"For Honor" im Test:Haudrauf-Action für Spieler mit Gefühl

For Honor im Test: Billige Prämisse, tolle Schwertkämpfe, wenig Charme

Ritter gegen Samurai? So sehr sich "For Honor" um realistische Kampfmechanik bemüht, so billig ist die Haudrauf-Geschichte.

(Foto: dpa-tmn)
  • Im Action-Nahkampf-Spiel "For Honor" kämpfen Wikinger, Ritter und Samurai miteinander.
  • Die Kampfmechanik, zentrales Element von Schwertkampf-Spielen, ist knifflig, aber geglückt.
  • Der Online-Mehrspielerkampf macht Spaß, die Einzelspielerkampagne dagegen ist weniger gelungen.

Spieletest von Caspar von Au

Der Ritter setzt mit seinem Langschwert zum Todesstoß an. Unter ihm liegt eine Samurai-Kriegerin, ihre blaue Rüstung ist blutdurchtränkt. Er rammt sein Schwert durch ihr Herz, im nächsten Moment springt ein ebenfalls blau gekleideter Wikinger mit zwei Äxten in den Händen auf ihn zu. Wikinger gegen Ritter gegen Samurai - wer denkt sich so etwas aus? Wäre "For Honor" ein Film, lägen Vergleiche mit Supertrash wie Sharknado oder Zombiber nahe.

Trash ist "For Honor" allerdings sicher nicht, trotz der etwas billigen Haudrauf-Prämisse. Es ist ein durchaus anspruchsvolles Schwertkampf-Spiel, in dessen Online-Mehrspielerschlachten neben Geschick im Duell auch kluge Taktik und genaue Absprachen zum Sieg verhelfen. Ganz egal, ob der Spieler lieber Axt, Schwert oder Morgenstern schwingt.

In "For Honor" triumphiert der Spieler, der seinen Gegner analysiert, der bedächtig auf den Angriff wartet, pariert und dann zum Gegenschlag ausholt. Die Entwickler von Ubisoft wollen mit dem Spiel ein Problem lösen, für das bisher noch keiner in der Games-Industrie eine wirklich befriedigende Lösung gefunden hat: eine funktionierende Spielmechanik für das schweißtreibende Hauen und Stechen mit schweren stählernen Waffen.

Wer als Kind mit Stöcken gekämpft hat, kapiert das Prinzip sofort

Das ist den Entwicklern zumindest größtenteils gut gelungen. Die Kampfmechanik wirkt zwar erst einmal recht simpel: Jeder Held kann aus drei Richtungen (rechts, links und oben) zuschlagen und sich gegen Angriffe aus diesen drei Richtungen verteidigen; durch Mausbewegungen oder den rechten Stick von Gamepads kann der Spieler zwischen den drei Richtungen wechseln. Aber gerade zu Beginn ist das Timing nur schwierig zu meistern.

Häufig stehen sich die Spieler im direkten Duell gegenüber, umkreisen und belauern sich gegenseitig. Holt der gegnerische Ritter mit dem Schwert von links aus, kann der Spieler den Schlag mit einer einfachen Bewegung nach links parieren. Das Kampfsystem fühlt sich auch aus der Third-Person-Perspektive intuitiv richtig an. Wer als Kind mit Stöcken gegeneinander gekämpft hat, kapiert das sofort. Die Steuerung ist dagegen weniger intuitiv und ein bisschen fummelig, wenn es im Gefecht hektisch wird.

Der Spieler kann zwischen zwölf Helden wählen, in jeder Fraktion - Wikinger, Ritter, Samurai - gibt es vier. Jeder der Helden führt eine andere Waffe, mit der unterschiedliche Fähigkeiten, Stärken und Schwächen verknüpft sind. Die "Eroberer" sind schwer gepanzerte Ritter, mit Schild und Streitflegel bewaffnet. Sie können besonders viel einstecken und Gegner mit ihrem Schild umstoßen. Die Waffe der "Kensei" ist langes Katana, das sie mit beiden Händen halten. Die Samurai haben mit ihrem Schwert eine hohe Reichweite, sie tragen eine rote Maske, die ihr Gesicht verdeckt. "Berserker" sind Wikinger, die mit zwei Äxten kämpfen. Ihre Stärke liegt in ihren flinken Angriffen, dafür können sie sich nicht so gut verteidigen.

