Gary McKinnon bleibt in Großbritannien:Ufo-Hacker entgeht Prozess in Amerika

Für amerikanischen Strafverfolger ist es der "größten militärischen Computer-Überfall aller Zeiten": Gary McKinnon hackte auf der Suche nach Belegen für die Existenz von Ufos mehrere Nasa-Rechner. Doch Großbritannien will ihn nicht an die USA ausliefern.

Christian Zaschke

FILE: Home Secretary Blocks The Extradition Of Computer Hacker Gary McKinnon

"Ernsthaft krank": Gary McKinnon hackte Computer des US-Militärs und der Nasa, um nach Belegen für die Existenz von Ufos zu suchen.

(Foto: Getty Images)

Seit zehn Jahren beschäftigt der Fall britische Gerichte und die britische Politik, am Dienstag hat er eine überraschende Wende genommen: Innenministerin Theresa May hat sich dazu entschlossen, einen Computer-Hacker nicht an die Vereinigten Staaten auszuliefern, obwohl ein entsprechendes Abkommen zwischen beiden Ländern besteht. Diese Entscheidung gilt auf beiden Seiten des Atlantiks als bemerkenswert: May ist die erste Innenministerin, die in einem Auslieferungsverfahren interveniert, seit die USA und das Vereinigte Königreich einander im Jahr 2003 vertraglich zugesichert haben, in solchen Verfahren zu kooperieren.

Der 46 Jahre alte Gary McKinnon hatte 2001 und 2002 mehrere Computer von amerikanischen Behörden gehackt. Unter anderem drang er in Netzwerke des Militärs und der Weltraumbehörde Nasa ein. Die amerikanischen Strafverfolger sprechen vom "größten militärischen Computer-Überfall aller Zeiten" und verlangen, dass McKinnon in den USA vor Gericht gestellt wird.

McKinnon hatte nach seiner Festnahme im Jahr 2002 erklärt, er habe die Computer nach Beweisen für die Existenz von Ufos durchsucht. Niemals habe er Schaden anrichten wollen oder bösartig gehandelt. Nachdem er festgestellt habe, dass viele Computer bei Militär und Nasa mit dem Betriebssystem Windows arbeiteten, sei es nicht mehr sonderlich schwierig gewesen, sie zu hacken.

Tage- und wochenlang durchsuchte McKinnon die amerikanischen Rechner von seiner Nord-Londoner Wohnung aus. Er wusch sich nicht mehr, er aß kaum, er saß im Bademantel am Computer und suchte, wie er sagte, nach Beweisen dafür, dass es Außerirdische gibt. Um besondere Geheimhaltung oder das Verwischen seiner Spuren kümmerte er sich nicht. Er gab sogar seine korrekte E-Mail- Adresse an. Dass er 2002 gefasst wurde, sagt er, habe ihn kein bisschen überrascht.

Psychologen halten Suizid-Androhung für glaubhaft

McKinnon hat das Asperger-Syndrom, eine Form von Autismus. Zudem ist er depressiv. Er hatte angekündigt, sich im Fall der Auslieferung das Leben zu nehmen. Das Innenministerium hat McKinnon von Psychologen und Medizinern untersuchen lassen, die diese Ankündigung für absolut glaubhaft halten.

Auf diese Untersuchungen berief sich Innenministerin May. Es gebe keine Zweifel, dass McKinnon "ernsthaft krank" sei. Bei ihrer Entscheidung sei es allein darum gegangen, ob die Menschenrechte McKinnons bei einer Auslieferung beeinträchtigt würden. Das enorm hohe Risiko, dass der kranke McKinnon sich das Leben nehmen würde, sei nicht mit dessen Menschenrechten zu vereinbaren, sagte May dem Parlament. Daher werde er nicht ausgeliefert.

Der Fall hat in den vergangenen Jahren symbolischen Charakter erlangt. Der Auslieferungsvertrag mit den USA ist im Königreich umstritten, weil er als einseitig angesehen wird. Im Parlament wurde Mays Schritt parteiübergreifend begrüßt. Auf amerikanischer Seite sieht das anders aus. Der Anwalt David Rivkin, vormals Berater des Weißen Hauses, sagte der BBC: "Diese Entscheidung ist bedauerlich. Die Begründung der Innenministerin ist lächerlich. Nach dieser Logik kann niemand mehr ausgeliefert werden, der sagt, er bringe sich um." Es gilt als wahrscheinlich, dass Mays Entscheidung mindestens zu diplomatischen Verstimmungen führt.

Seit beide Staaten den Vertrag 2003 unterschrieben haben, sind 92 Menschen aus dem Königreich an die USA ausgeliefert worden, 43 von den USA nach Großbritannien. May kündigte am Dienstag an, dass sie das Abkommen modifizieren will. Zum einem soll das Innenministerium nicht mehr in die Verfahren eingreifen können, zum anderen soll ein britisches Gericht entscheiden, ob die jeweils Beschuldigten ausgeliefert oder in Großbritannien angeklagt werden. Ob der Hacker Gary McKinnon sich vor einem britischen Gericht verantworten muss, entscheidet nun der Generalstaatsanwalt.

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