Offene Wlan-Netzwerke:Schluss mit der Störerhaftung

Freies Wlan in Berlin

Was wie hier in Berlin am Potsdamer Platz schon möglich ist, soll es nach EU-Plänen bald in jedem Dorf geben: freies Wlan.

(Foto: Stephanie Pilick/dpa)

Betreiber offener Wlan-Netzwerke riskieren, für die Rechtsverstöße Dritter abgemahnt zu werden. Diese juristische Grauzone muss endlich geklärt werden.

Von Prof. Dr. Thomas Hoeren

Häufig spürt man die Unsicherheit, wenn man mit den altruistischen "Freifunkern" und anderen Betreibern offener Wlan diskutiert. Haften wir jetzt doch für Rechtsverstöße durch die Nutzer unserer Netze? Haben wir besondere Sorgfaltspflichten, was die Einrichtung solcher Netzwerke angeht?

Anfangs gab es noch Tendenzen, die Verantwortlichkeit von Wlan-Anbietern hoch anzusetzen. So behauptete das Landgericht Hamburg im Jahr 2010, dass der Betreiber eines Internet-Cafés nach den Grundsätzen der Störerhaftung verschuldensunabhängig auf Unterlassung in Anspruch genommen werden könne, wenn Gäste seinen Anschluss für Urheberrechtsverletzungen nutzen. Das gelte jedenfalls, insofern der Betreiber des Cafés keine ihm möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreife, um solche Rechtsverletzungen zu verhindern.

Die Rechtsprechung wird endlich deutlicher - und freundlicher

Diese Einzelentscheidung sorgte für Irritationen. Viele Kommunen stoppten daraufhin ihre Pläne, für die Bürger freie Internetzugänge in der Innenstadt anzubieten. Andere Gerichte wie etwa das Düsseldorfer Oberlandesgericht sahen offene Wlan generell als Gefahrenquelle - verbunden mit gesteigerten Sorgfaltspflichten für den Betreiber (OLG Düsseldorf, Urteil vom 27. Dezember 2007 - I-20 W 157/07). Denn das Überlassen eines Internetzugangs an Dritte berge insoweit die nicht unwahrscheinliche Möglichkeit in sich, dass von den Dritten Urheberrechtsverletzungen über diesen Zugang begangen werden.

Doch allmählich ist Beruhigung angesagt. Die Rechtsprechung wird deutlicher und freundlicher. So hat die Rechtsprechung schon früh den Gedanken vom Sündenpfuhl Wlan verabschiedet. Das Oberlandesgericht Frankfurt (Urteil vom 1. Juli 2008 - 11 U 52/07) verwies darauf, dass es nicht als pflichtwidrig angesehen werden könne, Dritten die technische Möglichkeit zum Austausch von Information anzubieten. Offene Netze schaffen nur sozialadäquate und erlaubte Lebensrisiken; ihr Betrieb kann daher auch keine Sicherungspflichten begründen.

Wlan-Betreiber können von rechtlicher Verantwortung freigestellt werden

Die herrschende Meinung verweist heutzutage auf die Haftungsfreistellung in § 8 des Telemediengesetzes. Danach werden Access Provider, also Zugangsvermittler, von jeglicher rechtlichen Verantwortung freigestellt. Auch der Betreiber eines Wlan vermittelt nur den Zugang zum Internet und ist daher als Access Provider eingeordnet. Ganz deutlich hat dies vor allem das Landgericht München I mit Beschluss vom 18.09.2014 ausgeführt. Das Landgericht neigt dazu, zwar grundsätzlich eine Störerhaftung in Betracht zu ziehen. Das Gericht sieht sich aber an dieser Einordnung daran gehindert, dass § 8 TMG zu Gunsten von Access Providern Haftungsprivilegien vorsieht. Insofern hat das Gericht die Sache an den Europäischen Gerichtshof vorgelegt.

Auch andere erstinstanzliche Gerichte haben sich der Privilegierung nach § 8 TMG für offene Wlan angeschlossen. So hat das Amtsgericht Charlottenburg eine Haftung eines Freifunkers für die Handlung seiner Nutzer abgelehnt. Ähnlich sah das das Amtsgericht Hamburg für den Bereich der Hotspots in vermieteten Ferienwohnungen. Auch in den EU-Staaten und den USA geht man von einer weitgehenden Freistellung gewerblicher und nicht gewerblicher Netzwerkanbieter aus.

