Facebooks Drohnen-Pläne:Größenwahn lernt fliegen

Facebook Plan Internet

Schwerpunkte der Facebook-Nutzung auf der Welt: Das Netzwerk plant ein System aus Drohnen, Satelliten und Lasern, um Internetzugänge in entlegene Regionen zu bringen.

(Foto: dpa)

Solarbetriebene Drohnen, Laser und ein Netzwerk aus Ballons. Im Wettlauf um die Vernetzung der Welt erobern Google und Facebook den Himmel. Auch wenn die Konzerne dabei als Heilsbringer auftreten: Es geht ihnen nicht um Wohltaten.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Die Idee wirkt größenwahnsinnig. Warum auch nicht? Hybris gehört zum Selbstverständnis der Menschen im Silicon Valley, die drei meist gehörten Worte in dieser Gegend sind: "die Welt verändern". Freilich fehlt dabei der Zusatz, dass es meist nur um jenen Teil der Welt geht, der mit dem Internet verbunden ist - genau deshalb waren die Worte von Mark Zuckerberg umso spektakulärer. In Star-Trek-Manier verkündete er in einem Eintrag auf Facebook: "Bei unserem Ziel, mit Internet.org die ganze Welt miteinander zu verbinden, arbeiten wir an Wegen, das Internet vom Himmel aus zu den Menschen zu beamen." Mit solarbetriebenen Drohnen, Satelliten und Lasertechnologie, aber auch mit bezahlbaren Endgeräten.

Der Facebook-Chef möchte jene zwei Drittel der Menschheit, die noch keinen oder nur einen sehr langsamen Internet-Zugang haben, mit dem Netz verbinden: "Unser Ziel ist es, jedem Menschen einen erschwinglichen Zugang zu grundlegenden Internetdiensten zu ermöglichen." Zum Wohle der Menschen natürlich, wie Zuckerberg betont und auf eine Studie der Marktforscher von Deloitte verweist, nach der dieses Vorhaben "140 Millionen neuer Arbeitsplätze schafft, 160 Millionen Menschen von Armut befreit und die Kindersterblichkeit um Hunderttausende reduziert". Das Internet als Heilsbringer und Problemlöser für die Dritte Welt, so sieht es die Allianz Internet.org, zu der sich Facebook, Samsung, Nokia und andere Technikunternehmen zusammengeschlossen haben und deren Galionsfigur Mark Zuckerberg ist.

Der wirkt derzeit ohnehin wie der Silicon-Valley-Weihnachtsmann. Er läuft mit einem riesigen Sack voller Geld von Haus zu Haus und beschenkt alle Kinder, die seiner Meinung nach besonders brav gewesen sind. Kürzlich kaufte er für zwei Milliarden US-Dollar den Cyberbrillen-Hersteller Oculus VR und für 19 Milliarden den Kurzmitteilungsdienst Whatsapp, dazu die Datenanalysefirma Onavo für 120 Millionen und das britische Fünf-Mann-Raumfahrtunternehmen Ascenta für 20 Millionen. Er hat auch am Haus des Drohnen-Herstellers Titan Aerospace angeklopft, offenbar mit einem 60-Millionen-Dollar-Päckchen. Darüber hinaus gibt er den strafenden Weihnachtsmann, er tadelte gar Barack Obama: "Ich habe Präsident Obama angerufen, um meine Frustration darüber zum Ausdruck zu bringen, welchen Schaden die Regierung für die Zukunft von uns allen anrichtet."

Mark Zuckerberg stilisiert sich zum Heiligen - und als solcher hält er sein Vorhaben natürlich für praktikabler als die Idee von Google, die Welt durch ein Netzwerk aus Ballons zu verbinden. Project Loon wird dieses Experiment genannt, es gehört wie das selbstfahrende Auto, die Computerbrille und die elektronische Kontaktlinse für Diabetiker zu jenen Projekten, wegen denen es auf dem Google-Campus den Satz über Konzernchef Larry Page gibt: "Larry ist mal wieder in die Zukunft gereist und nur zurückgekommen, um uns zu sagen, wie es dort aussieht."