Problematisch wird es, wenn der Spieler alleine gegen zwei kämpft

Dazu kann der Spieler bei jedem Angriff entscheiden, ob er lieber schwerer und langsamer oder leichter und schneller zuhauen möchte. Jeder Held in "For Honor" kann außerdem leichte und schwere Angriffe aneinander ketten, die im Erfolgsfall dem Gegner zum Beispiel zusätzlichen Schaden hinzufügen. Angriffskombinationen, Parieren, Spezialangriffe mit Ausfallschritt, Ausweichen - das alles bietet viele taktische Möglichkeiten, die es zu erlernen gilt und gute von mäßigen Kämpfern unterscheidet. So wird aus der simplen Mechanik ein anspruchsvolles Duell: Der Gegner muss zwar mit seinem Controller meist das Gleiche tun, aber unter ständig wechselnden Voraussetzungen. Dass es weniger auf Glück ankommt, sondern auf geschickte Finger und gutes Lesen seines Gegenübers, macht das Spiel auch für die E-Sport-Szene beobachtenswert. Die verschiedenen Kämpfer sind aber nicht so unterschiedlich, dass der eine oder der andere einen unfairen Vorteil hat.

Es sei denn, der Spieler findet sich in einer Überzahl- oder Unterzahlsituation (was im Spiel ziemlich häufig vorkommt). Zwar gibt "For Honor" dem zahlenmäßig Unterlegenen dann ein paar kleine Hilfestellungen. Aber in den meisten Fällen ist ein Spiel verloren, sobald das Team in Unterzahl gerät. Das wiederum führt dazu, dass Spieler davonrennen statt zu kämpfen - "For Honor" wird zum Fangspiel.

"For Honor" ist für Einzelspieler eine Qual

Gekämpft wird im Mehrspielermodus in Burgen, auf Brücken und in Schluchten in fünf unterschiedlichen Modi. Der komplexeste Modus, der auch am meisten Spaß macht, nennt sich "Herrschaft": Zwei Teams mit je vier Spielern kämpfen um verschiedene Zonen. Wer eine Zone erobert und verteidigt, erhält Punkte. Der Spieletod währt nur einige Sekunden, anschließend dürfen die Helden erneut in die Schlacht. Sammelt ein Team 1000 Punkte, muss es die gegnerischen vier Helden umbringen, die dann nicht wieder einsteigen dürfen. Die Überlebenden sind die Sieger. In diesem Modus unterstützt außerdem eine kleine Armee computergesteuerter Soldaten beide Teams. Die kleineren schmächtigen Krieger lassen sich mit einem einfachen Schlag besiegen, alle paar Sekunden stürzt sich ein neuer Schwung in den Kampf.

Während im Herrschafts-Modus Taktik und Teamplay wichtig sind, geht es in den anderen vier Spielvarianten vor allem ums Kampfgeschick. Es gewinnt, wer den Gegner tötet, ohne selbst dabei zu sterben.

Es fehlt die emotionale Bindung zu den Helden

Aber trotz allem, trotz ausgetüftelter Kampfmechanik und trotz fünf unterschiedlicher Mehrkämpfermodi, kommt beim Spielen nicht so richtig Spaß auf. Ein gewonnenes Spiel fühlt sich wie eine erledigte Pflichtaufgabe an, nach einem verlorenen Spiel mag man sich gar nicht so richtig ärgern.