Das Wirtschaftsministerium stiftet unnötige Verwirrung

Funken mit Köpfchen: WLAN-Netze sicher teilen

Nach der Vorstellung des Wirtschaftsministeriums sollen Wlan-Betreiber "zumutbare Maßnahmen" ergreifen, um Rechtsverstöße zu verhindern.

(Foto: dpa-tmn)

Unruhe kam nun vor allem in jüngster Zeit dadurch hoch, dass das Bundesministerium für Wirtschaft einen sehr unklar formulierten Referentenentwurf in die Diskussion eingebracht hat. Unklar war schon, ob es sich überhaupt um einen Referentenentwurf oder einen Regierungsentwurf handelt. Teilweise sprach das Ministerium selbst von einem Entwurf der Bundesregierung. Tatsächlich handelt es sich nur um einen Referentenentwurf, der nicht mit den anderen Ministerien abgesprochen worden ist.

Merkwürdig ist auch die Tatsache, dass das Gesetz offene Wlan durch Haftungsprivilegierungen fördern will, genau das Gegenteil aber erreicht. Denn Personen, die anderen über ihr Wlan Zugang zum Internet gewähren, sollen nur dann nicht als Störer für Rechtsverletzungen Dritter verantwortlich sein, wenn sie "zumutbare Maßnahmen" zur Verhinderung solcher Verstöße ergriffen haben. Dazu müssen die Anbieter ihren Anschluss verschlüsseln und dürfen den Zugang nur solchen Nutzerinnen und Nutzern ermöglichen, die zuvor eingewilligt haben, keine Rechtsverletzungen zu begehen.

Das Gesetz würde private Netzbetreiber massiv benachteiligen

Rein private, nicht geschäftsmäßige Wlan-Anbieter - wie etwa die Freifunker - sollen nach dem Entwurf nur dann in den Genuss der Haftungsfreistellung kommen, wenn sie darüber hinaus auch die Namen der Nutzer kennen. Wieso private Netzbetreiber gegenüber gewerblichen Providern so schlecht gestellt werden, versteht keiner.

Es bleibt der Diskussion nur zu wünschen, dass endlich Normalität einkehrt und die Tatsache akzeptiert wird, dass es keinen Unterschied zwischen einem kommerziellen Access Provider (wie der Deutschen Telekom) und einem Freifunker gibt, wenn es um die Frage der Einordnung und Haftungsprivilegierungen geht.

Die Nutzer sollten verpflichtet werden, die Vorschriften zu beachten

Bis zur endgültigen Klärung dieser Fragen könnte es sich anbieten, von Nutzern eines Wlan eine Anmeldung über ein Passwort zu verlangen, bevor sie das Netz nutzen. Zusätzlich empfiehlt sich zur Zeit noch der deutliche Hinweis auf Nutzungsbedingungen, in denen die Nutzer darauf hingewiesen werden, dass sie keine Rechte verletzen dürfen. So sollte man die Nutzer de facto dazu verpflichten, die gesetzlichen Vorschriften zum Jugendschutzrecht, zum Urheberrecht und zum Strafrecht zu beachten.

Denkbar wäre auch die Abriegelung des Wlan durch White-Listing-Verfahren, also die Beschränkung des Wlan für den Zugang auf erwünschte Seiten. Denn zumindest ökonomisch ist verständlich, dass ein Kaufmann, der sein Wlan öffnet, potenziellen Kunden den Preisvergleich im Web über sein "Lan" unmöglich machen will. Allerdings ist in einem solchen Fall noch unklar, ob ein solches Torso-Wlan vom Providerprivileg des § 8 TMG umfasst ist.

Offene Wlan-Netzwerke: Prof. Dr. Thomas Hoeren ist Direktor des Instituts für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht der Universität Münster.

Prof. Dr. Thomas Hoeren ist Direktor des Instituts für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht der Universität Münster.

(Foto: oh)

Letztendlich soll diese Frage dem Geschäftsinhaber aber gleichgültig sein, wenn sein White-Listing-Verfahren technisch abgesichert ist und nur den Zugang zu Webseiten einschließt, die zu 100 Prozent "sauber" sind. Mit Share Economy, Freifunk & Co. hat dies allerdings nichts mehr zu tun.

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