Schon seit Monaten experimentiert das Unternehmen mit quallenartigen Ballons, die zunächst einmal für Aufregung bei Ufo-Forschern gesorgt haben - ehe es hieß: Gehört alles zu Googles gewaltigem Internetplan, bei dem diese Ballons mit einem Durchmesser von 15 Metern in die Stratosphäre aufsteigen, von Winden angetrieben um die Erde kreisen und Wi-Fi-Signale bis in die entlegensten Winkel senden.

Laut Zuckerberg sei der Vorteil der Drohnen, dass Facebook "den Aufenthaltsort der Flugzeuge, anders als bei Ballons, präzise kontrollieren kann". Natürlich klingen Drohnen nach Militär, nach Spionage und nach Gefahr - weshalb sich Zuckerberg Mühe gibt, die Vorzüge anzupreisen: "Durch die Effizienz und Haltbarkeit der Drohnen ist es sogar möglich, dass ein Flugzeug Monate oder gar Jahre in der Luft bleibt. Das bedeutet, dass Drohnen ausdauernder sind als Ballons."

Mehr Nutzer, mehr Daten

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Entwurf einer solarbetriebenen Drohne, mit der Facebook Internet-Zugang ermöglichen will.

(Foto: dpa)

Es bahnt sich also ein Wettlauf zwischen Facebook und Google an, und es geht um nichts weniger als um die Vernetzung der Welt. Freilich ist Facebook längst nicht mehr nur ein soziales Netzwerk, genauso wenig wie Google eine Suchmaschine ist. Beide Unternehmen gehören zum täglichen Leben jener Menschen, die mit dem Internet verbunden sind - sie stehen aber auch für die Ängste der Nutzer im Umgang mit der digitalen Welt. Nicht selten werden sie als gewaltige Datenkraken dargestellt, die auch Informationen abgreifen, die ihnen die Menschen gar nicht geben möchten.

Deshalb sind die beiden Projekte gewiss nicht nur als Altruismus zweier Visionäre zu verstehen. Beim Börsengang von Facebook im Mai 2012 bemängelten Analysten neben der mangelnden Ausrichtung auf Mobiltelefone - was mittlerweile verbessert wurde, weshalb der Aktienkurs auch deutlich nach oben gegangen ist - vor allem die Schwierigkeit, die Mitgliederzahl von mittlerweile 1,15 Milliarden noch weiter zu erhöhen. Das wird beim Blick auf eine Facebook-Lichter-Weltkarte recht deutlich. Hell ist es in Nordamerika und Europa, es gibt Lichtblicke in Indien, Südostasien und Südamerika. Ansonsten ist es recht dunkel. Weil der lukrative chinesische Markt unzugänglich ist, lautet die naheliegende Expansionsstufe: eine Vermehrung der vernetzten Menschen bedeutet eine Vermehrung der Nutzer für Facebook und Google.

Es geht Zuckerberg und Page also mitnichten nur um das Verteilen des Internetgeschenks an die Menschheit, die beiden Weihnachtsmänner würden sich im Gegenzug möglichst viele Nutzerdaten in ihre Säcke stecken. Die Welt verändern, das bedeutet in Silicon Valley auch immer: Die Welt so verändern, wie wir sie gerne haben möchten - und wenn der effizienteste Weg dorthin Ballons oder Drohnen sind, dann wird eben an Ballons und Drohnen gebastelt. Bill Gates hat Googles Projekt deshalb bereits kritisiert: "Natürlich glaube ich stark an die digitale Revolution, das Vernetzen von Krankenhäusern und Schulen sind gute Sachen. Wenn jedoch jemand an Malaria stirbt, dann bin ich mir nicht sicher, ob es ihm hilft, wenn er nach oben sieht und einen Ballon entdeckt."

Es dürfte noch ein paar Jahre dauern, bis tatsächlich Ballons und Drohnen um die Welt kreisen. Man kann diese Experimente nun mit Begeisterung, Angst oder Gleichgültigkeit aufnehmen. Man sollte nur nicht den Fehler machen und die Ideen von Zuckerberg und Page als Irrsinn oder Größenwahn abtun. Das Unheimliche an diesen Menschen im Silicon Valley ist: Was 99 Prozent der Menschheit heute für Irrsinn und Größenwahn halten, kann morgen schon Realität sein.

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