Fotos auf der Festplatte:Das digitale Bildergrab

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Gerade im Urlaub knipsen fast alle, doch nur wenige bringen ihre Fotografien aufs Papier. Dabei gibt es mittlerweile zahlreiche Möglichkeiten, Momentaufnahmen greifbar zu machen.

E. Müller-Jentsch

Früher hat der Münchner Flugzeugtechniker Klaus Gerber gerne zum Dia-Abend eingeladen. Nein, das waren nicht diese gefürchteten Gruselvorstellungen mit Mutti im geblümten Badeanzug vor der Strandkulisse in Rimini. Der 64-jährige Gerber ist weit in der Welt herumgekommen. Seine Diaschauen waren aufwendig in Überblendtechnik gestaltet und sorgsam vertont - der Mann hatte etwas zu erzählen.

Der digitalen Technik sei Dank, kann sich heute fast jeder als Hobbyfotograf betätigen. Doch vielfach geraten die Bilder dann auf der Festplatte in Vergessenheit. (Foto: Foto: dpa)

Doch seit ein paar Jahren kommen keine solchen Einladungen mehr. Weil nämlich Klaus Gerber jetzt digital fotografiert und einfach nicht den Übergang vom Leuchtpult zur Bildbearbeitung am Computer finden kann. Er reist und fotografiert sogar noch viel intensiver: Aber jetzt stapeln sich externe Festplatten mit zigtausend Bildern in einem Schrank. Die fotografische Ausbeute seiner neueren Reisen entwickelt sich zum ungehobenen Schatz, der mit den Jahren unterzugehen droht.

Klaus Gerber ist kein Einzelfall. Konsumentenbefragungen haben ergeben, dass mehr als 90 Prozent der Deutschen eine Digitalkamera haben und im Schnitt mehr als zehn Bilder im Monat aufnehmen. Aber nur zwei Drittel von ihnen machen wenigstens hin und wieder aus den digitalen Schnappschüssen auch Abzüge auf Papier. Den anderen reicht die digitale Form. "Es ist noch nie so viel fotografiert und doch so wenig zu Papier gebracht worden", bestätigt Klaus Siebenborn, Verkaufsleiter bei Foto Nürbauer in der Zweibrückenstraße.

Generation ohne Kinderbilder

Junge Eltern, die zu erkennen geben, dass sie Fotoapparate oder Videokameras kaufen, um die ersten Jahre ihres Nachwuchses im Bild festzuhalten, werden deshalb bereits gezielt über den weiteren Umgang mit den Aufnahmen aufgeklärt: "Wir befürchten nämlich, dass sonst eine Generation ohne Kindheits-bilder aufwächst."

Zumal es die meisten für ausreichend halten, ihre Bilderinnerungen auf der Festplatte ihres Computers abzulegen oder auf CD zu brennen - an Sicherheitskopien denkt kaum einer. Wenn dann aber früher oder später die Festplatte crasht - statistisch hält eine Festplatte fünf Jahre - oder die Selbstgebrannte nicht mehr lesbar ist, sind diese Schätze unrettbar verloren. Und selbst wenn dieser Gau nicht eintritt, sind Bilderinnerungen auf diese Weise keineswegs zukunftssicher: Man denke nur an die noch vor wenigen Jahren massenhaft verbreiteten Disketten, Videokassetten oder Foto-CDs, für die es heute kaum noch Abspielgeräte gibt.

Dabei bieten speziell digitale Kameras eine Fülle von Möglichkeiten, um flüchtige Pixel zu handfesten Bildern zu machen. Gerade jetzt, da die ersten Urlauber mit vollen Speicherkarten wieder zurückkehren, ist das ein ganz großes Thema in den Münchner Fotogeschäften.

"Bildabzüge zu machen ist das Beste und das Sicherste", sagt Siebenborn. Dabei schwelgt er einen Moment lang in Nostalgie: "Kürzlich haben wir beim Umzug eine Schuhschachtel mit alten Fotos gefunden und sofort darüber die Zeit vergessen. Wären die Bilder auf einer Festplatte gewesen, hätten wir diese spontane Zeitreise nicht gemacht - wer weiß, ob diese Bilder überhaupt jemals wieder angeschaut worden wären."

Fotobücher statt Alben

Eine der schönsten Möglichkeiten, Bilderinnerungen zu bewahren, hat die junge Apotheken-Angestellte Corinna für sich entdeckt: Nach ihrer ersten großen Reise, einem Trip in die USA, wollte sie ihre Erinnerungsaufnahmen aus der extra dafür gekauften Kompaktkamera zum Vorzeigen mitnehmen können. "Sie schnell nur mal in der Arbeitsecke am PC-Bildschirm durchzuklicken oder gar nur auf meinem Telefon hin und her zu schieben, ist irgendwie lieblos", sagt die 27-Jährige. Sie hat sich deshalb für ein Fotobuch entschieden: Die Bilder sind - wie früher im Album - liebevoll auf 30 Seiten zu einer schönen Reisedokumentation zusammengestellt. Und doch wirkt das Buch fast so professionell wie ein Bildband aus der Buchhandlung: ansprechendes Layout, tadelloser Druck, perfekt gebunden. "Das hat im Kollegen- und Freundeskreis jeder gerne in die Hand genommen und in Ruhe angeschaut", freut sie sich.

