Freundschaften im sozialen Netzwerk:Aktiv bei Facebook - ohne Stress

An Geburtstage denken, Anfragen beantworten, Freundschaften bestätigen. Eine Mitgliedschaft bei Facebook kann ganz schön stressig sein - muss sie aber nicht.

Marc Felix Serrao

Bill Gates hat Facebook verlassen, weil er "zu beliebt" wurde. Bill Gates hat - egal, ob er sein Profil im Portal selbst betreut hat oder nicht - Facebook vielleicht nicht verstanden.

Freundschaften im sozialen Netzwerk: Früher trafen sich Freunde im Café. Heute halten sie via Facebook Kontakt.

Früher trafen sich Freunde im Café. Heute halten sie via Facebook Kontakt.

(Foto: Foto: AP)

Natürlich kann ein Online-Netzwerk Stress verursachen: Wenn man sich über jeden Freundschaftsantrag den Kopf zerbricht. Oder wenn man täglich gut gemeinte Sinnsprüche absetzt, beziehungsweise all das Zeug liest, das die Anderen so schreiben. Das muss man nicht. Wer sich an ein paar Regeln hält, die auch offline gelten, wird mit Facebook und ähnlichen Portalen weder Probleme haben noch Gefahr laufen, zu beliebt zu werden.

Keine Pflichten. Die vielleicht wichtigste Regel. Bei Facebook und seinen inzwischen mehr als 200 Millionen regelmäßigen Nutzern will immer irgendwer irgendwas. Ein Geburtstag soll in die Geburtstagsliste eingetragen werden, jemand "stupst" einen an und will zurückgestupst oder mit virtuellen Teddybären beworfen werden. Es gibt tausende von Charaktertests (Welche Nationalität passt zu dir? Welche Figur aus der Sesamstraße bist du?), es gibt Einladungen zu Stammtischen und Klassentreffen, neue Urlaubsfotos und Solidaritätsappelle (Tibet? Iran!).

Der Irrtum vieler älterer oder neuer Nutzer

Auf alles kann, auf nichts muss reagiert werden - das war wohl der Irrtum von Bill Gates, das ist der Irrtum vieler älterer oder neuer Nutzer. Vor allem muss man nicht sofort reagieren. Es gibt zwar Leute, die sich beschweren, wenn ihre Neuigkeiten nicht gleich gewürdigt werden. Aber die kann man sich erziehen, mit penetranter Langsamkeit.

Nicht zu viele Freunde. Die zweite Regel (erledigt sich manchmal schon durch Befolgen der ersten Regel). Bill Gates soll sich beschwert haben, dass er von mehr als zehntausend Leuten bedrängt wurde. Jeden Fall einzeln zu prüfen, sei zu stressig gewesen. Nun hat kein vernünftiger Mensch eine auch nur dreistellige Zahl echter Freunde, und dennoch fällt die Entscheidung über die abgespeckte Internetvariante vielen schwer.

Dabei lassen sich leicht ganze Gruppen ausgrenzen. Berufliche Kontakte, zum Beispiel, sind in einem privaten Portal wie Facebook tabu. Andernfalls steckt man irgendwann in der Situation, Bürodinge mit jemandem besprechen zu müssen, der weiß, dass man im Kino weint oder unter Klaustrophobie leidet.

Weniger eindeutige Fälle sind sympathische Kollegen, entfernte Verwandte und ehemalige Mitschüler. Da taucht plötzlich nach Jahren eine Anfrage auf, deren Absender einem nur noch ganz entfernt bekannt vorkommt - die aber so schön hölzern formuliert ist ("Alter Klassenkamerad!"), dass man wie automatisch auf Bestätigen drückt. Es folgen zwei, drei Beruf/Wohnort/Familie-Mails. Und das war's.

Auf der nächsten Seite: Was die Regeln drei bis sechs besagen.

Freundschaftsangebote von Fremden

Danach hat man einen Freundschaftszombie in der Liste, dessen Einträge man erst kaum und dann gar nicht mehr liest und irgendwann sperrt. Solche Freunde wieder loszuwerden, fällt online besonders schwer. Zwar erhält der Andere, wie offline meist auch, keine offizielle Nachricht über das Ende der gemeinsamen Zeit. Aber gerade weil Verbindungen an einem Ort wie Facebook so unverbindlich sind und Karteileichen nicht riechen, ist die Erklärungsnot groß, wenn das Kappen der Freundschaft doch bemerkt wird.

Nachsicht üben heißt die dritte Regel. Auch sonst selbstkritische Menschen zeigen bei Facebook mitunter Seiten von sich, die man offline nie und online lieber nie bemerkt hätte. Da outet sich das SPD-Mitglied (okay) als Hubertus-Heil-Fan (nicht okay). Da stellen stolze Eltern Fotos ihrer betrunken dreinschauenden Babys für alle sichtbar ins Netz und provozieren damit die schlimmsten Glückwünsche, vor allem von kinderlosen Frauen über 30.

Verwirrung stiften

Wieder andere stiften Verwirrung. "Beeskow. Gestern, 19 Uhr. Mit Birkenzweigen, Schnaps und der Mutter meiner Tochter": Etwa so lautete kürzlich der Eintrag eines jungen Mannes aus der Hauptstadt. Der erste Freund kommentierte: "Hochzeit?" Der zweite: "Sauna!" Eine Antwort gab es nicht.

Im Zweifel Schweigen. Die ganze sogenannte Netzwerkkommunikation, wenn sie nicht bilateral, also in Mail- oder Chatform, stattfindet, ist überhaupt ein Witz. Gefühlte 95 Prozent der öffentlichen Facebook-Einträge sind banale ("Fühle mich katholisch") bis blamable ("Ein leeres Blatt Papier ist Gottes Art uns zu zeigen, wie schwer es ist, Gott zu sein") Selbstgespräche, für die sich die Verfasser alle noch schämen werden.

Es gibt nur sehr wenige lebende Menschen, die Aphorismen schreiben können und sollten; der Journalist und Schriftsteller Michael Klonovsky, zum Beispiel, aber so einer ist nicht bei Facebook.

Keine Intimitäten. Regel fünf ist eine Konsequenz aus Regel vier, aber die Betonung kann nicht schaden. Wer bei Facebook mitteilt, dass er in einer Beziehung lebt - bloß weil es einen "Beziehungsstatus" gibt, den man anklicken kann -, und wer diese Information (warum auch immer) später wieder löscht, muss mitunter tagelang mitleidvolle Mails beantworten.

Details und Spitznamen verbieten

Dass sich in Liebesdingen auch alle etwaigen Details ("ist kitzlig"), Fotos (vom Kitzeln) oder Spitznamen (. . .) verbieten, vor allem wenn man irgendwo lohnabhängig beschäftigt ist, versteht sich leider auch nicht immer von selbst.

Von Angesicht zu Angesicht. Die letzte Regel betrifft Freundschaftsangebote von Leuten, die man selbst nicht kennt, die aber Freunde und Freundesfreunde kennen. Ein gern diskutierter Sonderfall, auf den es aber an sich nur eine Antwort gibt: Menschen, die einen online ungefragt anfreunden, sollte man, wenn sie nicht schon auf Anhieb unsympathisch sind, allenfalls vorschlagen, gemeinsam etwas trinken zu gehen - um zu schauen, ob es für eine Freundschaft, wenn auch nur bei Facebook, reicht. Ein solcher Einbruch von Verbindlichkeit ist im Online-Portal in der Regel Abschreckung genug.

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