PR-Debakel: Flüsterkampagne gegen Google:Facebooks kalter Krieg

"Richtig, richtig dumm": Facebook beauftragt eine PR-Firma damit, kritische Web-Kommentare über Google zu kaufen. Das Unternehmen verspielt damit nicht nur seinen Ruf als Underdog-Firma - es entpuppt sich auch als Daten-Heuchler.

J. Kuhn

Als er die E-Mail las, wurde der amerikanische Privatsphären-Aktivist Christopher Soghoian stutzig: Die bekannte PR-Firma Burson-Marsteller wollte ihn für einen Gastkommentar gewinnen, der in etablierten US-Medien wie der Washington Post und Politico erscheinen sollte. Das Thema: Der rücksichtslose Umgang Googles mit den Daten seiner Nutzer.

Facebook - Google - Konflikt

Facebook und Google: Erbitterte Rivalen.

(Foto: dpa, Grafik: sueddeutsche.de)

"Ich erhalte fast jeden Tag solche Angebote, aber normalerweise möchte ein Unternehmen, dass ich ein Produkt lobe", erklärt er später dem New York Observer "Da habe ich Verdacht geschöpft - noch mehr, als sie nicht erzählen wollten, für wen sie arbeiten."

Soghoian, der früher für die US-Handelsaufsicht FTC arbeitete, lehnte ab und veröffentlichte den E-Mail-Verkehr im Internet. "Wie Sie wissen, hat Google eine bekannte Historie, die Privatsphäre amerikanischer Internetnutzer zu verletzen", schreibt dort ein Mitarbeiter von Burson-Marsteller, "Google sammelt und speichert Millionen persönlicher Informationen aus verschiedenen Online-Diensten, wertet diese aus, ohne dass die Betroffenen dies mitbekommen oder kontrollieren können."

Konkret bezieht sich die Kritik auf Google Social Circle. Der im Januar vorgestellte Dienst ermöglicht Nutzern, ihrem Google-Konto auch ihre Profile bei sozialen Netzwerken wie Twitter oder Facebook zuzuordnen.

Bei den Suchergebnissen erhält ein Google-Nutzer so auch die Empfehlungen von Freunden präferiert angezeigt. In der E-Mail, die an mehrere einflussreiche Internet-Aktivisten in Washington ging, gibt Burson-Marsteller dem Empfänger Argumente an die Hand, weshalb dies die Privatsphäre verletzt.

"Beleidigend, unehrlich, feige"

Nach der Veröffentlichung begann in der IT-Branche das große Raten: Wer könnte hinter dem schlecht getarnten Versuch stecken, Google über eine Flüsterkampagne zu schaden? Die Antwort entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Ausgerechnet Facebook, selbst wegen seiner Privatsphären-Politik stets in der Kritik, steckt hinter dem Auftrag zur Schmierattacke. Ein Sprecher räumte dies im Gespräch mit dem Journalisten Dan Lyons von The Daily Beast ein.

Das Urteil in der Branche ist einhellig wie vernichtend: "Ich war lange Zeit geduldig mit Facebook", schreibt der prominente Techcrunch-Chefblogger Michael Arrington, "aber heimlich eine PR-Firma zu engagieren, um Blogger für Geschichten gegen Google zu schreiben, ihnen sogar Hilfe beim Schreiben anzubieten und zu versuchen, die Artikel woanders unterzubringen, ist nicht nur beleidigend, unehrlich und feige. Es ist auch richtig, richtig dumm." Engadget schreibt von "Nixon'schen Methoden".

Facebook und Google: Konkurrenzkampf mit allen Mitteln

Der Kampf zwischen Google und Facebook gilt derzeit als der kalte Krieg der IT-Branche. Google tut sich schwer, seine Dienste erfolgreich mit sozialen Funktionen zu verbinden; Facebook hat durch die Daten und Vorlieben seiner Nutzer inzwischen eine Datenbank, die Werbekunden gerne und häufig nutzen, um maßgeschneiderte Anzeigen zu schalten.

Vor wenigen Wochen gab deshalb Larry Page in einem internen Memo an, dass 25 Prozent der Jahresboni aller Google-Mitarbeiter an den Erfolg des Unternehmens bei der Einführung sozialer Funktionen gekoppelt werden.

Die Facebook-Führungsetage um Mark Zuckerberg hatte sich offiziell immer gelassen ob der Google-Anstrengungen gegeben. Die nun publik gewordene Geheimaktion zeigt nicht nur, dass man gegen den Kontrahenten mit allen Mitteln kämpft, sie macht auch klar, dass das Underdog-Image, das Facebook noch anhaftet, längst nicht mehr der Realität entspricht.

Die Kritik, so befinden denn auch Beobachter, entbehrt zwar nicht jeder Grundlage, ist aber zutiefst heuchlerisch: Google Social Circle ist Facebook ist ein Dorn im Auge, weil der Dienst auch Informationen über Freunde von Facebook-Freunden in die Suchergebnisse einfließen lässt - soweit die Informationen auf dieser Ebene freigeben.

Nun wurde jedoch Facebook selbst häufig dafür kritisiert, Nutzern die Kontrolle über die Privatsphäre nicht besonders einfach zu machen, damit diese möglichst viele Informationen mit möglichst vielen Menschen teilen. Zudem fand eine IT-Sicherheitsfirma erst vor wenigen Tagen heraus, dass Facebook jahrelang Werbekunden unbeabsichtigt Zugriff auf sensible Nutzerdaten gab.

Heuchelei der Internet-Giganten

Wie groß Facebooks Imageverlust bei seinen Nutzern sein wird, ist noch nicht abzusehen. "Diese Unternehmen wollen unser Vertrauen. Sie wollen sogar, dass wir auf strengere Regulierungen verzichten und ihnen erlauben, sich selbst zu regulieren", schreibt Wired-Autor Steven Levy, "und nun macht Facebook eine der dämlichsten Sachen überhaupt: Es versucht, Aufmerksamkeit auf das Privatsphären-Problem eines Rivalen zu lenken und entpuppt sich selbst als feiger Manipulator." Vertrauen, so folgert er, sei mit solchen Aktionen nicht zu gewinnen.

Nicht, dass derartige Heuchelei neu im Internetgeschäft wäre. Selten jedoch war sie so offensichtlich wie bei Facebooks Flüsterkampagne.

Mitarbeit: Lukas Köhler

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