Funkzellenauswertung:US-Gericht erlaubt Handy-Ortung ohne Richterbeschluss

Sie wissen, wo du bist: Ein US-Gericht erlaubt Ermittlern, den Aufenthaltsort von Verdächtigen anhand ihrer Handydaten ohne Weiteres abzurufen. Die Richter sehen diese Informationen nicht von der Verfassung geschützt.

Behörden in den USA dürfen ortsbasierte Informationen über Handynutzer direkt bei den Mobilfunkfirmen abfragen, ohne dafür einen Durchsuchungsbeschluss zu benötigen, berichtet die New York Times. Das Bundesberufungsgericht im fünften US-Gerichtsbezirk (Louisiana, Mississippi, Texas) hat entschieden, dass die Datenabfrage ohne Durchsuchungsbeschluss nicht per se gegen die Verfassung verstoße (hier das Urteil als PDF).

Als Begründung gaben die Richter an, bei ortsbasierten Informationen (location data) handele es sich um Geschäftsdaten (business records). Diese seien nicht von der Verfassung geschützt.

Gespeicherte Geo-Informationen gelten bei Ermittlungen als entscheidend. Sie erlauben es den Ermittlern, den Aufenthaltsort von Verdächtigen über Wochen und Monate hinweg und auch nachträglich nachzuvollziehen. So können die Beamten etwa feststellen, ob sich die Zielperson zur Tatzeit am Ort eines Verbrechens aufgehalten hat. Geo-Informationen gehören zu den sogenannten Metadaten der Kommunikation. Metadaten sind zum Beispiel Informationen über den Zeitpunkt oder die Dauer der Gespräche, nicht aber den tatsächlichen Inhalt der Kommunikation. Metadaten sind auch viel leichter auszuwerten als der Gesprächsinhalt, da Computerprogramme bei der Analyse genutzt werden können. Zeit-Online zeigt in einer interaktiven Grafik, wie viel Metadaten eines Telefons über den Besitzer verraten.

Das neue Urteil hilft der US-Regierung, das Sammeln von Metadaten zu verteidigen. "Das Urteil stützt die Ansicht der Regierung, dass es verfassungsgemäß sei, etwa die Anrufdaten des Anbieters Verizon abzugreifen", zitiert die New York Times Orin Kerr, einen Juristen an der George Washington University.

Eingereicht wurde die Klage im Bundesstaat Texas. In ihrer Entscheidung schlossen sich die Richter der Ansicht der Regierung an, wonach Handynutzer ihre ortsbasierten Daten bewusst freigeben würden, wenn sie Anrufe tätigen oder Kurznachrichten versenden. Diese Klarstellung des Gerichts erlaubt es den Ermittlern im fünften US-Gerichtsbezirk fortan, den Aufenthaltsort von Verdächtigen anhand der gespeicherten ortsbasierten Daten ohne Durchsuchungsbefehl nachzuvollziehen.

Bei Datenschützern und Aktivisten stößt das Urteil auf heftige Kritik. "Diese Entscheidung ist ein schwerer Schlag für die Privatsphäre der Amerikaner", zitiert die New York Times Catherine Crump, eine Juristin der American Civil Liberties Union, die sich für Bürgerrechte einsetzt (hier die Pressemitteilung der Organisation).

Die Frage, ob die Handy-Ortung ohne Durchsuchungsbeschluss rechtmäßig ist, könnte bald auch den US Supreme Court beschäftigen. Derzeit befassen sich die Bundesberufungsgerichte zweier weiterer Gerichtsbezirke mit vergleichbaren Fällen. Sollten sie zu einer anderen Entscheidung kommen als die Bundesberufungsrichter des fünften Bezirks, könnten sich die Stimmen mehren, die eine Entscheidung der US-Verfassungsrichter fordern, schreibt die New York Times.

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