"Wir versuchen rund ums Bild zu beraten", sagt Wolfgang Drahtschmid, Verkaufsleiter bei Foto Sauter an der Sonnenstraße, "nicht nur die Aufnahme, sondern auch die Ausgabe wird zunehmend Thema im Kundengespräch." Einen Amateur, der eine hochwertige Systemkamera gekauft hat und seine Bilder dann daheim am Computermonitor anschaut, betrachtet er als "Worst Case". Früher, als diese Klientel noch hochwertige Filme gekauft hätte, seien fast alle Hobbyfotografen zum Entwickeln und Abzügemachen wiedergekommen. "Kleinere Fotohändler hatten 70 Prozent ihrer Umsätze im Bereich der Entwicklung", sagt Drahtschmid. Heute hat sich das Verhältnis nicht nur umgekehrt - kleine Fotohändler gibt's kaum noch.

Lesen Sie auf Seite 2, welche Möglichkeiten der Materialbearbeitung es für Hobby-Filmer und -Cutter gibt.

Ob Verkäufer bei Nürbauer, Sauter oder Saturn in der Fußgängerzone - alle glauben an die Zukunft des Fotobuchs. Acht Millionen Aufträge erwarte der deutsche Handel in diesem Jahr, gerade auch jetzt zum Ferienende. Zwölf Millionen Fotobücher sollen es schon in zwei bis drei Jahren sein, hoffen die Verkaufsleiter. Bücher mit gedruckten Bildern gebe es bereits ab 15 Euro, mit echten Fotos ab 29 Euro. "Wer daheim gar mit dem Tintenstrahldrucker dasselbe versucht, zahlt für ein absolut nicht vergleichbares Ergebnis erheblich mehr."

Wie bei Nürbauer oder Sauter finden Kunden auch bei Saturn Bilderterminals, an denen sie direkt vom Speicherchip ihre Bilder auswählen, selbst bearbeiten und zum Druck schicken können. In allen Geschäften werden die Arbeiten dann vorwiegend in eigenen Minilabs sofort ausgeführt. Vom preiswerten 9x13-Abzug über Poster, Arbeiten auf Leinwand - bei Sauter gar in Acryl - bis hin zum Buch und zum Fotokalender lässt sich hier fast alles bestellen. An den Terminals schätzten die Kunden offenbar die Anonymität, vermuten die Verkäufer: "Bilder werden oft nicht gerne aus der Hand gegeben." Wer am Terminal jedoch Hilfe benötige, finde immer eine helfende Verkäuferhand, betonen alle drei Geschäfte.

Saturn-Geschäftsführer Helmut Altmann und seine Foto-Assistentin Ingrid Obermeier wissen von einem weiteren Trend zu berichten. "Gerade junge Familien mit Kindern kaufen digitale Fotorahmen und schenken sie etwa der Oma - und die neuesten Fotos dazu bekommt sie dann jeweils auf Speicherkarten zugeschickt." Das ist dann die kleine Fotoschau für den Couchtisch.

Cutten für Einsteiger

Video wird im Gegensatz zur Fotografie von beiden Fachgeschäften als eher rückläufiger Markt betrachtet. Wenn, dann müsse es aber auf jeden Fall hochauflösend sein. Denn die meisten Kunden hätten inzwischen HD-Flachbildschirme daheim, berichten Siebenborn wie auch Drahtschmid. Und beide bestätigen: "Für den Videoschnitt interessieren sich dann aber nur wenige."

Verwackelte Bilder, wildes Rumgezoome, wer will das sehen? Ulrich Hepp, Pressesprecher des Video-Softwarespezialisten Magix bestätigt: "Satte 88 Prozent der Camcorderbesitzer bearbeiten die Szenen nicht, weil ihnen der Schnitt zu kompliziert ist oder sie zu viel Zeit kostet." Dazu kommt noch, dass auch für schnelle Computer die Verarbeitung des modernen Videomaterials eine Herausforderung ist.

Da immer häufiger selbst einfache Digitalkameras und Flash-Camcorder solche Videos aufnehmen können, ist ein breiterer Markt entstanden. Doch gerade Einsteiger, Gelegenheits- oder auch ältere Filmer stehen vor der kniffligen Aufgabe, wenn sie ihre Urlaubsfilme vorzeigbar machen wollen. Genau für diese Zielgruppe ist das neue Programm "Video easy" entwickelt worden: Es kann die Leistungsfähigkeit des jeweiligen PCs erkennen und sich automatisch auf die Computergeschwindigkeit einstellen. Dazu unterstützt das Programm die Anwender aktiv beim Anschluss des Camcorders, beim Überspielen des Materials und beim Schnitt.

Die Software, das zeigt ein SZ-Selbstversuch, ist absolut nichts für engagierte Filmer, aber der richtige Einstieg für Videofreunde, die eingesehen haben, dass ungeschnittenes Rohmaterial für alle Zuschauer eine Zumutung ist. Etwa für den jungen Vater, der einem Nürbauer-Verkäufer die Videokamera auf den Tisch legte, weil die Festplatte voll war: immerhin Szenen aus den ersten Jahren seines Sprösslings. "Und wie bekomme ich das jetzt da raus?", lautete seine Frage.

Auch das ist ein typisches Problem, mit dem der Fotohandel nun nach Urlaubsende befasst wird: "Wie soll ich meine Fotodateien archivieren?" Bei Saturn raten die Fachleute zur CD oder DVD, die bei der Bildbestellung gleich mitgebrannt werden kann. Klaus Siebenborn von Nürbauer zieht die langfristige Haltbarkeit der Silberscheiben dagegen in Zweifel: "Lieber getrennt von einander auf zwei Festplatten, die alle paar Jahre erneuert werden." Bei Sauter geht man es angesichts stetig sinkender Speicherpreise ganz pragmatisch an: "Am besten den Speicherchip aufheben - umgerechnet zum Preis von einem Film früher lassen sich jetzt auf zwei Gigabyte die Bilder von zehn Fotofilmen abspeichern."

© SZ vom 1.9.2009/jb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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