Denn so viel Gefühl der Spieler auch braucht, um Duelle und Schlachten zu gewinnen, so wenig Gefühl vermittelt die Welt von "For Honor". Die Helden - egal ob aus Japan, Mitteleuropa oder Skandinavien - sind nicht mehr als namenlose Blechkisten: Sie tragen Helme, dessen Visiere stets verschlossen bleiben, oder Masken, die ihre Mimik verbergen. Sie schreien nicht, wenn eine Klinge sie trifft, wenn ihnen der Arm abgeschlagen wird. Sie unterscheiden sich nicht durch Statur, Frisur oder Gangart - es gibt nichts, woran sich später noch jemand erinnern könnte. Daher drückt man als Spieler auch recht teilnahmslos auf die Taste, mit der man den schon besiegten Gegner abschließend noch köpft oder ihm die Streitaxt durch die Bauchdecke rammt. Das gibt Bonuspunkte und ist taktisch wichtig, denn andernfalls können sie von ihren Teamkollegen wiederbelebt werden.

Erfolgreiche Mehrspielertitel, haben häufig Helden mit Gesicht, mit eigener Geschichte. Das "Outing" der lesbischen Tracer aus "Overwatch" sorgte für Jubelstürme in weiten Teilen der Netzgemeinde. Die Spieler entwickeln eine emotionale Bindung zu ihren Helden, zu ihrem Spiel. Dass es auch anders funktioniert zeigen Spielereihen wie "Counter-Strike" oder "Battlefield", aber dann sind die Helden keine Helden, sondern nur gewöhnliche Soldaten.

Dazu kommt in "For Honor": Neben dem umfangreichen Mehrspieler-Teil gibt es eine Einzelspielerkampagne, die die Entwickler wohl besser weggelassen hätten. Der sogenannte Story-Modus hat seinen Namen nicht verdient. Die Handlung ist verworren, die Missionen sind öde und die Dialoge abgedroschen. Vielmehr wirkt der Story-Modus wie die Verlängerung des eh schon ausführlichen, zweiteiligen Trainings, das den Spieler beim ersten Start von "For Honor" erwartet.

Wie der Spieler in Training und Kampagne gebabysittet wird, ist unerträglich

In drei Kapiteln lernt der Spieler im Story-Modus die drei Fraktionen und ihre Helden kennen. Immer wieder wird der Spielfluss unterbrochen, weil ein neuer Befehl erklärt wird. Selbst auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad ("realistisch") lassen sich sämtliche Gegner ohne große Gegenwehr mit wenigen Schwerthieben töten. Die Schwierigkeit liegt allenfalls darin, dass kein roter Balken davor warnt, aus welcher Richtung der Sparringpartner zuschlägt.

Trotzdem empfiehlt es sich, beide Teile des Trainings durchzuspielen, so quälend das erscheinen mag. Nur dann bekommt der Spieler als Belohnung 3500 Stahl - die Währung in "For Honor", mit der neue Helden freigeschaltet, neue Rüstungen, Waffen und andere Upgrades gekauft werden können. Insgesamt vermitteln Training und Story-Modus den Eindruck, als würden die Entwickler dem von ihnen selbst geschaffenen Kampfsystem nicht vertrauen, als müssten sie die Spieler bei der Hand nehmen.

Womöglich haben sie damit sogar recht. So gut das Schwertschwingen in "For Honor" umgesetzt ist: Bis man sich daran gewöhnt hat, die Richtung seiner Waffe aktiv lenken zu müssen und ständig in Hab-Acht-Stellung auf eine Aktion seines Gegners zu warten, sind die Duelle eher sperrig und träge. Wenn es aber so viel Erklärung bedarf, dann bräuchte es auch mehr Charme und emotionale Bindung. Sonst verliert man als Spieler die Lust, bevor die zünftigen Internet-Ritter-Schlachten überhaupt erst richtig angefangen haben. Das ist schade, denn wenn man nach ein paar Stunden im Spiel die Mechanik beherrscht, schleicht sich der Spaß erst ein.

"For Honor" ist am 14. Februar für PC, Playstation 4 und Xbox One erschienen.

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