"Fallout 4":Endlich wieder Atomkrieg

Gamer warten seit Jahren auf "Fallout 4". Jetzt ist es so weit. Aber funktioniert ein seit 13 Jahren unverändertes Spielprinzip auch heute?

Von Matthias Huber

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(Foto: Bethesda/PR)

Angespielt, nicht durchgespielt: Unsere Games-Kurzkritik "Screenshot" beantwortet Fragen zu den neuesten Computer- und Videospielen auf allen gängigen Plattformen. Und gibt einen ersten Eindruck, worauf Sie sich bei einem neuen Spiel freuen können - und wann Sie lieber noch skeptisch sein sollten. Worum geht es in "Fallout 4"? Der große Krieg im Jahr 2077, in dem die Bomben auf Amerika fielen, beendete ein goldenes atomares Zeitalter: nukleargetriebene Autos, unendliche Ressourcen, ungehemmter Konsum. Ein Roboter hielt die Küche sauber, er wickelte auch Shaun, den wenige Monate alten Sohn des Helden oder wahlweise der Heldin von Fallout 4. Als es 2077 zum Krieg kam, gab es im ganzen Land Schutzbunker, gebaut, um eine halbe Ewigkeit zu überdauern. Aber irgendetwas ist schiefgegangen, und nun erwacht die Figur des Spielers aus ihrem Kälteschlaf. Sie sieht, wie Bewaffnete die Kammer gegenüber aufbrechen, ihren Ehepartner ermorden und den kleinen Shaun kidnappen. Also macht sich der Spieler auf in das verstrahlte Ödland, um im ehemaligen Boston seinen Sohn zu finden.

Was sieht vielversprechend aus?

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(Foto: Bethesda/PR)

Bethesda, die Firma hinter Fallout 4 und den Rollenspielen der "Elder Scrolls"-Reihe, macht seit 13 Jahren praktisch immer das gleiche Spiel. Damals erschien das Fantasyspiel "Morrowind", das nur in Details veränderte Spielprinzip musste seitdem für "Oblivion", "Skyrim", "Fallout 3" und "Fallout: New Vegas" herhalten. Und jetzt eben für "Fallout 4". Zum Glück waren alle bisherigen Spiele großartig. Auch für das neueste gilt: Schon wenige Schritte außerhalb der Bunkermauern bekommt man Lust, besser jeden Winkel der gewaltigen Spielwelt aufs genaueste zu untersuchen, um nur ja keines der verstreuten, liebevollen Details zu verpassen, oder an einer interessanten Nebenmission vorbeizulaufen. Erstmals in der Fallout-Reihe können Spieler eigene Siedlungen in der postnuklearen Wüste errichten und den Überlebenden der Katastrophe eine neue Heimat bieten. Aber vielleicht ist das eine Aufgabe für die Zeit, in der Shaun wieder bei seinem Vater sein wird.

Warum sollte man trotzdem skeptisch sein?

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(Foto: Bethesda/PR)

Der Hype um Fallout 4 seit dessen Ankündigung im Sommer ist gewaltig. Bethesda ließ echte Pip-Boys - aus der Spielhandlung bekannte Handgelenks-Computer - als Gymmick für die Handys von Hardcore-Fans herstellen. Nach wenigen Stunden waren keine vorbestellungen mehr möglich. Aber so sehnsüchtig das Spiel auch erwartet wird: Seine kleinen Schwächen werden schnell offensichtlich. Da ist zum einen die Qualität der Grafik, die nicht durchgehend überzeugt: Zwar haben Pflanzen sich im Rost der Stahlkonstruktionen verfallener Vororthäuser festgewachsen, und das rote Licht der untergehenden Sonne verleiht der Szene einen romantischen Charme. Doch demgegenüber stehen Szenen in Häusern und Bunkern, die noch verhältnismäßig intakt sind: Hier fehlt es plötzlich völlig an glaubhaften Schatten, alle Figuren wirken daher wie aufgeklebt, die ganze Szenerie wie ein wenig plastisches Bild. Die Bewegungen von Menschen und Tieren konnte Bethesda noch nie sonderlich gut auf den Bildschirm bringen. Nervig ist auch, wie offensichtlich Fallout 4 zuallererst für Spielkonsolen entwickelt wurde und sich die Entwickler offenbar wenig Gedanken darüber gemacht haben, wie Spieler mit Maus und Tastatur die Welt nach dem Atomkrieg erleben werden. Wer sich dennoch auf einem PC ins Ödland wagt, riskiert in den zahlreichen Menüs - Dialoge, Inventar, Siedlungsbau - seine Nerven. Die Spielfigur bewegt man mit W, A, S und D auf der Tastatur, die Maus steuert die Blickrichtung, aber immer wieder muss man eine der beiden Hände zur weit entfernten Enter-Taste bewegen, um irgendeine Option zu bestätigen. Dialogoptionen werden mit den ähnlich umständlich zu erreichenden Pfeiltasten ausgewählt. Überhaupt gelten in den meisten Menüs für die gleichen Aktionen - hoch, runter, bestätigen, abbrechen - ständig andere Tasten.

