Facebook-Chef vor US-Kongress:Zuckerberg präsentiert sich als erfahrener Entschuldiger

Der erste Auftritt des 33-Jährigen vor dem US-Kongress zeigt: Politisch muss der Facebook-Chef in Washington wenig fürchten.

Analyse von Johannes Kuhn, Austin

Amerikanische Medien hatten den Termin wie einen Hollywood-Showdown verkauft. Doch die beinahe fünfstündige Senatsanhörung von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg war nichts für Unterhaltungsfanatiker. Auch wenn es diesen einen Moment gab, der später in allen Fernsehnachrichten auftauchen sollte.

Dick Durbin (demokratischer Senator aus Illinois): "Wäre es in Ordnung, wenn Sie uns einweihen würden, in welchem Hotel Sie die vergangene Nacht verbracht haben?"

Mark Zuckerberg, nach kurzem Nachdenken: "Hmm, nein." (leises Gelächter)

Durbin: "Wenn Sie jemandem diese Woche eine Nachricht geschrieben haben, würden Sie uns teilhaben lassen, wie die Personen heißen?"

Zuckerberg, lächelnd: "Senator, das würde ich wahrscheinlich nicht hier öffentlich tun wollen."

Durbin, milde lächelnd: "Ich denke, das könnte es sein, worum es hier geht: Ihr Recht auf Privatsphäre."

Einerseits bringt dieser "Erwischt"-Moment die Facebook-Debatte auf den Punkt. Andererseits symbolisiert er auch das Problem: Wenn Firmenchefs nach Skandalen vor dem Kongress antanzen müssen, geht es an erster Stelle nicht um Aufklärung, sondern um die TV-gerechte Kanalisierung des Volkszorns durch Volksvertreter.

Dennoch bot die Anhörung einige Erkenntnisse, wie es nach dem Facebook-Datenabfluss an Cambridge Analytica weitergeht und was politisch zu erwarten ist.

Kritik, aber wenig Konkretes

Wäre die Börse ein Maßstab, war Zuckerbergs Auftritt ein Erfolg für Facebook: 4,5 Prozent legte der zuletzt gebeutelte Aktienkurs des Konzerns während der Anhörung zu. Zyniker errechneten daraus eine Vermögenssteigerung von 2,8 Milliarden US-Dollar für den Firmengründer.

Zwar musste sich der 33-Jährige auch harte Kritik anhören ("absichtliche Blindheit"), doch insgesamt zahlte sich die Vorarbeit des Konzerns aus: Zuckerberg, inzwischen einer der erfahrensten Entschuldiger der Branche, übernahm mit ruhiger Stimme erneut die Verantwortung für den Datenabfluss und bedauerte, die russische Wahl-Beeinflussung 2016 zu spät erkannt zu haben.

Zugleich konnte er routiniert darauf verweisen, mit diversen Daten-Zugangsbeschränkungen für App-Entwickler und der Fahndung nach politischen Clickbait-Fabriken bereits reagiert zu haben. Zuckerberg führte außerdem an, dass "Werkzeuge und Lösungen" wie künstliche Intelligenz die Probleme in absehbarer Zeit besser lösen könnten.

Das Problem mit den Wissenslücken

Während seines Auftritts profitierte der Facebook-Chef auch vom hohen Altersdurchschnitt im Senat: Die meisten der 44 Senatoren hatten ihre Fragen offensichtlich von Assistenten erhalten, wussten aber zu wenig über IT-Systeme oder das Facebook-Geschäftsmodell, um die richtigen Nachfragen zu stellen.

So musste Zuckerberg mehrmals wiederholen, dass Facebook keine Nutzerdaten verkauft, konnte aber gleichzeitig Fragen über die Datenlöschung und Details des Nutzertrackings ausweichen oder angeben, die Informationen nicht parat zu haben.

Selbstregulierung statt Regulierung

Zwar fühlte sich der 84-jährige Senator Orin Hatch (Rep., Utah) an die berühmten Microsoft-Anhörungen in den späten neunziger Jahren erinnert, die den Fokus auf die Marktmacht des Windows-Konzern lenkten. Doch in ähnlicher Bedrängnis steckt Facebook noch nicht: Kartellfragen spielten kaum eine Rolle und auch die Drohungen zur Regulierung verbanden fast alle Politiker mit der Aufforderung, das Problem selbst zu lösen.

