Facebook und Google:Die Menschenfischer

Wenn Google und Facebook gegeneinander antreten, geht es ums große Ganze: Wer den Kampf der Internetkonzerne gewinnt, der prägt das Leben. Alternativen sind derzeit keine in Sicht.

Johannes Boie

Diese Auseinandersetzung wird brutal: Google greift an, und zwar gleich auf mehreren Kanälen. Mit dem neuen Internetdienst Buzz will der Konzern die Firmen Facebook und Twitter gleichzeitig bedrängen.

Facebook und Google: Google-Gründer Sergey Brin: Es geht ums große Ganze.

Google-Gründer Sergey Brin: Es geht ums große Ganze.

(Foto: Foto: Reuters)

Facebook ist das größte soziale Netzwerk der Welt - hier treffen sich über 400 Millionen Menschen im virtuellen Raum und tauschen sich aus. Twitter ist eine Webseite, über die sich Nutzer kurze Nachrichten senden - Millionen Menschen besuchen sie täglich.

Mit Googles Angriff entstehen im Netz neue Konkurrenzverhältnisse. Wenn sich der Wettbewerb verschärft, profitieren in aller Regel die Kunden. Doch im Netz sind die alten Regeln abgeschafft: Hier heißen die Kunden Nutzer und die Währung, in der bezahlt wird, ist nicht Geld. Stattdessen zahlen die Surfer mit ihren persönlichen Daten und - immer wichtiger - mit ihrem Verhalten auf den zahlreichen Webplattformen. Es ist dies ein Bezahlvorgang besonders perfiden Charakters, weil er von den meisten Netzbewohnern nicht wahrgenommen wird.

Kein Gewinn, doch begeisterte Investoren

Die Unternehmen verfügen über ein enormes Kapital: die Datensätze von Privatpersonen. Nur so ist zu erklären, dass Twitter und Facebook bislang keinen Gewinn schreiben, aber dennoch jederzeit Finanzspritzen von begeisterten Investoren bekommen.

Google gelingt es seit Jahren, mit der Privatsphäre der Nutzer lukrative Werbegeschäfte zu machen. So ist der Konzern zum größten Spieler im Netz aufgestiegen und bedroht jetzt die beiden erfolgreichen Dienste Facebook und Twitter massiv. Immerhin wird der E-Mail-Service von Google ("Google Mail") bereits von circa 160 Millionen Menschen verwendet - all die können jetzt plötzlich auch den neuen Service Buzz verwenden.

Der erweitert den Funktionsumfang der Google-Produkte massiv und vergrößert dadurch die Bandbreite der Funktionsmöglichkeiten. So entstehen für das Unternehmen weitere wertvolle Datensätze. Datenschutz spielt dabei eine untergeordnete Rolle: Die digitale Avantgarde im Netz ist entsetzt über den neuen Google-Service, der teilweise öffentlich einsehbar machen soll, mit wem die neuen Nutzer in der Vergangenheit E-Mails ausgetauscht haben.

Der Sieger könnte zum Synonym für "Internet" werden

Doch beim Kampf der Großen geht es allein darum, wer gewinnt. Andere Konflikte zählen nicht. Da wären zum Beispiel die Vorwürfe deutscher Verlegerverbände gegen Google, Textinhalte ihrer Nachrichtenportale in unangemessenem Ausmaß zu verwenden.

Da ist die Kritik vieler Verlage aus aller Welt am Google Book Settlement, in dem darum gestritten wird, welche Bücher Google digitalisieren darf - alles Nebensache. Ein Interview mit einem ehemaligen Facebook-Angestellten, der von massivem Missbrauch von Personendaten in seiner ehemaligen Firma sprach, verhallte im Netz fast ungehört, wie man sagen muss, in Anbetracht der gigantischen Anzahl an Menschen, die von dem Skandal direkt betroffen sind.

Doch jene Firma, die als erste darauf verzichtet, Daten zu speichern, verliert als erste. Denn der Wettbewerb im Netz ist hart. Nach der Konvergenz der Medien gibt es mittlerweile eine Konvergenz der Funktionen im Netz: alles verschmilzt.

Ein Beispiel: Google kann Nachrichten für Leser sortieren und je nach ihrem Interesse an sie verteilen - aber Facebook kann das mittlerweile auch. Und Twitter gilt schon lange - insbesondere bei Katastrophen in abgelegenen Gebieten - als Alternative zu klassischen Nachrichtenagenturen.

Die Grenze zwischen virtuellem und realem Leben verschwimmt

Buzz perfektioniert das Zusammenspiel: Fotos, Videos, Blogbeiträge und E-Mails werden zu einem fortlaufenden, individuellen Nachrichtenstrom gemixt. Letzten Endes wird das Netz so seiner ursprünglichen Bestimmung immer näher gebracht: Es vereinfacht und beschleunigt die Kommunikation zwischen Medien und Menschen und Menschen untereinander.

Den Kampf der Internetkonzerne gewinnt das Unternehmen, dessen Technik und Plattform sich durchsetzt. Möglich, dass der Name des Siegers eines Tages ein Synonym für "Internet" werden wird.

Nicht nur die Überlegenheit eines Anbieters, auch die Debatte, in der sie sich entwickelt, bestimmt, wie die Menschen morgen leben werden. Denn was eine Firma wie Google heute beschließt, wird tags darauf zum gesellschaftlichen Parameter.

Die Grenze zwischen virtuellem und realem Leben verschwimmt. Wie und was Menschen kommunizieren, wer wen wann erreichen kann, wann und wo konsumiert wird und - im kritischen Fall - wer Stimmen zensieren kann - all das hängt davon ab, wie die dominanten Internetkonzerne ihre Verantwortung begreifen.

Alternativen sind nicht in Sicht

Dass deren Kritiker in Deutschland radikaler urteilen als zum Beispiel in den USA, lässt sich übrigens leicht mit der deutschen Geschichte erklären. Zwei Mal erlebten die Menschen im vergangenen Jahrhundert, dass das Leben der Bürger vom Staat ausspioniert und ihre Daten massenhaft missbraucht und gespeichert wurden.

Alternativen zu den etablierten WebKonzernen sind freilich nicht in Sicht: Öffentliche, transparente Projekte, die die Aufgaben von Facebook, Twitter oder Google übernehmen könnten, gibt es kaum. Die wenigen, die es gibt, sind unterfinanziert und daher technisch nicht ausgereift.

So bleibt es also die ureigene Aufgabe der Nutzer, das soziale Netz und sein Wachstum kritisch zu betrachten, die Entwicklungen zu hinterfragen und möglichst viele unterschiedliche Dienste und Webseiten zu nutzen, um keine allzu vollständigen Datensätze entstehen zu lassen.

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