Woran erinnert Fallout 4?

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(Foto: Bethesda/PR)

Es sieht zwar nicht so aus, als würde "Fallout 4" all das falsch machen, was die Vorgänger so erfolgreich gemacht hat. Aber die riesige, frei begehbare Welt der Bethesda-Spiele hat immer die gleichen Schwächen. Der Reichtum an Möglichkeiten, der den Spieler zu Beginn noch erschlägt, dürfte sich wieder als das Resultat geschickten Kopierens und Verteilens einzelner Spielelemente herausstellen. Aufgaben wiederholen sich, verschiedene Schauplätze wirken nach gewisser Zeit sehr ähnlich, und der vermeintliche Tagesablauf der vielen hundert Nichtspielerfiguren besteht nur aus einer Handvoll immer gleicher Aktionen. Ein notwendiger Kompromiss, dem schieren Umfang des Spiels geschuldet? Dieses Argument lässt sich mittlerweile nicht mehr aufrechterhalten. Im März dieses Jahres erschien "The Witcher 3", ein Rollenspiel in einer vergleichbar gewaltigen, frei begehbaren Welt, in dem auch jede noch so unwichtige Nebenaufgabe detailliert auserzählt ist. Für das nächste Rollenspiel muss Bethesda sein seit 13 Jahren bewährtes Konzept womöglich doch überdenken.

Was passiert, wenn man das Spiel zum ersten Mal startet?

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(Foto: Bethesda/PR)

Sie sind alle tot. Irgendwann sind die Lebenserhaltungssysteme der Kälteschlafkammern ausgefallen. Die Figur des Spielers hat Glück gehabt, und ist rechtzeitig aufgewacht, als Einzige. Alle anderen liegen reglos in ihren Kammern, bedeckt von einer dünnen Eisschicht. Auch der Ehemann beziehungsweise die Ehefrau der Spielfigur, liegt dort, zusätzlich mit einer Schusswunde in der Stirn. Das Bild auf den Gängen von Schutzbunker Nummer 111 ist ebenfalls trostlos. Nahe einer längst verwesten Leiche liegt ein Schlagstock. Immerhin etwas, um sich gegen die kopfgroßen Kakerlaken zu wehren, die sich in der Anlage eingenistet haben. Ein Dokument erzählt vom Aufstand der Bunkerbewohner gegen den Aufseher, als die Nahrungsvorräte zur Neige gingen. Das war gerade einmal sechs Monate, nachdem die Bomben fielen. Draußen, vor dem Bunker: Das Städtchen Sanctuary Hills, oder was davon noch übrig ist. Immerhin, vor der Tür des eigenen Hauses wartet ein bekanntes Gesicht. Codsworth, der Haushaltsroboter der Familie. "Endlich sind Sie zurück", freut sich die fliegende Blechkugel mit Armen. "Die ersten paar Jahre habe ich noch versucht, alles sauber zu halten. Aber irgendwann habe ich aufgegeben. Und seit fast 200 Jahren weiß ich nicht mehr, was ich machen soll." Fallout 4 ist ab 10. November für PC, Playstation 4 und Xbox One erhältlich.

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