Telefonieren mit Apple:Mein Ich ist ein iPhone

Fünf Jahre Telefonie à la Apple. Ist das der Rede wert? Ja. Denn Steve Jobs' wohl größter Coup hat uns zu besseren Menschen gemacht. Besser? Nein, das nun nicht. Obwohl, wir sind besser organisiert und besser vernetzt. Also dann doch: Wir sind jetzt bessere Menschen.

Bernd Graff

Japanese toymaker Bandai's 'Smart Pet' robotic dog toy is demonstrated at the International Toy Show in Tokyo

Ein iPhone als Roboterhund

(Foto: REUTERS)

Es ist ein Null-Thema, ein Null-Anlass an die Markteinführung eines Telefons zu erinnern. Doch das iPhone ist nicht nur ein Telefon, nicht mal nur ein Handy, nicht mal nur ein Smartphone. Es ist eine Beatmungsmaschine. Es hält am Leben. Die Nachkommer von anderen Firmen: Google, Microsoft et. al sind Nachkommer, sind Me-Too-Produkte. Mitunter mögen sie in manchen Funktionen inzwischen sogar besser sein, wenn sie nicht von Microsoft kommen. Aber es bleiben Nachahmerprodukte. Zuerst war das iPhone.

Natürlich nicht. Zuerst war der Blackberry. Wir reden nicht davon, welche Geräte zuerst auf dem Markt waren. Wir reden darüber, welche Geräte maßgeblich unser Leben verändert haben. Und das war, nach der Schrumpfung der Handys von Ziegelsteingröße auf Taschenformat, der Blackberry. Denn der Blackberry hatte als Erster die "Push-Funktion", die niemand ernstlich preisen kann, wenn er Berufs- und Privatleben noch trennen will.

Denn mit der Push-Funktion trat etwas ins Leben, zuerst in das von gut verdienenden Managern, was man die beständige Verfügbarkeit des Blackberry-Trägers nennen muss. Denn damit erreichten Dienstmails ihren Empfänger rund um die Uhr, egal, wo er sich gerade aufhielt.

Lange Leine

Push-Funktion bedeutet: Der Ge-Pushte wird 24 Stunden an sieben Tagen der Woche in seinen Job zurück-gepusht. Niemand, der noch sagen könnte: Ich war nicht im Büro und habe deswegen die Einladung zu diesem unfassbar wichtigen Meeting nicht bekommen. Push-Funktion ist die lange Leine des Berufs. Man kommt nicht mehr davon weg.

Das iPhone ist in dieser Hinsicht nicht anders. Es ist auch eine lange Leine, es ist sogar ein Stalking-Gerät. Wo immer ich auch bin - was man damit übrigens auch herausfinden kann -, ich bin erreichbar. Das ist so schön und nützlich wie ein Mühlstein um den Hals. Aber es ist hier eben auf iPhone-Weise wunderbar.

Ja, das Apple-Gerät hat aus der Fron auf seine handschmeichelnde Art eine Freude gemacht. Denn man kann seinen Widersacher nun streicheln, und nicht wenige streicheln ihr Phone häufiger als die eigenen Kinder und Haustiere zusammen.

Mutter Internet

Es ist ja nicht nur das Display ohne Tastatur, das dieses Gerät damals so einzigartig, ja: neu erschienen ließ. Es ist, das war sofort klar, durch die Anbindung an den Appstore mit all seinen Programmen die Nabelschnur in die digitale Welt, die Verbindung zu Mutter Internet. Und weil man sich dieses Gerät individuell mit den Apps bestückt, die man sich wünscht, wird jedes iPhone so einzigartig wie sein Besitzer. Die Apps sind die DNA der Vernetzung, die Gene der Kommunikation.

DAS hat das Leben verändert. Man kann auch telefonieren und smsen, man kann auch surfen, Musik hören und vom Wetter erfahren. Man kann sich in fremden Städten durch unbekannte Straßenschluchten leiten lassen, Notizen verfassen und Termine eintragen. Das Revolutionäre daran ist, dass alles miteinander kommuniziert, dass all das Kommunikation ist.

Das Foto des Sonnenuntergangs oder das aus der U-Bahn sofort an die Lieben daheim geschickt oder auf die Facebook-Seite gestellt, die Termine sofort mit anderen vereinbart. Das Youtube-Video sofort mit der Freundin geteilt. Und in jedem Laden werden Preise verglichen mit den Standards im Netz. Ein Buch, das ich kaufen möchte? Mal schauen, was die Netz-Rezensionen dazu sagen. Ein Gadget - genauso. Ein Hotel, in dem ich einchecken will? Mal sehen, was meine Facebookfreunde dazu sagen.

Das muss man sich klar machen: Es ist das iPhone, das die Kommunikation unabhängig von Raum und Zeit gemacht hat. Es ist immer on - ich bin immer on. Mein Ich ist ein iPhone.

Das sagt nichts darüber aus, dass Nachfolgegeräte anderer Anbieter das nicht auch alles können. Vielleicht sogar inzwischen besser und mit noch mehr Kommunikations-Offerten. Aber es war das iPhone, das diese Tür aufgestoßen hat, durch die nun alle drängen. Das iPhone hat aus der immer einlinigen Kommunikation zwischen Sender und Empfänger, möge sie privater oder beruflicher Herkunft sein, eine Kommunikation des Kollektivs, des Wirs gemacht.

Das immerwährende Jetzt

Wozu braucht man noch einen Fotoapparat, wenn man damit Bilder nur erst auf den Rechner übertragen und dann eventuell per Mail verschicken kann. Die Bilder des iPhone mögen qualitativ schlechter sein, dafür sind sie kommunikativer. Sie sind sofort Gesprächsthema, weil alle sofort daran teilhaben können.

Ja, man mag diese Ausfransung des Immer-Verbundenseins auch als Beliebigkeit des Geschwätzes deuten. Kann sein. Aber ist nicht unser Leben beliebig und ausgefranst? Das iPhone ist das Gerät der Stunde gewesen damals, als man langsam begriffen hat, dass man im neuen Jahrtausend angekommen war. Nennen wir es also das Telefon der Postmoderne, das natürlich kein Telefon mehr ist, aber es ist ja auch nichts mehr postmodern.

Es ist immerwährendes Jetzt. Und das flache iPhone ist die technische Umsetzung flacher Kommunikation. Und wenn sich die iPhone-Daten auch noch in der Cloud verlieren, wenn alle möglichen Geräte instant auf denselben Datensatz gebracht sind, dann ist vollends erwiesen, dass es zwar eigentlich egal ist, in welchem Jetzt wir gerade leben, solange wir es nur aktiv tun.

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