Facebook:Ich will nicht wissen, wer mich entfreundet hat

Facebook

"Who Deleted Me?" überwacht die Facebook-Freunde in Echtzeit. Warum tut man sich das an?

(Foto: dpa)

Eine neue App informiert, wenn man einen Facebook-Freund verliert. Das funktioniert zuverlässig - leider. Denn wofür soll das gut sein?

Von Simon Hurtz

Schlussmachen ist schwer. In der Liebe - und erst recht in der Freundschaft. "Ich mag dich nicht mehr. Ich will nicht mehr dein Freund sein." Solche Sätze tun weh. Zum Glück sind sie selten. Die meisten Freunde verschwinden nicht mit einem Knall, sondern allmählich. Man lebt sich auseinander, zieht um, verliert sich aus den Augen.

Im analogen Leben war der Beziehungsstatus analog: fließend, nie ganz eindeutig. Das Internet hat Freundschaften digitalisiert: Es gibt nur noch zwei Möglichkeiten, 0 oder 1, an oder aus, Freunde oder Nicht-Freunde.

Facebook-Nutzer haben im Schnitt 338 Freunde

Zwei Drittel aller Facebook-Nutzer haben schon mal jemanden entfreundet, Frauen häufiger als Männer, Junge häufiger als Alte (die Umfrage ist vier Jahre alt, mittlerweile dürfte die Zahl höher liegen). Jemandem virtuell die Freundschaft aufzukündigen, ist leicht; dafür reicht ein Mausklick. Facebook beendet die Beziehung still und heimlich, der Verlassene bekommt davon nichts mit. Wer merkt schon, wenn ein einziger Name aus einer seitenlangen Freundesliste (durchschnittliche Zahl der Facebook-Freunde: 338) verschwindet?

Bis vor kurzem war das eine rhetorische Frage. Jetzt lautet die Antwort: jeder! Zumindest, wenn er "Who Deleted Me?" nutzt. Jahrelang nahm kaum jemand Notiz von der App, bis vor kurzem plötzlich große Medien begannen zu erklären, "wie Sie herausfinden, wer Sie entfreundet hat". In kürzester Zeit registrierten sich Buzzfeed zufolge 330 000 neue Nutzer und zwangen die beiden Server des Entwicklers in die Knie. Mittlerweile werkeln 15 Rechner im Hintergrund und sorgen dafür, dass keine aufgekündigte Freundschaft unbemerkt bleibt.

Erkenntnisgewinn? Fehlanzeige!

Hurra! Jetzt kann man jeden Tag mit einem ängstlichen Blick in die App beginnen, um zu überprüfen, ob einem die alte Grundschulliebe, der Erasmus-Flirt und die Arbeitskollegen noch digital verbunden sind. Und zusammenzucken, wenn ein rotes "Deleted You" vom Ende einer Freundschaft zeugt. Was soll das? Ruft man jeden Tag seine analogen Freunde und fragt: "Magst du mich noch?" Und vor allem: Was tut man, wenn die Antwort "nein" lautet?

Vermutlich: gar nichts, außer auflegen und sich schlecht fühlen. Genauso wenig, wie man irgendeinen Gewinn daraus zieht, wenn man erfährt, dass man einen Facebook-Freund verloren hat. Entweder, es ist einem gleichgültig - dann war die Information ohnehin überflüssig. Oder man ist verletzt und enttäuscht, auf jeden Fall aber rat- und hilflos.

Das Ende einer Beziehung tut weh - auch digital

Klar, theoretisch könnte man jetzt eine Mail schreiben und nach dem Grund fragen: Habe ich zu viele Urlaubs-Fotos gepostet? Einen blöden Kommentar geschrieben? Den falschen Fußballverein gelikt? Oder liegt es einfach nur daran, dass wir uns seit drei Jahren nicht gesehen haben und ich dir egal geworden bin? Man könnte auch eine erneute Freundschaftsanfrage schicken, ein virtuelles Versöhnungsangebot. Aber macht man das wirklich?

Es ist, da muss man sich nichts vormachen, ein ziemlich ätzendes Gefühl, wenn ein anderer Mensch eine Beziehung beendet - ob analog oder digital spielt da überhaupt keine Rolle. Selbst wenn nicht jeder Facebook-Freund ein echter Freund ist, auch der Verlust eines Kontakts, einer Bekanntschaft tut weh. Smartwatches messen den Herzschlag, Fitnessarmbänder protokollieren jeden Schritt - müssen wir auch noch über die Zahl unserer Freunde Buch führen?

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