Facebook und der Datenschutz:Mehr Privatsphäre? Von wegen!

Das Netzwerk Facebook gibt den Nutzern künftig größere Kontrolle über ihre Inhalte - und sorgt über die Hintertür doch dafür, dass sie mehr von sich verraten.

Wen zählt man zu seinen Freunden? Diese Frage beantworten Online-Netzwerke wie Facebook, StudiVZ oder Wer- kennt-wen bislang so: alle, die im Adressbuch stehen. Denn auf den Internet-Plattformen können Nutzer nicht einteilen, ob ihre Kontakte Familienmitglieder, Bekannte oder beste Kumpel sind. Das heißt auch: Sie teilen Urlaubsfotos, Links oder launige Anmerkungen (Statusmeldungen) mit ihrem gesamten Netzwerk.

Facebook und der Datenschutz: Die Plattform Facebook hat einige Einstellungen geändert

Die Plattform Facebook hat einige Einstellungen geändert

(Foto: Foto: AP)

Facebook will nun ermöglichen, Inhalte gezielt freizugeben - und hofft darauf, dass Nutzer dadurch mitteilsamer werden. Die bisher übliche freundschaftliche Gleichmacherei im Internet entspricht nicht dem sozialen Leben außerhalb der digitalen Welt.

Dort gibt es viele Abstufungen, erklärt der Kommunikationssoziologe Jan Schmidt: "Oft entscheiden wir spontan in einer Situation, wem wir was erzählen", sagt der Experte vom Hans-Bredow-Institut für Medienforschung in Hamburg.

Facebook ändert Bedingungen

Bürotratsch, der bei einem befreundeten Kollegen gut aufgehoben ist, könnte zum Beispiel dem Abteilungsleiter die Zornesröte ins Gesicht treiben. Babyfotos sind für die Familie spannend, für den Rest oft weniger. Wer dagegen für eine Unterschriftenaktion gegen den Klimawandel wirbt, will möglichst viele Menschen erreichen.

Solche Unterscheidungen sind in Online-Netzwerken schwierig. "Die Plattformen erlauben bislang nur flache Beziehungsmodelle", sagt Professor Hendrik Speck von der Fachhochschule Kaiserslautern. "Nutzer können nicht die Intensität der Kontakte einstellen." Verschiedene soziale Netzwerke aus der Offline-Welt vermischen sich - nicht immer zum Vorteil.

Facebook will dieses Problem nun lösen und nach eigenen Angaben mehr Datenschutz ermöglichen. Seit dieser Woche können die Nutzer die Leserschaft ihrer Beiträge genauer festlegen. Zum einen gibt es neue Standardeinstellungen, die zwischen eigenen Kontakten, Freunden der Freunde sowie dem gesamten Netzwerk unterscheiden. Zum anderen können Mitglieder die Zielgruppe aussuchen und etwa die Fotos von der Fahrt der Fußballmannschaft den Kollegen vorenthalten.

Was Facebook ändert und welche Fallen lauern

Die Differenzierung erfolgt über selbstangelegte Listen, in die man seine Kontakte einteilt. Wettbewerber wie StudiVZ erlauben lediglich eine gröbere Einteilung - Fotos etwa können alle, nur die eigenen Freunde oder bloß man selbst ansehen.

Allerdings hat Facebook die Standardeinstellungen verändert: Daten wie der Familien- und Beziehungsstand, die Arbeitsstelle, Seiten, die ein Nutzer mag, sowie eigene Status-Updates sind nun erst einmal für alle zu sehen, es sei denn, der Nutzer schränkt die Suche ein.

Auch die Abschaffung der Netzwerkstruktur könnte dafür sorgen, dass mehr Informationen öffentlich zugänglich waren: Während bis vor kurzem jeder Nutzer nur Informationen mit Menschen aus seinem Netzwerk teilten, wie zum Beispiel aus derselben Stadt oder Firma, ist dieses Netzwerk ab sofort die ganze Welt. Die zuvor nur im Netzwerk zu sehenden Informationen sind also für alle Facebook-Nutzer zugänglich.

Bürgerrechtler ahnen Schlimmes

Die Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) sieht neben einen positiven Aspekten vor allem die Gefahr, dass Nutzer künftig "der Welt mehr Informationen über sich verraten, als sie jemals wollten", heißt es auf dem EFF-Blog.

Facebook hat ein starkes Interesse daran, mehr Informationen öffentlich zugänglich zu machen. Auf aktuelle Statusmeldungen von Millionen Nutzern sind Betreiber von Suchmaschinen scharf. Sowohl mit Bing, als auch mit Google hat Facebook bereits Abmachungen zur Durchsuchung des öffentlichen Teil des Netzwerks getroffen.

"Je mehr Daten auf Facebook veröffentlicht werden, desto mehr Möglichkeiten entstehen für die eigene Suche und für Suchmaschinen", schreibt das US-Fachblog Techcrunch. Der in Statusmeldungen gegossene Zeitgeist erschließt dem Unternehmen neue Einnahmequellen und hilft ihm so in die schwarzen Zahlen.

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