Fotoprojekt "Profile Page":Mein Zimmer, mein Facebook-Profil, meine Identität

Ähneln sich Studentenbude und Facebook-Profil eines jungen Menschen? Der Fotograf Florian Freier hat versucht das herauszufinden - mit überraschendem Ergebnis.

Von Sara Weber

6 Bilder

"Profile Page"

Quelle: Florian Freier

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Lassen sich digitale und private Räume vergleichen? Oder auch: Was sagt mehr über unsere Persönlichkeit aus: der Wohnraum oder das Profil im Netz? Dieser Frage ist der Fotograf Florian Freier mit seinem Projekt "Profile Page" nachgegangen. Er hat an hunderte Türen geklopft und geklingelt und eine Frage gestellt: "Darf ich dein Zimmer fotografieren und einen Screenshot von deinem Facebook-Profil machen?" Das Ergebnis dieses Experiments: Ein Einblick in die digitale und die physische Identität der Menschen - und die Feststellung, dass diese sich oft mehr ähneln als gedacht.

Alle Bilder sind auf Florian Freiers Website, in einem Buch und in der Ausstellung Unpainted Lab 3.0 München (18.-21.02.2016) zu sehen.

"Profile Page"

Quelle: Florian Freier

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Alle Bilder sind im Studentenwohnheim in München-Freimann entstanden. Die Wahl des Ortes hatte vor allem architektonische Gründe: Die Gebäude wurden in den 1960er und 1970er Jahren gebaut, jeder Raum ist gleich groß, hat den gleichen Grundriss und ist mit den gleichen Möbeln ausgestattet. Hier gibt es eine Wohnarchitektur, die genauso funktioniert wie die Informationsarchitektur einer Profilseite, die ebenfalls die immer gleichen Grundvoraussetzungen hat: Ein festes Layout, das mit Freunden, Fotos und Musik befüllt werden. Und sowohl beim zwölf Quadratmeter großen Zimmer als auch beim Social-Media-Profil muss das ganze Leben in diesem einen Raum Platz finden.

"Profile Page"

Quelle: Florian Freier

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Aufräumen durfte niemand. Freier fotografierte jeden Raum genau so, wie er eben aussah, als er unangemeldet vorbeikam: "Bei manchen liegen die Socken auf dem Boden, bei anderen sieht es aus wie im Ikea-Katalog." Und auch das Facebook-Profil wurde nicht extra für das Projekt poliert. Identifizierende Merkmale, wie Namen und Fotos, wurden jedoch anonymisiert. "Insgesamt war die Hemmschwelle beim Facebook-Profil größer als beim Zimmer", berichtet Freier. Das Internet wurde als persönlicher empfunden als der eigene Wohnraum - eine Sache, mit der der Künstler nicht gerechnet hatte.

"Profile Page"

Quelle: Florian Freier

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Wie viel sowohl ein Zimmer als auch ein Online-Profil über eine Person aussagen können, wird dann besonders deutlich, wenn sich beides perfekt ergänzt. "Yo Leute, hat jemand von euch meinen Perso?", postet jemand auf Facebook. Wer das zugehörige Zimmer dazu sieht, wundert sich nicht, dass besagter Perso wenig später ausgerechnet unter dem Drucker auftaucht - "keine Ahnung, wie er da hingekommen ist". Oder um es in den Worten eines anderen Facebook-Posts derselben Person zu sagen: Es ist nicht fair, dass man aus Versehen ein Baby machen kann, aber keine Pizza.

"Profile Page"

Quelle: Florian Freier

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"Die Leute haben ihre Zimmer gerne gezeigt", erzählt Freier, "genau wie sie eben auch gerne Fotos online hochladen und dann hoffen, dass diese gelikt werden." Hätte er für sein Projekt jedoch kein Studentenwohnheim gewählt, sondern hätte in einer Wohngegend an Türen geklingelt, wären die Reaktionen vermutlich andere gewesen. "Jüngere Leute sind weniger sensibel, weil sie es gewohnt sind, ihre Daten online zu teilen", sagt Freier. "Andere Generationen wären wahrscheinlich zurückhaltender gewesen - oder hätten zumindest darauf bestanden, erstmal aufzuräumen."

"Profile Page"

Quelle: Florian Freier

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Dass Freier analoge und digitale Welt in seinen Werken verbindet, ist kein Zufall: Während seines Studiums an der Münchner Kunstakademie arbeitete er als Webdesigner und Fotograf - daher komme auch die Kombination beider Themen bei diesem Projekt. "Außerdem ist die Definition von öffentlichem Raum ein beliebtes Motiv in der Kunst, das schwingt auch in meiner Arbeit mit." Das Internet versuche immer stärker, die reale Welt abzubilden. "Vor zehn Jahren gab es diesen Comic, bei dem ein Hund vor dem Computerbildschirm saß und in ein Chatfenster tippte. Darunter stand: Im Internet weiß niemand, ob du ein Hund bist. Das hat sich extrem geändert", sagt Freier. Er sieht seine Arbeit daher auch als Zeitdokument: "Wir fotografieren viel, aber dokumentieren wenig, wie das Internet heute aussieht. Aber wer weiß schon, wie sich unsere digitale Identität in den kommenden zehn Jahren verändern wird?"

© SZ.de/mri
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