

Lesen Sie hierzu Berichte in der Süddeutschen Zeitung.

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