Das Unternehmen hat bereits Bereitschaft zu größerer Transparenz bei politischer Werbung angekündigt, ein entsprechender Entwurf liegt derzeit im Kongress. Ein weiterer Punkt könnten verständlichere Geschäftsbedingungen sein. "Ich sage es freundlich: Ihre Nutzungsbedingungen stinken", sagte der als Zitatfabrik bekannte Republikaner John Kennedy (Louisiana) zum Facebook-Chef. Dieses ellenlange Vertragswerk "soll Facebook den Hintern retten, nicht die Nutzer über Rechte informieren. Sie wissen das, ich weiß das." Zuckerberg zeigte sich offen für einen gesetzlichen Rahmen - während der marktliberale Kennedy einzig forderte, dass Facebook selbst eine Lösung suchen müsse.

Schmallippiger zeigte sich Zuckerberg bei einer Annäherung an die europäischen Datenschutz-Standards wie einer expliziten Zustimmung zur Datenweitergabe. Er unterstütze dies als "generelles Prinzip", erklärte er - allerdings betrachtet Zuckerberg auch die Blanko-Zustimmung für den Kontaktdaten-Zugriff bei der Installation des Messengers als "Opt-in". Hat der Nutzer also einmal sein Häkchen gesetzt, hat Facebook in Sachen Daten quasi freie Hand.

Ein entsprechender Gesetzentwurf zur Datenweitergabe-Zustimmung befindet sich in einer Frühphase, hat aber derzeit schlechte Chancen auf Umsetzung, da die Republikaner grundsätzlich gegen Regulierung von Unternehmen sind. Größere Nutzerrechte im Heimatmarkt dürften bei Facebook, Google und Co. auf heftigen Widerstand stoßen, da sie das auf massiver Datenauswertung basierende Geschäftsmodell der Konzerne gefährden könnten. Andere Stimmen glauben, dass die Plattformen so beliebt sind, dass die meisten Nutzer die Erlaubnis zum Datensammeln ohnehin ohne Zögern erteilen.

Der lange Schatten der FTC

Mehrere Senatoren fragten Zuckerberg, warum die Firma nach Bekanntwerden des Datenabflusses 2014 weder die Millionen betroffenen Nutzer, noch die Handelsbehörde FTC informierte, die seit 2011 die Privatsphären-Politik des Konzerns überwacht.

Auch hier zog sich Zuckerberg auf die Geschäftsbedingungen zurück: In diesen sei eine Datenweitergabe an Drittparteien erwähnt gewesen. Als die Nutzer sich bei Facebook angemeldet hätten, "haben sie sich auch dafür angemeldet". Ob die Nutzungsbedingungen wirklich die ungefragte Datenweitergabe an Apps von Freunden deckten, ist derzeit Gegenstand von FTC-Ermittlungen, die eine Milliardenstrafe zur Folge haben könnten.

Fazit: Der Facebook-Widerspruch

Einerseits vermittelte Mark Zuckerberg vor dem Senat den Eindruck, dass jeder Facebook-Nutzer weiß, welche Daten er mit wem teilt (eine Ansicht, der wohl viele Mitglieder widersprechen würden). Zugleich aber stellte er den Datenmissbrauch als etwas dar, was die Facebook-Verantwortlichen damals nicht vorhersehen konnten, obwohl die Plattform das Sammeln detaillierter Datenpunkte perfektioniert hat.

Genau diesen Kern des Geschäftsmodells (kostenloser Dienst für kostenlose Nutzerdaten) möchte Facebook nicht ändern, auch wenn Zuckerberg erstmals ein alternatives Bezahlmodell andeutete ("eine Version von Facebook wird immer kostenlos bleiben"). Die durchaus milde Anhörung lässt vermuten, dass die Firma und ihre Lobbyisten bei allen Gesetzen ein gewaltiges Wort mitzureden haben werden - doch derzeit ist zweifelhaft, ob im zerstrittenen Kongress überhaupt etwas passieren wird.

Am Mittwoch wird Zuckerberg den letzten Tag seines Auftrittsmarathons absolvieren und vor einem Ausschuss des Repräsentantenhauses aussagen.

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